
Können Klassiker der Literatur uns heute noch etwas sagen? Sind die Themen, mit denen Autoren sich in der Vergangenheit auseinandersetzten, heute noch aktuell? Versteht man Klassiker heute überhaupt noch? Dreimal ja!
Vor kurzem führte die Neue Werkbühne München in der Aula des Celtis-Gymnasiums vor Schülerinnen und Schülern der 10. und 11. Jahrgangsstufe das Drama "Nathan der Weise" von G. E. Lessing auf. Dieses "dramatische Gedicht" aus der Zeit der Aufklärung ist einerseits ein Verwirrspiel um Macht, Liebe und Identität, andererseits aber auch ein programmatisches Werk zur Verbreitung einer wichtigen Idee der Aufklärung: der Toleranz.
Der reiche Jude Nathan der Weise erfährt, dass seine Tochter Recha von einem christlichen Tempelherrn vor dem Feuertod gerettet wurde. Dieser verdankt sein Leben der Begnadigung des Sultans Saladin, der in Geldnöten ist und den Kontakt zu Nathan sucht. Letzterer soll Saladin die heikle Frage nach der wahren Religion beantworten. Nathan weicht der Frage geschickt aus, indem er dem Sultan eine Geschichte erzählt – die berühmte Ringparabel, an deren Ende die Religionen dazu aufgefordert werden, ihre Vorzüge durch Taten zu beweisen. Am Ende des Dramas stellt sich heraus, dass Recha nicht Nathans leibliche Tochter und die Schwester des Tempelherrn ist, was vom aufmerksamen Publikum mit Erstaunen quittiert wurde.
Für die aktuellen Bezüge sorgten vor allem die im Original von Lessing nicht vorgesehenen Erzähler, die aber in der Bühnenfassung der Neuen Werkbühne durch ihre einführenden Worte und ihr Heraustreten aus der Rolle wichtige Verbindungen zur Gegenwart herstellten und zum Nachdenken anregten. Die Bandbreite der Themen reichte dabei vom Rassismus über die Verfolgung Andersgläubiger, den Antisemitismus und die Bedeutung und Auslegung der Religion bis hin zur auch in der Gegenwart so wichtigen Toleranz. Auch die eingespielte Musik und das Bühnenbild, eine Collage aus Kampfszenen während der Kreuzzüge vor der Kulisse des Felsendoms und der israelischen Sperranlage im Westjordanland, zeigten, wie aktuell Probleme der Vergangenheit immer noch sind.
Von: Richard Schenker (Schriftführer Posaunenchor, Lehrer am Celtis-Gymnasium, Evangelischer Posaunenchor Schweinfurt, Celtis-Gymnasium Schweinfurt)