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SCHWEINFURT
Ein Roman als politisches Lehrstück
Leonard F. Seidl: Der Autor las in Schweinfurt aus seinem Roman „Mutterkorn“.
Foto: Hannes Helferich | Leonard F. Seidl: Der Autor las in Schweinfurt aus seinem Roman „Mutterkorn“.
hh
 |  aktualisiert: 29.01.2012 17:34 Uhr

Bewusst am Vorabend zum „Tag der Opfer des Faschismus“ am 27. Januar hatte das Schweinfurter „Bündnis für Demokratie und Toleranz – Schweinfurt ist bunt“ den Autor Leonard F. Seidl zu einer Lesung ins Gewerkschaftszentrum Am Zeughaus eingeladen. Der 36-Jährige aus Nürnberg beschäftigt sich seit Jahren mit dem Rechtsradikalismus, der auch in seinem Roman „Mutterkorn“ eine Rolle spielt.

Am 9. November 2003 wollten Neonazis bei der Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums München eine Bombe zünden. Dieses Ereignis und weitere Übergriffe greift Seidl auf. In „Mutterkorn“ begibt sich der Altenpfleger Albin O. wegen einer drogeninduzierten Psychose in eine Suchtklinik. Er stößt dabei auf die Attentatspläne einer rechten Terrorgruppe. Einer der Attentäter ist dort ebenfalls Patient. Er heißt im Roman Thorben. Seidl lässt offen, ob die Attentäter im Roman Erfolg haben. Die Attentäter von München hatten ihn nicht. Es handelte sich um bekannte Neonazis, einer der Akteure ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß und mischt schon wieder in der rechten Szene unter den Augen der Polizei mit, erinnert der Autor.

Seidl ist gelernter Altenpfleger. Erst später studierte er (Soziale Arbeit). Seine Diplomarbeit schrieb er über straffällige Jugendliche. Dazu hielt er sich einige Zeit in der Justizvollzugsanstalt Ebern auf. Seine Erfahrungen aus dem früheren Job und aus dem Jugendknast spiegeln sich im Roman deutlich wider.

Seidl unterbricht seine Lesung immer wieder, und spielt Videoszenen von Rostock, Mölln und Solingen ein, wo Rechtsradikale Brandsätze gegen Asylbewerber gelegt haben, wo sie Menschen, nur weil sie nicht deutsch waren, getötet haben. In Mölln waren zwei Kinder unter den Opfern.

Die Lesung, die auch Geschichtsstunde ist, löst eine lebhafte Diskussion aus, in der die Morde der rechtsradikalen Thüringer Terrorgruppe die Hauptrolle spielen. Der Saal des DGB ist mit gut 60 Zuhörern voll besetzt, unter ihnen Pfarrer, Vertreter von Gewerkschaften, Ausländervereinen und Menschenrechtsorganisationen, Stadträte und ganz normale Bürger. Dass auch zivile Beamte im Raum sitzen und uniformierte Kräfte vor dem Gewerkschaftshaus stehen, hat Hausherr und Bündnissprecher Frank Firsching veranlasst.

Die Übergriffe Rechtsradikaler gegen engagierte Nazigegner vor allem im mittelfränkischen Raum nennt er als Grund für die Vorsichtsmaßnahme. Firsching präsentiert eine Liste des Nürnberger Bündnisses „Nazistopp“ der seit Anfang November begangenen Straftaten: demolierte Autos, Schmierereien an Jugendzentren, Hakenkreuze an Einrichtungen und Verunglimpfungen von Gegnern. Auch in Schweinfurt sei man nicht davor gefeit, „in den Blickpunkt der Nazis zu rücken“, warnt er. Es sei deshalb richtig und wichtig, dass das Bündnis weiter bestehe und wachsam sei.

 
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