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SCHWEINFURT
Ein Herz für die Ausgegrenzten
Buchpräsentation: Autor Klaus Wanka (rechts) und Herausgeber Jochen Keßler-Rosa, präsentieren die Biografie zu dem in Schweinfurt geborenen Ritter Adolf von Kahl, dem Begründer der bayerischen Wohnungslosenhilfe und Mitbegründer der Inneren Mission.
Foto: Hannes Helferich, Archiv Wanka | Buchpräsentation: Autor Klaus Wanka (rechts) und Herausgeber Jochen Keßler-Rosa, präsentieren die Biografie zu dem in Schweinfurt geborenen Ritter Adolf von Kahl, dem Begründer der bayerischen Wohnungslosenhilfe und ...
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 07.01.2016 14:55 Uhr

Adolf von Kahl hat sein Leben ausgegrenzten Menschen gewidmet, er ist Gründer der Arbeiterkolonien unter anderem mit dem Simonshof im Kreis Rhön-Grabfeld und Mitgründer der Inneren Mission Bayern. Dass dieser Mann aber in Schweinfurt aufwuchs und hier viele Jahre als Pfarrer wirkte, blieb lange im Verborgenen – bis die Diakonie 2003 die Wärmestube und Nichtsesshaften-Unterkunft am Obertor nach ihm benannte.

Letztes Jahr wurde das Haus wegen des Verkaufs der Immobilie geschlossen. Der Name Adolf von Kahl verschwand wieder von der Bildfläche. Der langjährige Leiter des Diakonie-Sozialdienstes, Klaus Wanka, sorgt nun mit einer noch druckfrischen Biografie nachhaltig dafür, dass „der Mann aus der Vergessenheit hervorgeholt wird“.

Mit der Wärme am Obertor, das Durchreisenden sogar die Möglichkeit bot, das „Wieder-Sesshaft-Werden“ zu üben, wurde von Kahls Jugendzeit und sein Wirken in der Stadt erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Ans Buch, das zu verfassen Wanka immer mal überlegte, wagte er sich, da schon Ruheständler, aber erst 2012. Der Kontakt zu Hans Dieter Kahl war dazu der Auslöser und Glücksfall zugleich: Der Enkel – Professor für mittelalterliche Geschichte lebte zuletzt in Erlangen – öffnete das Familienarchiv, stellte Schriftstücke und Bilder zur Verfügung und stand Wanka für „ausführliche Gespräche“ zur Verfügung.

Während Wanka im Stadtarchiv Schweinfurt „so gut wie nichts“ über von Kahl fand, kam er so auch an weitere Quellen, etwa den hilfreichen Dekan Kurt Prieser (Bamberg). Nach zwei Jahren Recherche ist das lesenswerte, bebilderte 224 Seiten-Buch doch noch in diesem Jahr erschienen: Vor 100 Jahren starb von Kahl in München. Herausgeber ist die Diakonie, wo man das Buch für 12 Euro kaufen kann. Geschäftsführer Jochen Keßler nannte die Biografie von Kahls „faszinierend“. Dickes Lob hatte er auch für den Autor. Der Ex-Diakonie-Sozialarbeiter und Tafel-Gründer setze mit dem Buch sein Wirken fort.

Am Rossmarkt aufgewachsen

Kahl ist am 27. November 1846 in Kleinheubach geboren, als Zweijähriger kam er nach Schweinfurt, weil Vater Friedrich Adolf zum Gerichtspräsidenten ernannt wurde. Man lebte am Roßmarkt. Adolf von Kahl wuchs in der Stadt auf, machte hier das Abitur, studierte in Erlangen und Leipzig Evangelische Theologie. 1883 kam er zurück, wirkte bis 1886 als vierter Pfarrer der St. Salvator-Kirche. Ab der Industrialisierung – in Bayern ab 1840 – stiegen die Wanderzahlen als Folge der Landflucht stetig an. Durch den Beruf seines Vaters hat er diese Massenverelendung wohnungslos gewordener Handwerker früh miterlebt. Kahl setzte sich für den Personenkreis ein, auch nach seiner Rückkehr.

1884 wurde er Vorsitzender des zwei Jahre zuvor gegründeten „Central Verein Schweinfurt zur Unterstützung bedürftiger Durchreisender“. Nach dem Vorbild Wicherns und Bodelschwinghs gründete er – in der Harmonie – im gleichen Jahr den ersten „Verein für Arbeiterkolonien in Bayern“, um das Hausbetteln zu bekämpfen. Zu dieser Zeit kamen monatlich 700 Durchreisende nach Schweinfurt, klopften an den Haustüren. Die Arbeiterkolonien sollten den Wanderarmen Heimat und Arbeit geben, um sie wieder zu „arbeitsamen, tüchtigen Gliedern der menschlichen Gesellschaft“ zu machen. 1887 entstand im Simonshof in Rhön-Grabfeld die erste Arbeiterkolonie. Von Kahl blieb Vorsitzender bis zu seinem Tod 1914.

Auf Betreiben Adolf von Kahls entstand in Schweinfurt außerdem die „Herberge zur Heimat“ in der Siebenbrückleinsgasse. Dort fanden Handwerksburschen gegen Arbeitsleistung Naturalverpflegung, Übernachtung, ausreichende Versorgung und Arbeitsnachweise. Die Herberge wurde erst 1964 wegen Baufälligkeit ersatzlos abgerissen.

Dekan in München

1886 ging Kahl als Pfarrer nach München, gründete von dort aus die zweite Arbeiterkolonie Herzogsägmühle bei Peiting. Er wurde Dekan von München und Oberbayern und als Oberkonsistorialrat Mitglied der Landeskirchenleitung sowie zweiter Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Inneren Mission. Wenige Monate vor seinem Tod am 1. Juni 1914 wurde Kahl mit dem Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone ausgezeichnet, trug nun den Namen Dr. th. Adolf Hermann Friedrich Ritter von Kahl. An von Kahl erinnern Denkmäler im Simonshof, in der Herzogsägmühle und am Grab im Alten Nördlichen Friedhof in München. Nur in Schweinfurt ist der Name derzeit wieder Geschichte. Vielleicht eine Straße nach ihm benennen, regt Wanka an. Keßler-Rosa schloss nicht aus, dass es bei entsprechendem Bedarf eines Tages auch wieder ein von Kahl-Haus für Wohnungslose gibt.

Kannten sich von Kindesbeinen an: Die Eheleute Adolf und Ottilie Kahl. Heirat war am 15. Juli 1873.
| Kannten sich von Kindesbeinen an: Die Eheleute Adolf und Ottilie Kahl. Heirat war am 15. Juli 1873.
Der junge Adolf Kahl. Das Foto zeigt ihn als Student.
| Der junge Adolf Kahl. Das Foto zeigt ihn als Student.
 
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