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GEROLZHOFEN
Ein Jahr in den Anden
Missionarin auf Zeit: Simone Stumpf aus Gerolzhofen arbeitete in einer Mädchenschule in Bolivien
Immer viel Trubel: In der bolivianischen Mädchenschule Colegio Copacapana in der bolivianischen Stadt Potosi gab es viel zu tun. Hier sieht man Simone Stumpf mit einer der Klassen, die sie mitbetreute.
Foto: Stumpf | Immer viel Trubel: In der bolivianischen Mädchenschule Colegio Copacapana in der bolivianischen Stadt Potosi gab es viel zu tun. Hier sieht man Simone Stumpf mit einer der Klassen, die sie mitbetreute.
Redaktion Main-Rhön
 |  aktualisiert: 05.12.2015 03:43 Uhr

„Mitleben, Mitbeten, Mitarbeiten“ – das war ein Jahr lang das Motto von Simone Stumpf. Sie verbrachte die vergangenen zwölf Monate als Missionarin auf Zeit, kurz MAZ, in Bolivien in einer Mädchenschule. Über diese Erfahrungen sprach sie nun im Pfarrer-Hersam-Haus vor den Mitgliedern der Kolpingfamilie Gerolzhofen, der Katholischen Arbeiternehmerbewegung und des Frauenbunds, welche sie während ihrer Zeit in den Anden nicht nur finanziell, sondern auch moralisch unterstützten.

Gleich am Anfang ihres Vortrages stellte Simone klar, dass all ihre Erzählungen rein subjektiv seien. Ihr sei es wichtig, dass ihre Eindrücke nicht generalisierend wahrgenommen werden.

Bolivien, auch das Herz von Lateinamerika genannt, bietet durch seine Größe ein unglaubliches Spektrum an Landschaften, Klimazonen, aber auch Menschen. Die Gerolzhöferin verbrachte ihre Zeit im Colegio Copacabana, einer katholischen Mädchenschule in der Stadt Potosi, die in den Anden liegt. Die Landschaft dort ist trocken und braun und in den Nächten werden fast immer die Minusgrade erreicht. Der Tagesablauf war einfach strukturiert: Um 8 Uhr fing die Arbeit an, wobei sie sich um die Vorschüler kümmerte, ihnen zuhörte oder ihre Bastelarbeiten bewunderte. Dann ging es zu den Grundschülern.

Den Nachmittag verbrachte sie mit den älteren Schülerinnen im Handarbeitsunterricht. Schnell habe sie gemerkt, dass sie alleine durch ihre Anwesenheit die Lehrer sehr entlasten konnte. Bei einer Klassenstärke von bis zu 40 Schülern ist es auch kein Wunder, dass die Lehrerin nicht immer allen Kindern ihre Aufmerksamkeit schenken konnte. „Mir war es wichtig, dass ich pro Tag mich mit mindestens einem Kind etwas intensiver unterhalten habe“, erzählte sie. Gerade im Süden von Bolivien, wo sie war, sind die Lebensverhältnisse oft nicht ideal. Noch immer merkt man die Spuren der spanischen Kolonialherrschaft, die es vor allem auf das Silber abgesehen hatte. Dafür wurde eine gnadenlose Ausbeutung der Einheimischen in Kauf genommen.

Und auch jetzt noch arbeiten viele der Einwohner von Potosi in den Minen des nahe gelegenen Cerro Rico, auf Deutsch: reicher Berg. Zwar verdienen sie dort vergleichsweise viel Geld, doch gehen sie aufgrund mangelnder Sicherheit und hoher gesundheitlicher Gefahren jeden Tag das Risiko ein, dass es ihr letzter Tag sein könnte. Diese Lebenseinstellung prägt auch schon die jungen Kinder, und so ist ein zusätzliches offenes Ohr immer willkommen.

Für Simone war es vor allem schön, die Entwicklung der Kinder zu sehen. So konnte sie den Wechsel der Vorschüler in die Grundschule beobachten und staunte oft, wie schnell sich die Kinder weiterentwickeln. Auch die anderen Lehrmethoden, Traditionen oder kulinarischen Spezialitäten faszinierten sie immer wieder aufs Neue. Besonders gefiel ihr, dass es in Bolivien so viele Feiertage gab – vom Tag des Fußgängers bis zum Tag der Milch wurde jeder Kleinigkeit Wertschätzung gezollt. Auch wenn meist nicht groß gefeiert wurde, so mochte sie die positive Einstellung der Bevölkerung.

Leider konnte Simone nicht nur von schönen Erlebnissen erzählen, sondern ihr war es wichtig, dass auch die traurigen Seiten erwähnt wurden. Einer dieser Erlebnisse war der Tod einer Lehrerin, mit der sie gut befreundet war und die innerhalb von drei Tagen überraschend verstarb.

Aber auch der Tod einer zwölfjährigen Schülerin ist ihr im Gedächtnis hängen geblieben. Das junge Mädchen litt an einer schweren Erkältung, aber war schon auf dem Weg der Besserung, als etwas in Bolivien relativ Normales eintrat: ein Hungerstreik. Während eines solchen Streiks werden die Ein- und Ausfahrten der Stadt versperrt, um jegliche Einfuhren zu verhindern.

Doch dieser Streik dauerte ungewöhnlich lange, insgesamt 30 Tage warteten die Bewohner auf das Ende. Simone hatte Glück, denn sie war gerade außerhalb der Stadt, als der Streik anfing, die Schülerin dagegen nicht. Auf Grund von mangelnden Medikamenten starb sie.

Wie gut, dass die positiven Erlebnisse die negativen überwogen. Dazu zählten die Ausflüge in andere Regionen, wie zum Beispiel Salzwüsten oder heiße Quellen, den Kontakt mit Schülern und Lehrern und das Entstehen von tiefen Freundschaften. Besonders stolz macht es sie, dass sie wöchentlich mit den Ministranten den Gottesdienst am Sonntag vorbereiten durfte und am Ende sogar zur Finanzverwalterin ernannt wurde.

Sie gab zu, dass ihr die Rückkehr nach Deutschland nicht leicht fiel, weil sie innerlich immer noch erwartete, bald wieder in den gewohnten Ablauf der Schule zurückzukehren. Gut, dass jetzt das nächste Abenteuer für Simone Stumpf beginnt: das Studium.

 
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