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SCHWEINFURT/GRETTSTADT
Ein Hund, zehn Hühner und 350 Hektar
Verstreute Felder: OB Sebastian Remelé ließ sich von dem neuen Pächter Martin Eltschka erklären, wo die Felder des Guts liegen. Hans Schnabel, zuständig für die Liegenschaften der Stadt, und Maximilian Schmailzl (ganz rechts) schauten zu. Die Flurbereinigung soll in den kommenden Jahren die Anbauflächen konzentrieren.
Foto: Laszlo Ruppert | Verstreute Felder: OB Sebastian Remelé ließ sich von dem neuen Pächter Martin Eltschka erklären, wo die Felder des Guts liegen.
Von unserem Redaktionsmitglied Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 22.10.2010 17:47 Uhr

Keine Kuh, kein Schwein, nicht einmal eine Katze – stattdessen Vollernter, Computer und Werkbänke: das Gut Deutschhof der städtischen Hospitalstiftung zwischen Grettstadt und Schwebheim lässt keine Erinnerung an die „so gute“ und sicherlich harte Zeit der Bauern von einst aufkommen. Der Besucher trifft auf den Charme eines Industriebetriebes, der das Gut aber doch nicht ist, denn noch bestimmt das Wetter den Tag des Landwirtschaftsmeisters, der mehr auf den Feldern als auf dem Hof zu tun hat, wo neben dem Jagdhund und zehn Hühner vor allem Maschinen zu versorgen sind.

Nach 23 Jahren hat sich am Donnerstag Pächter Maximilian Schmailzl verabschiedet. Oberbürgermeister Sebastian Remelé unterschrieb auch gleich die neuen Pachtverträge mit Martin Eltschka. Damit sind die Weichen für eine seit Jahrzehnten anhaltende Erfolgsgeschichte gestellt, erklärte Liegenschaftsamtsleiter Hans Schnabel den Stadträten des Fachausschusses, die mit auf das Gut gekommen waren.

Der Vertrag von Schmailzl mit der Stadt wäre eigentlich erst 2016 ausgelaufen. Doch Schmailzl, der in Tschechien drei riesige Güter mit jeweils bis zu 25 Angestellten und bis zu 3000 Hektar und mit Äckern in einer Größe von bis zu 90 Hektar bewirtschaftet, war die stete Fahrt zum Wochenende aus dem Nachbarland in das 600 Kilometer entfernte Grettstadt, wo dann auch noch Arbeit am Samstag und Sonntag auf ihn wartete, zu stressig. Dazu kam, dass die Söhne kein Interesse an der Landwirtschaft haben.

Der 58-Jährige war seit 1986 Verwalter und Pächter. Den Hof – erneut in Pacht – übernimmt nun Martin Eltschka, der vor zwei Jahrzehnten auf das Gut kam, seither Mitarbeiter, seit 1997 Verwalter war, seit 1998 Landwirtschaftsmeister ist.

Der alte und der neue Pächter informierten die Stadträte über den städtischen Besitz vor den eigenen Toren. 250 Hektar sind Eigentum der Stiftung, sind die Basis, weitere 100 Hektar sind von privat dazugepachtet. Heuer wurden auf 45 Hektar Zuckerrüben, auf 80 Hektar Raps, auf dem Rest Getreide, insbesondere Weizen, Winter- und Sommergerste angebaut, wobei der Schwerpunkt seit Jahren auf der Saatgut-Erzeugung liegt.

OB Remelé pickte sich aus der Gesichte einige Daten heraus: erste urkundliche Erwähnung 1497, im Jahr 1519 Erwerb durch die damalige Heilig-Geist-Stiftung, 1967 der Stadtratsbeschluss, der die Acker- und Wiesenflächen in Bauland für den neuen Stadtteil Deutschhof umwandelte. Ab 1926 hatte die Familie Leiser den Hof gepachtet, 60 Jahre lang, erst Vater Hugo, danach Tochter Marlis.

In gut 23 Jahren hat Schmailzl 1,4 Millionen Euro für eine Fläche mehr als doppelt so groß wie das Industriegebiet Maintal an die Hospitalstiftung bezahlt. Aktuell liegt die Pacht auf einem für fränkische Verhältnisse sehr großem Hof bei 242 Euro pro Hektar und Jahr.

Der anschließende Rundgang machte deutlich, dass der Landwirt von heute Werkstatt und Kenntnis im Landmaschinenbau und PS-starke Traktoren braucht, für die die Neubereifung Kosten in Höhe eines Kleinwagens verursacht. Traktoren, Mähdrescher oder etwa Vollernter stehen in den in den 70er Jahren gebauten Hallen der Hospitalstiftung. Die Geräte gehören dem Pächter.

Beeindruckt zeigten sich die Stadträte von der Siloanlage. Sie erlaubt eine Veredelung des Saatguts, etwa durch Trocknung und Säuberung, und eine Zwischenlagerung, bis die großen Börsen in Europa, vor allem die in Paris, den Pächter verkaufen lässt.

Das Gut Deutschhof

Das Gut Deutschhof ging im ausgehenden Mittelalter aus dem Besitz des Deutschen Ordens in den der Stadt über. Die freie Reichsstadt veräußerte den Hof wenig später an einen Privatmann, der ihn 1519 an die Hospitalstiftung übertrug. Weil das Gut mehrfach zerstört worden war, wurde es im gleichen Jahrhundert durch Mauern geschützt, die in ihren Resten noch heute die alten Gutsgebäude umschließen.

1934 verpachtete die Hospitalstiftung das Gut mit 390 Tagwerken an Äckern, Wiesen, Gärten, Ödungen und Wegen (über 130 Hektar), sowie Wohn- und Ökonomiegebäude, Gesindehaus mit Holzhalle, Scheune, Scheuer und Maschinenhalle an Hugo Leiser. Ende der 50er und zu Beginn der 60er Jahre suchte die Stadt dann nach Neubaugebieten. Immer mehr der damals 58 000 Einwohner wanderten in die Randgemeinden ab.

1967 fand ein Architektenwettbewerb zur Bebauung des heutigen Stadtteils Deutschhof statt. Nachdem sich abzeichnete, dass die landwirtschaftliche Nutzung dort verschwinden würde, wurde mit dem Ankauf von Ersatzflächen bei Grettstadt begonnen. 1970 verfügte das neue Gut Deutschhof in der Gemarkung Grettstadt bereits über eine Fläche von 96 Hektar und in der Gemarkung Schwebheim über 10,3 Hektar. Diese wurden von Marlis Leiser, Tochter des gestorbenen früheren Pächters, bewirtschaftet.

1986 übernahm Max Schmailzl das Objekt. Mittlerweile sind die Flächen durch Zukäufe der Stadt auf rund 250 Hektar angewachsen. Die Grundstücke liegen in den Gemarkungen Grettstadt, Gochsheim, Schwebheim, Röthlein, Sulzheim und Heidenfeld. Im Stadtgebiet hat das Gut keine Flächen mehr. la

 
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