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Ein erster Vorgeschmack
Graffiti-Kunst: United Graffiti Artists (UGA), „Snake Collective“, 1974.
Foto: UGA; Estate Gunter Sachs; Courtesy Institut für Kulturaustausch, Tübingen | Graffiti-Kunst: United Graffiti Artists (UGA), „Snake Collective“, 1974.
Von unserem Redaktionsmitglied Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 23.09.2013 17:46 Uhr

Als Rolf Sachs im Januar diesen Jahres die Kunsthalle besuchte, um sich ein Bild von den Räumen zu machen, in denen ab 15. November rund 100 Werke aus der Sammlung seines Vaters Gunter Sachs gezeigt werden, war er so begeistert, dass er am liebsten sofort die ersten Bilder gehängt hätte. Und es war wohl in der Großen Halle, als er sagte, für diesen Raum brauche er auf jeden Fall noch mehr Warhols. Am Ende war die Stimmung so gut, dass Rolf Sachs mit Hausherr Erich Schneider um eine Cola Light wettete, dass die Sammlung seines Vaters mehr Besucher anlocken werde als die Landesausstellung, die damals in Vorbereitung war.

Wer das Getränk zahlen muss, bleibt in jedem Fall spannend, weil eigentlich beide Männer davon überzeugt sind, dass mehr Menschen die Warhols, Lichtensteins und Magrittes sehen möchten. Dafür spricht auch das riesige Interesse im Vorfeld. In nur einer Woche waren die ersten 3000 Flyer vergriffen. Dass die Sammlung bereits 2012 in München zu sehen war, scheint der Begeisterung keinen Abbruch zu tun. Außerdem werden in Schweinfurt großformatige Arbeiten gezeigt, für die in der Villa Stuck kein Platz war: darunter die mehr als neun Meter breite Leinwand „Snake Collective“ der United Graffiti Artists von 1974 und das erst 2007 entstandene Graffito „Double Train“ von T Kid & Serve.

Gunter Sachs interessierte sich noch im fortgeschrittenen Alter für neue Kunstrichtungen, vor allem für Graffiti, und verwirklichte einige Projekte mit jungen Künstlern der Szene, erzählt Rolf Sachs im aufschlussreichen Katalog zur Ausstellung. Seinen ersten Kauf – sieht man von seiner Sammlung mit Trapper- und Winnetou-Bildern ab – tätigte Gunter Sachs mit 16, er erwarb einen Kunstdruck von Eugene Delacroix. Es waren die Kunstbücher seiner Mutter, Elinor von Opel, die dem Jungen die Türe zur Kunst geöffnet hatten.

An dieser Stelle muss noch einmal erwähnt werden, dass Gunter Sachs 1932 auf Schloss Mainberg bei Schweinfurt geboren wurde, als zweites Kind des Industriellen Willy Sachs und der Enkelin des Opel-Firmengründers Adam Opel, Elinor von Opel. 1935 reichte seine Mutter die Scheidung ein und floh mit ihren Söhnen Ernst Wilhelm und Gunter in die Schweiz. Während sein Bruder 1940 nach Schweinfurt zurückkehrte, blieb Gunter Sachs in der Schweiz, studierte und heiratete 1955 Anne Marie Faure. Im selben Jahr kam Rolf Sachs zur Welt. Nach dem Tod seiner Frau 1958 – sie starb bei einer Operation – und dem Selbstmord seines Vaters, zog Gunter Sachs nach Paris und knüpfte schnell Kontakt zur Kunstszene.

Er lernte die Avantgarde der Nouveaux Réalistes kennen: Jean Tinguely, Mimmo Rotella, Yves Klein und andere. Im Lauf eines Jahrzehntes baute Sachs mit der – im Vergleich zum heutigen Wert – relativ geringen Summe von 800 000 Dollar den Kern seiner Sammlung auf. Erst nach seinem Tod – er nahm sich im Mai 2011 das Leben – wurde allgemein bekannt, mit wie viel Wissen, Leidenschaft und Liebe der Erbe einer Industriellendynastie Kunst gesammelt und Künstler gefördert hat.

Heute kümmert sich Rolf Sachs in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kulturaustausch in Tübingen um die Sammlung seines Vaters. Er hat auch die Schweinfurter Ausstellung konzipiert. Sie ist nahezu chronologisch aufgebaut. Der Rundgang durch die Kunsthalle beginnt mit einem Hochkaräter von René Magritte: „Colere des dieux“ (Zorn der Götter) von 1960. Kuratorin Andrea Brandl will das nur 61 mal 50 Zentimeter große Gemälde aufwendig auf einer goldfarbenen Wand inszenieren. Der Besucher wird das bekannte Bild mit dem Reiter auf dem Auto schon vom Foyer aus sehen. In diesem Raum erwarten ihn noch Arbeiten von Max Ernst, Salvador Dali und Giorgio de Chirico.

Es folgen im West-Flur und in den Kabinetten die 1940er bis 1960er Jahre mit den Nouveaux Réalistes und dem deutschen und franzosischen Informel. Jean Fautrier, einer der Wegbereiter des Informel, wurde ein enger Freund von Gunter Sachs. „. . . beide Männer verband die gleiche existenzielle Anspannung, die selbe Besessenheit, in der Gegenwart zu leben“, schrieb der Künstler Pierre Restany über die Beziehung. Die Arbeiten von Fautrier waren für Sachs das Herzstück seiner Sammlung.

Vielleicht kennt nicht jeder Namen wie Joseph Kosuth oder Ben Vautier, das waren Fluxus-Künstler, von denen höchst spannende Arbeiten im Eck-Raum hängen werden. Auch ein früher Gerhard Richter wird in diesem Umfeld zu sehen sein. Freunde der Fotokunst können sich auf Arbeiten in den Nord-Kabinetten freuen – darunter eine Aufnahme von Gunter Sachs, die Henri Cartier-Bresson 1966 gemacht hat. Der Nord-Flur bietet genügend Platz für die teilweise riesigen Arbeiten aus der Graffiti-Szene. Darunter eine Arbeit von Banksy, dem britischen Street-Art-Künstler, der ein Geheimnis um seine Identität macht.

Schließlich die Große Halle. Sicher der Höhepunkt für die Besucher, die mit Informel oder Fluxus wenig anfangen können. Hier wird ein Fest der Pop Art gefeiert mit den großen Namen Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg, Mel Ramos. Eine Stirnseite und ein Teil der Seitenwand ist alleine Warhol vorbehalten: fünf Versionen des Gunter-Sachs-Porträts will Rolf Sachs dreimal Brigitte Bardot beigesellen. Das schillernde Paar war von 1966 bis 1969 verheiratet. Über die Beziehung von Gunter Sachs und Andy Warhol werden wir bei anderer Gelegenheit schreiben. Soweit ein erster Vorgeschmack auf die Ausstellung, die vom 15. November bis 30. März in dem Gebäude zu sehen ist, das Gunters Großvater Ernst Sachs als Hallenbad erbauen ließ.

Mit 16: Fritz Gunter Sachs 1951.
Foto: Uhlenhut, Sachs-Archiv, ZF Friedrichshafen AG | Mit 16: Fritz Gunter Sachs 1951.
 
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