Der Schwerpunkt der Kunsthalle Schweinfurt liegt in der Vermittlung deutscher Kunst nach 1945 im Dialog zwischen Abstraktion und Figuration. Genau dazu passt die neue Ausstellung Florian Köhler „Bei Tagesanbruch ist die Nacht am dunkelsten“ und Lothar Fischer, die vom 7. Dezember bis 8. April 2018 zu sehen sein wird.
Neben informellen Ausdrucksformen wird in der Kunsthalle vor allem auch ein besonderer Akzent auf die neofigurative Formensprache der 1950 und 60er Jahre bis heute gelegt. Der Maler Florian Köhler (1935-2013) und der Bildhauer Lothar Fischer (1933-2004) im Umkreis der Gruppen Spur, Wir und Geflecht zählen zu den herausragenden Repräsentanten dieser Kunstgeschichte.
Im Zentrum der Ausstellung steht das malerische Werk des 1935 in Frankfurt geborenen Künstlers Florian Köhler, der seit 1969 in Hamburg lebte, wo er 2014 verstarb. Die Auseinandersetzung mit Figur und Raum prägten sein Werk, heißt es in der Pressemitteilung der Kunsthalle. Ausschlaggebend waren seit Anfang an die Frühzeit und die Adaptionen barocker sakraler Bauplastik in Bayern und die Vorbilder in Münchens Gemäldegalerien. Malerei sah Florian Köhler als Erkenntnisinstrument und diesem Credo ist er in seiner Arbeit konsequent gefolgt.
Die Kuratorin, Kunsthallen-Leiterin Andrea Brandl, erfüllt sich mit dieser Retrospektive einen lang gehegten Wunsch, nach der Ausstellung „Der Maler besteht aus Bildern“ 1999 in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Schweinfurt diesen herausragenden Maler erneut in Schweinfurt zeigen zu können. Nun sind im vierseitigen Umgang im Untergeschoss unter dem Innenhof eine repräsentative Auswahl von rund 100 Arbeiten, bestehend aus Zeichnungen, Vorstudien, Aquarellen, Pastellen sowie Gemälden des Künstlers, zu sehen, der zeitlebens Malerei als Drama gesehen hat, wenn die Figur in die Landschaft tritt. Ob im kleinen oder großen Format, ob in der kleinen Vorstudie oder im großen Gemälde, sein Farbenvorrat schien unerschöpflich.
Claus Mewes schrieb einst: „Mit dem ersten Aufenthalt von Anne und Florian Köhler im Oktober 1990 auf der – durch Fischerei, Austernzucht und Tourismus geprägten – Insel Oléron veränderte sich die Malerei des Künstlers noch einmal grundlegend.
Zunächst widmete er sich voll den Arbeits- und Lebenswelten der Meeres- und Austernfischer in typischer Berufskleidung mit ihren spezifischen Geräten, Installationen und Vehikeln, die im schnellen Farbauftrag zeichenhaft aufscheinen und nur bei intensiver Betrachtung wie Ortskenntnis zu identifizieren bzw. zu entschlüsseln sind: Netze, Körbe, im Schlick verankerte Tische aus Eisen für das Wenden der Säcke mit den Austern, Hütten, Boote, Kutter im Ambiente der Molen, Lagerplätze und Häfen wie Le Château und La Cotiniere. Den Tenor der zumeist in drei Zonen zwischen Himmel, Wasser und Land angelegten Bilder bestimmt eine variationsreiche Farbpalette mit subtilen Valeurs, die sowohl der Natur abgewonnen als auch in Reflexion der Malereigeschichte zwischen Barock, klassischer Moderne und Pop-Art eingesetzt sind.“ Diesen Arbeiten ermöglicht die Ausstellung größtmögliche Übersicht.
Den expressiven Farbgewittern von Florian Köhler werden plastische Werke des langjährigen Bildhauer-Freundes Lothar Fischer als freundliche Leihgaben des gleichnamigen Museums in Neumarkt in der Oberpfalz gegenübergestellt: Die menschliche Figur und der sie umschließende Raum stehen bei beiden zeitlebens im Fokus künstlerischer Auseinandersetzung. In der Tradition der Münchener Bildhauerschule unter Heinrich Kirchner stehend, entwickelte Fischer unter der Maxime bilden, nicht abbilden eine unverwechselbare Formensprache, die immer wieder das antike Vorbild spüren lässt. Das plastische Gebilde sah er als Sinnbild des Menschen in Form einer „Kunstfigur“ analog zur Natur des Menschen.
Für die Emanzipationsbewegungen der späten 1950er Jahre und das gesellschaftskritische Aufbegehren gegen die Adenauer-Ära stehen in Süddeutschland die jungen „wilden Künstler“ um Spur. Die 1958 in München gegründete Künstlergruppe mit Lothar Fischer, HP (Hans Peter) Zimmer, Helmut Sturm und Heimrad Prem vertrat eine figurativ-expressive Kunstrichtung, die auf lokale Traditionen wie den bayerischen Barock Bezug nahm. Spur opponierte mit ironischen Bildern im Stile der Art Brut und suchte vor allem die Begegnung mit Gleichgesinnten im internationalen Kontext.
Mit Helmut Rieger und Heino Naujoks gründete Florian Köhler Wir, aus deren Zusammenschluss mit Spur sich die Gruppe Geflecht (1965-68) formierte. Besonders in dieser Gruppe wurde die schöpferische Einzelpersönlichkeit des Künstlers dem Primat der Arbeit der Gruppe an einem Kunstwerk untergeordnet. In der Anfangsphase 1965/66 bestand der neue Zusammenschluss aus Lothar Fischer, Heimrad Prem, Hans Matthäus Bachmayer, Reinhold Heller, Florian Köhler, Heino Naujoks, Helmut Rieger, Helmut Sturm und HP Zimmer. 1967 bezog die Gruppe das namensgebende Atelier „Geflecht“-Keller in der Münchner Herzogstraße. Ihr Erbe wurde ab 1975 im Kollektiv Herzogstraße fortgeführt.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Die Ausstellung Florian Köhler „Bei Tagesanbruch ist die Nacht am dunkelsten“ und Lothar Fischer ist vom 7. Dezember bis 8. April 2018 in der Kunsthalle zu sehen. Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr, Eintritt 5 Euro, ermäßigt 4. Begleitprogramm 25. Januar 2018, 19 Uhr, Kunsthalle: Vortrag des in München lebenden Schriftstellers, Lieder- und Filmemachers Alfred Gulden „Wilde Zeiten Die 60er Jahre in München“. Eintritt: 5 Euro.