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SCHWEINFURT
Ein Plädoyer für die Demokratie und die „kleine Groko“
Plädoyer für GroKo, Republik und Demokratie: Markus Rinderspacher (SPD).
Foto: Uwe Eichler | Plädoyer für GroKo, Republik und Demokratie: Markus Rinderspacher (SPD).
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 09.12.2017 02:52 Uhr

Beim Demokratie-Empfang der Landtags-SPD liegen Bayerische Verfassungen im Miniaturformat aus im Foyer des Museums Georg Schäfer, zum Mitnehmen: Sie sollen keinesfalls als Museumsstücke dienen, die Errungenschaften des demokratischen Bayern. Wo die Uhren schon immer anders gingen.

Bereits in der Nacht zum 8. November 1918 rief der Sozialist und erste Ministerpräsident Kurt Eisner das Ende der Wittelsbacher-Monarchie und den Freistaat aus. In Berlin war erst am 9. November Revolution. Auch die heutige weiß-blaue Verfassung ist das Werk eines Sozialdemokraten, vom Nachkriegs-Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner im Schweizer Exil entworfen. Vizelandrat Peter Seifert lässt sich von Mit-Gastgeberin Kathi Petersen eine Widmung hineinschreiben. Der Empfang soll das Ehrenamt ebenso würdigen wie die 100 Jahre Bayerische Republik, die nächstes Jahr gefeiert werden.

Petersen: „Demokratie muss gelebt werden“

„Demokratie ist nicht nur eine Staatsform“, hatte Petersen zur Begrüßung festgestellt, vor Vertretern der Gewerkschaften, Schulen, Rettungsdiensten, Feuerwehr oder caritativen Einrichtungen. Wohl auch durch den Wintereinbruch am Sonntag war der Saal nicht ganz gefüllt. „Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit“, zitierte die Landtagsabgeordnete Willy Brandt. Der Zweck heilige nicht die Mittel, Demokratie müsse gelebt werden.

„Jedes Menschenleben soll heilig sein“: Der eigentliche Festredner, Markus Rinderspacher, verwies als „schneeerprobter“ SPD-Fraktionschef im Landtag auf die Worte Kurt Eisners. Der habe damit bereits Artikel 1 Grundgesetz vorweggenommen, die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Mit der Revolution sei die Aufhebung des Zensuswahlrechts (bei der nur Vermögende mitstimmen durften) ebenso durchgesetzt worden wie das Frauenwahlrecht und der Achtstundentag .

Am Ende des Ersten Weltkriegs, mit seinen über 35 Millionen Toten, waren zehntausende Demonstranten auf die Münchner Theresienwiese geströmt. Die bayerische SPD hat nun beantragt, den folgenden 8. November zum gesetzlichen Feiertag werden zu lassen, anlässlich des Jubiläums. Bayern sei ja nach wie vor sehr monarchisch geprägt, meinte Rinderspacher unweit der Maxbrücke: „Damit meine ich nicht nur Horst Seehofer und seine vielen Nachfolger.“

„Freibier ist nicht das, was den Staat ausmacht“

Viele Straßen oder das Maximilianeum trügen Herrschernamen. „Helden der Demokratie“, wie dem 1919 ermordeten Eisner, werde zu wenig gedacht. Freibier sei nicht das, was den Freistaat ausmache, sagte der Sozialdemokrat, der auch an den Widerstand der SPD im „Dritten Reich“ erinnerte: an Leute wie Michael Poeschke, später OB von Erlangen, der blutüberströmt aus dem Lager Dachau in den bayerischen Landtag gebracht worden war, wo seine Partei geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte. Poeschke hatte derweil aufgrund der KZ-Misshandlungen ärztlich versorgt worden müssen.

Die Demokratieskepsis nimmt zu

Es gehe darum, das republikanische Bewusstsein zu stärken, im Sinne Willy Brandts mehr Demokratie zu wagen, der nächsten Generation den Wert demokratischer Prozesse zu vermitteln. Vom Ende der Geschichte, mit einem weltweiten Siegeszug der liberalen Demokratie, wie es Autor Fukuyama 1992 behauptet hatte, sei man weit entfernt: angesichts des Vormarschs des Rechtspopulismus in Europa und den USA, Schlagwort „Trump“. Die Demokratieskepsis nehme zu, ebenso der Wunsch nach Autorität, anstelle echter Kompetenz. In Deutschland gab es den Wahlerfolg der AfD. Auch die Superreichen würden sich aus dem demokratischen System zurückziehen, Stichwort Paradise Papers. Die Finanzkrise habe 1,6 Billionen gekostet, die Flüchtlingskrise einen Bruchteil: „Werden wir nicht am Ende vom Mammon regiert?“

Rinderspacher übte Kritik an Merkels Politikstil, mit dem politisch nichtssagenden Motto: „Sie kennen mich“. Kein Mensch kenne diese Frau, so der ehemalige Fernsehjournalist. Es sei richtig gewesen, am Wahlabend anzukündigen, in die Opposition zu gehen.

„Der Fluch der Karibik“

Nach dem „Fluch der Karibik“ und dem Jamaika-Aus habe man allerdings eine völlig neue Situation. Neuwahlen würden keine neuen Ergebnisse bringen, höchstens die AfD stärken. Minderheitsregierung klinge erstmal toll. Faktisch hätte man aber eine „Große Koalition light“, bei der die SPD als größte Oppositionspartei bei unangenehmen Entscheidungen in der Mitverantwortung wäre, ohne das Angenehme mitgestalten zu können.

Eine Große Koalition wäre diesmal nur eine „kleine GroKo“, die angesichts der knappen Mehrheit die Anderen nicht dominieren würde. Die „älteste, traditionsreichste und demokratieerfahrenste Partei“ Deutschlands sei nicht nur für ihre Wähler, sondern die gesamte Bevölkerung verantwortlich. Das letzte Wort hätten die SPD-Mitglieder, eine Staatskrise sah Rinderspacher nicht.

Exemplarisch für das bürgerliche Engagement in der Stadt stellten dann Klaus Hofmann (Initiative gegen das Vergessen) sowie Ulrich Philipp (Amnesty International) die Arbeit ihrer Organisationen vor: die sich für eine lokale Aufarbeitung der NS-Zeit einsetzen beziehungsweise für politische Gefangene und Menschenrechte. „Die meisten Unterstützer von Amnesty International, bezogen auf die Einwohnerzahl, gibt es in Schweinfurt“, so die gute Nachricht von Philipp.

 
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