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SENNFELD
Ein Engländer und die Geschichte Sennfelds
Douglas Dashwood-Howard ist gebürtiger Engländer, lebt seit mehr als 50 Jahren in Sennfeld (Lkr. Schweinfurt) und hat mehrere Bücher über die Geschichte des Ortes geschrieben.
Foto: Hannes Helferich | Douglas Dashwood-Howard ist gebürtiger Engländer, lebt seit mehr als 50 Jahren in Sennfeld (Lkr. Schweinfurt) und hat mehrere Bücher über die Geschichte des Ortes geschrieben.
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 19.02.2024 06:29 Uhr

Georg Barth wird am 13. Mai 1833 in Sennfeld (Landkreis Schweinfurt) geboren. Wie sein Vater Adam erlernt er das Metzgerhandwerk. Als Geselle bricht er 1852 nach England auf. Er findet Arbeit bei einem Metzger in Woolwich, einem Vorort von London, und macht Karriere. Nachzulesen ist die Geschichte im Buch „Ein Sennfelder, der zum Engländer wurde“. Geschrieben hat sie ein Engländer, der zum Sennfelder wurde: Douglas Dashwood-Howard.

Beider Lebensgeschichten weisen viele Parallelen auf. Beide treibt die Abenteuerlust in jungen Jahren in die Welt, beide finden ihre Bestimmung in der neuen Heimat. Deutschland spielt bei Dashwood-Howard (geboren am 14. September 1939 in Ludham) früh eine Rolle und das hat mit Vater Jo zu tun. Der ist Mitglied im britischen Mercedes-Club, fährt ein 220er Coupé. Von einer gemeinsamen Tour nach Deutschland kehrt der Sohn „beeindruckt“ auf die Insel zurück.

Um während der 1959 begonnenen Techniker-Ausbildung – bei einer Kugellagerfabrik – an einem mehrwöchigen internationalen Workshop im Kleinwalsertal in Österreich teilnehmen zu können, paukt er Deutsch. Besonders gut versteht er sich mit den jungen Deutschen.

In Deutschland will er eines Tages arbeiten. Das schwirrt ihm durch den Kopf und wird schneller als gedacht Realität. Er erfährt vom freien Job in einer Spindelfabrik in Baden-Württemberg. Im Januar 1965 fängt er dort an. Nur kurz kehrt Dashwood-Howard 1968 auf die Insel zurück, wo er im Mai 1968 bei SKF in Luton als Senior Industrial Engineer eine Anstellung findet. SKF-intern wird für den Standort Schweinfurt ein Englisch-Lehrer gesucht. Dashwood-Howard bewirbt sich erfolgreich, beginnt bereits am 1. Dezember 1968 in der Stadt am Main SKF-Manager in seiner Muttersprache zu schulen.

SKF soll (später im Messmittelbau und Einkauf) bis zur Pensionierung Ende der 1990er Jahre sein Arbeitgeber bleiben und die lebenslange Bindung an Sennfeld nimmt damals ihren Anfang. Ein Arbeitskollege vermittelt dem Engländer im ehemals freien Reichsdorf die gesuchten vier Wände. Ein anderer SKF-Kollege trägt „Schuld“, dass Dashwood-Howard seine Frau kennenlernt, Regina, eine geborene Göbel aus – klar – Sennfeld.

Geschichte erforschen, Archive durchstöbern. Die Leidenschaft animiert Dashwood-Howard in den 1970er Jahren dazu, sich mit seiner englischen Linie zu beschäftigen. Dazwischen übersetzt er unter anderem das Buch „Sennfeld früher und heute“ ins Englische. Dann kommt 2005, das Jahr, das aus dem Engländer einen Sennfelder macht.

Ihm fällt eine Notiz im Schweinfurter Tagblatt ins Auge, wonach eine Straße in London Georg Barth gewidmet war, zugewandert 1852 aus Sennfeld. „Diese Geschichte hat mich fasziniert“, sagt Dashwood-Howard heute.

Besonders Erika Röder vom Heimatkundlichen Arbeitskreis kann helfen – Barth war ein Sohn ihres Ur-Ur-Großvaters. „Erika Röder war mein Mentor und hat für mich viele Türen geöffnet“, dankt Dashwood-Howard der mittlerweile Verstorbenen posthum.

Georg Barth war erfolgreich, musste aber auch viele Schicksalsschläge hinnehmen. Er wurde 1865 englischer Staatsbürger. Dashwood-Howard erwarb 2009 zusätzlich zur englischen („das war Voraussetzung“) die deutsche Staatsbürgerschaft, ein Geschenk zum 70. Geburtstag, sagt er und lacht wegen der noch nötigen Sprach- und Integrationstests, „die ich aber mit Bravour bestanden habe“.

Dashwood-Howard ist nun mit Sennfeld und seiner Geschichte verwurzelt. Er veröffentlicht zahlreiche Bücher und Familiengeschichten, wie die über die fast vergessene „Träg's Wirtschaft“ oder die Sennfelder Metzgerei Dorsch. Als sein Hauptwerk bezeichnet er „Die Geschichte von Bad Sennfeld – 1841 bis 1947“, dem vor allem in den 1920er Jahren florierenden Heilbad. 519 Seiten umfasst das Werk, das in zweiter Auflage erschienen ist.

Schon vier Auflagen zeigen die Beliebtheit der „Sennfelder Ansichten“. Im Buch präsentiert Dashwood-Howard seine Sammlung von rund 250 alten Postkarten. Etwa die von Sennfelds ältester Gaststätte „Zur Traube“ im Jahr 1899 oder eben Bad Sennfeld mit seiner wechselvollen Geschichte.

1861 passierte ein schreckliches Unglück, das deutschlandweit bekannt wurde: 21 Sennfelder ertranken beim Versuch, bei Hochwasser mit einem Kahn überzusetzen. Dashwood-Howard beschreibt die Geschehnisse im Buch mit dem Titel „Das Bootsunglück auf dem Sennfelder See“. Seine Vorträge nicht nur über diese Story sind gefragt, immer gut besucht. Auch bei den Zeitzeugen-Gesprächen in den Sennfelder Schulen ist er als Mitglied im Heimatkundlichen Arbeitskreis dabei.

Mitgeschrieben hat Dashwood-Howard am Buch „Der Bomber von Hausen und der Amerikaner, der in Sennfeld tot vom Himmel fiel“ des Ex-Main-Post-Redakteurs Norbert Vollmann. Geschildert wird der Abschuss eines US-Bombers am „Black Thursday“, am 14. Oktober 1943. Einer der Toten ist Bernardo Yorba, der tot in einem Hof gefunden wird. Die Autoren haben schon oft bei gemeinsamen Lesungen über die Geschehnisse in dem auch deshalb berührenden Fall berichtet, als man später Tony Yorba, dem Sohn des getöteten Piloten, ein Metallteil des in Hausen abgestürzten Bombers überreichen konnte.

Dass ein gebürtiger Engländer zum anerkannten Sennfelder Heimatforscher wird, der „im Dorf mehr Leute kennt als ich“, wie seine Frau Regina sagt, das ist für den 80-Jährigen gar nichts Besonderes: „Ein Fremder interessiert sich immer mehr für die Geschichte“, sagt er. Ruhestand? Da lacht er.

Im Gemeindearchiv lagerte lange unentdeckt eine Sammlung von Kantaten, über 200 Jahre alte Kompositionen des ehemaligen Lehrers Leonhardt Ludwig. Darunter befinden sich eigens fürs Friedensfest im Freien Reichsdorf geschriebene Werke. Die Aufgabe, mehr über den Komponisten in Erfahrung zu bringen, hat Douglas Dashwood-Howard übernommen, der einen der schönsten Sätze am Ende des Gesprächs sagt: „Ich fühle mich zu 100 Prozent als Sennfelder.“

 
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