Gefordert und zugleich „gut gefüttert“ durften sich feine Ohren in der Rathausdiele fühlen, beim „Festival für neuere Musik“: geradezu mit einem Who is who regionaler Preisträger und Experten für zeitgenössische Klänge. Das Konzert aus der Reihe „Tradition und Moderne“ brachte zugleich die Verabschiedung von Elke Tober-Vogt. Nach 14 Jahren an der Spitze des Tonkünstlerverbands Schweinfurt/Main-Rhön legt sie zum Jahresende ihr Amt nieder. Zusammen mit der Disharmonie und weiteren Vereinen präsentierten die Komponisten- und Musikerkollegen ein „Abschiedsfeuerwerk“.
Schon beim „Sonnenhymnus von Amarna II“, neu gefasst durch Tober-Vogt, geht es ums Ganze, mit einem 3400 Jahre alten Lobpreis Atons, des ägyptischen Schöpfergotts, durch „Ketzerpharao“ Echnaton. In diesem Fall um die „Bewässerung der Erde“, dank des Nil. Eher dunkel, diffus, fast beängstigend ob unentrinnbarer Naturgewalten ist die Stimmung, die Mezzosopranistin Erna Rauscher und Pianistin Jutta Müller-Vornehm zeichnen. Ins Christliche leitet „Mein G'müth ist mir verwirret“ (Komponist: Gustav Gunsenheimer) über, volkstümliches Liebeslied und fromme Marienverehrung zugleich, mit dem Würzburger Florian Meierott an der Violine. „Zeitklänge“ nennen sich erneute Klavier-Impressionen, mit Herbststurm und Spuren im All, nach Lorenz Schmidt.
Der Besuch einer „geheimnisvollen Höhle“ dürfte einem von den Gitarrenkonzerten des Musikschullehrers bekannt vorkommen, später folgt Rilkes zeitloser Hymnus an die Musik. Gedankenschwer, aber musikalisch schwerelos schweben die „Marianischen Gesänge“ von Pfarrer Roland Breitenbach durch Raum und Zeiten, durch Karl Haus in Noten verwandelt: Erna Rauscher meistert diese bereits textlich schwierige Aufgabe. Es folgt wieder „Teufelsgeiger“ Meierott, mit „1945“ – unschwer als Jahr des Kriegsendes zu erkennen. Es sind widerstreitende Gefühle und Stimmungen, zwischen Leid und Hoffnung, die der Violinvirtuose den Saiten entlockt. Was stellenweise an Elmer Bernsteins grandios melancholische Filmmusik zur „Brücke von Remagen“ erinnert: eine Hommage sicher an das alte Würzburg, das fast am gleichen Tag wie die umkämpfte Rheinbrücke in Trümmer gefallen ist.
Dass anspruchsvolle Musik auch Unterhaltung sein darf, beweist Meierott mit „Dädalus und Ikarus“. Dädalus, sagenhafter Daniel Düsentrieb der Antike, wird von König Minos auf Kreta eingesperrt, mitsamt Sohnemann. Erst wird lamentiert, dann bastelt sich der Tüftler aus Wachs und Federn Vogelschwingen, um durch die Luft zu entkommen. Vater und Sohn eilen zum Licht, zur Freiheit empor, bevor Ikarus der Höhenrausch packt: Er fliegt trotz Warnungen viel zu hoch, die Sonne schmilzt das Wachs seiner Flügel, es folgt der Absturz in Meer: „Erneutes Lamento des Dädalus“.
Pathetisch darf Meierott noch einmal mit Klavierbegleitung werden: Auch bei „La nuit et la lumiere“ von Elke Tober-Vogt geht es um Urgewalten, die Nacht und das Licht. Zwischendurch, quasi zur Auflockerung der Sinne, eine Sonatine von Gustav Gunsenheimer, am Klavier. Trotz handwerklicher Finesse geht das Konzert volkstümlich, erdnah, über die Bühne. Mit Rückerts „Liedern im Volkston“, vertont von Karl Haus, lassen Erna Rauscher und Jutta Müller-Vornehm wieder auf Frühling, Rosen, neue Liebe hoffen – wie schon der altersweise Dichter reimte: “Weh, ihr Sorgen düst'rer Chor, sprechet morgen wieder vor!“ Uwe Eichler