
Peter Hettrich ist gelernter Dachdecker, heute Vorarbeiter und gleichzeitig Betriebsratsvorsitzender eines fünfköpfigen Gremiums. Das kümmert sich um die Belange der Mitarbeitenden. Doch da gibt es scheinbar nicht allzu viel Konfliktpotenzial. 1987 hat Hettrich bei der Schweinfurter Traditionsfirma Handschuh Bedachungen angefangen. Seit der Lehre ist er hier verwurzelt, "im 35. Betriebsjahr", wie er sagt. Ein wenig Stolz schwingt mit. Wer bei Handschuh Bedachungen anfängt zu arbeiten, der ist gekommen, um zu bleiben, so scheint es. Rund die Hälfte der Mitarbeitenden sind – wie Peter Hettrich – seit mindestens 25 Jahren im Betrieb.
Heute ein Ausnahmemodell. Bei Handschuh allerdings, meint Hettrich, "war das schon immer so". Und weil man sich so lange kennt, entsteht auch so etwas wie "Familie", ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Das sagt nicht nur der Betriebsratsvorsitzende, das sagen auch die beiden Herren, die mit am Tisch sitzen: Frank Schindelmann und Walter Weißenseel, zwei von drei Geschäftsführern der Firma, die in diesem Jahr auf 110 Jahre Firmengeschichte zurückblicken kann. Sie sind stolz auf ihre langjährigen Mitarbeitenden, auf die man sich verlassen kann, die Erfahrung haben. Viele sind hier ausgebildet worden. Ein gutes Team. Dazu etliche junge Kräfte.
Die Chefs sind keine, die unnahbar wirken. Direkt dran, Eigengewächse der Firma oder schon lange dabei. Welche, bei denen man anklopfen kann und auch soll, wenn es Probleme gibt. Das sei ihm wichtig, sagt Frank Schindelmann. Er ist gelernter Dachdecker, hat später studiert und kam als Hochbautechniker 1998 zu Handschuh Bedachungen. Dort war Walter Weißenseel schon damals fest im Sattel. 1980 hat er bei der Firma angefangen, als Bürokaufmann-Azubi, war später kaufmännischer Leiter. In Haßfurt, wo Handschuh eine Niederlassung hat, sitzt der dritte im Bunde des Geschäftsführer-Trios, Stephan Meißner.
Die Verhandlungen mit einem Investor liefen bereits
Dass Handschuh Bedachungen in diesem Jahr auf 110 Jahre Firmengeschichte zurückblicken kann, war nicht immer klar. Es gab auch Krisen. Wie 2019. Mit Matthias Handschuh, der selbst keine Kinder hatte, stieg der letzte der Gründerfamilie aus dem Unternehmen aus. Walter Weißenseel, auch damals in Verantwortung, verhandelte schon mit einem Investor. Und es war ihm klar: Hier geht es vor allem um Rendite. Der Weg, die Nachfolge dann doch intern zu lösen, hat die Belegschaft aufatmen lassen, erinnert sich Weißenseel. Peter Hettrich nickt. Für die Zukunft der Unternehmensleitung ist übrigens gesorgt, so die beiden Geschäftsführer, diesmal wird es wieder eine Familiensache sein.
Warum das Werben um neue Beschäftigte und Azubis immer schwerer wird
Eines ist angesichts der vielen langjährig Beschäftigten auch klar: Irgendwann wird sich das auswirken. Dann nämlich, wenn zum Beispiel die Jahrgänge 1971 bis 1973 in Rente gehen. Dann sind auf einen Schlag mindestens 15 Beschäftigte weg. Umso wichtiger ist das Werben um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und um Auszubildende im Bereich Dachdecker, Spengler und Zimmermann. Um das möglichst breit zu streuen, geht die Traditionsfirma seit kurzem ganz bewusst neue Wege, wirbt nun auch in den Sozialen Medien, macht Imagearbeit.

Denn klar sind zwei Dinge: Erstens wird es für das Handwerk generell immer schwerer, Beschäftigte und auch Nachwuchs zu finden. Der Job ist hart, Handarbeit eben, bei Wind und Wetter. Und zweitens winkt immer die Industrie. Trotzdem hat das Handwerk Vorteile, sagen die Chefs: Es ist krisensicher, Aufträge gibt es genug, Zuschläge auch. "Die letzten 25 Jahre haben wir niemanden gehen lassen müssen wegen Arbeitsmangels", sagt Frank Schindelmann. Auch mit Blick auf die Corona-Krise. Während manche ihre Leute in Kurzarbeit geschickt hätten, habe man bei Handschuh die höheren Materialpreise eben geschluckt, den ein oder anderen Euro draufgelegt – und weitergemacht.
Zwei Einbrüche in einem Monat, doch keine Versicherung zahlt
Eines hat die Firmenchefs im 110. Firmenjahr dann aber doch auf die Palme gebracht: Die zwei Einbrüche Anfang und Ende September. Unbekannte hatten Firmenfahrzeuge auf dem Gelände aufgebrochen, Maschinen und Werkzeuge weggeschleppt. Auf insgesamt 70 000 Euro schätzen Schindelmann und Weißenseel den Schaden, plus den Arbeitsausfall. Auf dem Schaden wird man wohl sitzen bleiben, denn ins Gebäude wurde nicht eingebrochen, weshalb die Versicherung nicht zahlt.