
Am Freitagabend hätte Nathan Gray eigentlich auf der Bühne des Schweinfurter Stattbahnhofs stehen sollen. Daraus wurde nichts. Die Pforten des Stattbahnhofs bleiben geschlossen und Nathan Gray, ein Star der Punk- und Hardcore-Szene als Sänger der Band Boysetsfire und seinem Solo-Projekt, kann weiter nicht touren. Auf Künstler und Bands aus den USA müssen die Fans des Genres wohl noch eine ganze Weile verzichten.
Dafür sollen bald Newcomer aus der Umgebung die Gelegenheit erhalten, sich auf der großen Bühne zu beweisen. Mit den "Save the Date Sessions" möchte Navigator Productions von Mai bis August insgesamt acht coronakonforme Konzerte in Nürnberg und Schweinfurt stattfinden lassen – drei davon (am 4.6., 16.7. und 6.8.) im Schweinfurter Stattbahnhof. Die restlichen in den Nürnberger Clubs Z-Bau und Hirsch.
"Wir dachten uns, es kann ja nicht so weitergehen", erklärte Steffen Rose, Inhaber von Navigator und unter anderem Veranstalter des Mission Ready Festivals in Giebelstadt: "Wir brauchen irgendetwas, um alles am Laufen zu halten." Heraus kam eine innovative Konzertreihe, die zu 80 Prozent vom Bundesprogramm "Neustart Kultur" mit einer "hohen fünfstelligen Summe" gefördert wird. Navigator-Konzertveranstaltungen, die coronabedingt nicht in der ursprünglichen Version stattfinden können, müssen künftig nicht mehr ersatzlos gestrichen werden. Statt der nationalen und internationalen Szenegrößen sollen dann "local heroes" auf der Bühne stehen.
Drei Bands aus dem Umkreis von maximal 100 Kilometern vom Veranstaltungsort bekommen pro Konzert die Chance ihr Können zu zeigen – unter professionellen Bedingungen. Navigator wird das volle Programm, mit Licht- und Bühnentechnik, Catering und allem was dazu gehört, auffahren als würden etwa Hardcore-Legenden wie Agnostic Front oder Sick of it All auf der Bühne stehen. Dadurch werden neben den Bands auch andere aktive Beteiligten der Veranstaltungsbranche vor Ort, die seit jetzt bereits einem Jahr ihrer Arbeit nicht nachgehen können, wie Ton- und Lichttechniker oder Security, wieder zum Einsatz kommen. Außerdem soll mit "Save the Dates" den Klubs, wie dem Stattbahnhof geholfen werden.
Das ein oder andere Juwel entdecken
"Woher sollen denn die nächsten Beatsteaks oder Rammstein kommen, wenn wir ihnen keine Chance geben?", fragte Rose am Donnerstagnachmittag in der Online-Pressekonferenz, in der er sein Projekt vorstellte, in die virtuelle Runde. "Wir haben in Franken und Bayern eine so vielfältige Musikszene. Die Leute sollen sich das anhören", fordert "Onkel Punkrock", wie Rose in der Szene genannt wird. Ab sofort können sich regionale Bands der verschiedensten Genres auf die 24 freien Plätze für die Events bewerben. "Ich bin mir ganz sicher, wir werden da das ein oder andere Juwel entdecken."
Steffen Rose, der seit 30 Jahren die nordbayerische Hardcore- und Punkszene mit Konzerten und Festivals versorgt, möchte seinen Beitrag leisten, die Szene zusammen und die Branche aufrechtzuerhalten: "Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir in der Krise zusammenarbeiten." Ohne die Förderung des Bundes wäre das unter den derzeitigen Umständen nicht möglich, betont Rose. Die Konzerte, bei denen dann vielleicht nur 50 bis 70 Zuschauer teilnehmen können, wären absolut unwirtschaftlich. So können jetzt branchenübliche Gagen gezahlt werden. Was coronakonform genau bedeutet, ist heute noch nicht absehbar. Die dann vorherrschenden amtlichen Verordnungen werden umgesetzt.
"Uns ist es einfach wichtig für einen Lichtblick zu sorgen. Mit dem Projekt können wir endlich wieder das machen, was wir lieben", erläutert Rose. Die Nachwuchsbands will er dafür "aus den Probekellern der Nation rausholen", damit sie zeigen können "wir sind genauso gut wie die Amis." Nathan Gray, der Punkrocker aus den USA, der bei der Präsentation des "Save the Date Sessions"-Projekts live zugeschaltet war, zeigte sich begeistert von den Plänen in Schweinfurt und Nürnberg. In den USA seien die Künstler komplett auf sich alleine gestellt, erklärt er. "Seid den Menschen dankbar, die eure Regierung gewählt haben", meinte er.
Hundertprozent zustimmen wollte ihm Steffen Rose, der Punkrock-Veteran, da freilich nicht. Aber darüber können die beiden, die seit zwei Jahrzehnten befreundet sind, sich hoffentlich im Oktober noch einmal unterhalten. Dann unternimmt Nathan Gray den nächsten Anlauf für ein Konzert im Stattbahnhof. Bis dahin sollen ab Mai erstmal die Newcomer aus der Region für einen gelungenen ersten Schritt raus aus der Krise rein in den Neustart der Konzert-Szene sorgen.