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Gerolzhofen
Ein Akt mit ungeheurer Symbolkraft: Wiese der "Unseligen" erhielt den kirchlichen Segen
Früher verweigerte die Kirche Ungetauften, Verbrechern und Menschen, die freiwillig aus dem Leben geschieden waren, die Bestattung im Friedhof. Nun gedenkt man ihrer.
Pfarrer Stefan Mai segnete an Allerheiligen den neuen Gedenkplatz für die Unseligen außerhalb der Friedhofsmauern. Mit dabei waren auch (von rechts) Bürgermeister Thorsten Wozniak und Pfarrer Reiner Apel.
Foto: Klaus Vogt | Pfarrer Stefan Mai segnete an Allerheiligen den neuen Gedenkplatz für die Unseligen außerhalb der Friedhofsmauern. Mit dabei waren auch (von rechts) Bürgermeister Thorsten Wozniak und Pfarrer Reiner Apel.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 15.02.2024 16:57 Uhr

Bei der traditionellen Gräbersegnung am Allerheiligen-Nachmittag auf dem städtischen Friedhof erhielt auch ein neuer kleiner Gedenkplatz in der Östlichen Allee den kirchlichen Segen. Die moderne Stele aus Sandstein - ein Werk des allzu jung verstorbenen Gerolzhöfer Bildhauers Erich Leuner, das dessen Bruder Hans Leuner nun dem Stadtmuseum gestiftet hat - erinnert an die sogenannten "Unseligen", denen in früheren Jahrhunderten von der Kirche ein Begräbnis auf geweihtem Boden verweigert worden war und die deshalb außerdem der Friedhofsmauern verscharrt werden mussten. 

Während der Gräbersegnung verließen Pfarrer Stefan Mai und Pfarrer Reiner Apel ganz bewusst den Friedhof, um in der Allee die Stele und besonders das umliegende Areal mit Weihwasser zu segnen. Ein Akt mit ungeheurer Symbolkraft: Erstmals gedenkt die Kirche also auch den Menschen, die dort in der Erde liegen.

Am 4. Oktober 1752 weihte der Würzburger Weih­bischof Anton Daniel von Gebsattel die neue Gerolzhöfer Michaelskapelle, die drei Altäre der Kapelle und eine Erweiterungsfläche des Friedhofs ein. In einem historischen Bericht über diesen Festtag wird auch ein inzwischen abgebrochenes Beinhaus erwähnt, das sich damals laut eines alten Katasterplans im Innenbereich des Friedhofs an der Mauer rechts neben dem Haupteingang befand, in etwa dort, wo heute das Priestergrab liegt.

In ungeweihter Erde beigesetzt

In dem Bericht über die Weihe wird außerdem berichtet, dass sich südlich dieses Beinhauses außerhalb des Gottesackers der Bereich befand, der für die Beerdigung der "Unseligen" bestimmt war. "Unselige" waren damals Totgeburten sowie Frühchen, die nur kurz lebten, aber nicht mehr notgetauft werden konnten, und diejenigen Menschen, die des Lebens müde und freiwillig aus dem Leben geschieden waren. Zudem Verbrecher und auch solche, die von der Kirche exkommuniziert waren - sie alle wurden in ungeweihter Erde beigesetzt.

Die neue Stele erinnert aber nicht nur an die Menschen, die auf dieser Wiese verscharrt wurden. Sie soll auch das Gedächtnis hochhalten an zwei weitere Bestattungsorte für "Unselige". Auf dem Galgenberg südlich des Hörnauer Sees, weit außerhalb der Stadt, wurden von Heimatforschern schon vor Jahren mehrere Skelette freigelegt und geborgen, die dort - lose übereinander geschmissen - vergraben worden waren. Es waren auch nur einzelne Gliedmaßen dabei, weil die Hingerichteten zur Abschrecken damals ja lange am Galgen hängen blieben, bis die Körperteile runterfaulten. Also auch dort gab es einen Friedhof der "Unseligen".

Die Stele ist ein Werk des jung verstorbenen Gerolzhöfer Bildhauers Erich Leuner. Dessen Bruder Hans Leuner hat den Bildstock dem Stadtmuseum geschenkt.
Foto: Klaus Vogt | Die Stele ist ein Werk des jung verstorbenen Gerolzhöfer Bildhauers Erich Leuner. Dessen Bruder Hans Leuner hat den Bildstock dem Stadtmuseum geschenkt.

Auch der Volkachbach ist ein Friedhof

Und der dritte Friedhof der "Unseligen" ist der Volkachbach. Dort wurde die Asche der Menschen hineingestreut, die unschuldig als angebliche Hexer und Hexen auf dem Schießwasen hingerichtet worden waren. Durch die Asche, die sich im Wasser auflöst, wollte man die Auferstehung ihrer Körper am jüngsten Tag verhindern.

Wie schwer es wohl gerade für Eltern war, erleben zu müssen, dass die Kirche die Beisetzung ihres tot geborenen Kindes auf dem christlichen Friedhof verweigert, veranschaulicht ein archäologischer Fund vom Kappelberg in den Ruinen der alten Bischofspfalz. Dort wurde bei der wissenschaftlichen Untersuchung des Geländes das komplette Skelett einer Frühgeburt freigelegt. Vermutlich Eltern haben dort vor Jahrhunderten ihr totes Kind in den Ruinen des Gebäudes heimlich begraben, weil sie wussten, dass sich in dieser Bischofspfalz früher auch eine Kapelle des Würzburger Fürstbischofs befand - und es sich deshalb um geweihten Boden handelt.

Pfarrer Mai: ein wichtiges Zeichen

"Ich finde es ein wichtiges Zeichen, dass jenseits der Friedhofsmauer in der Östlichen Allee auf diesem Friedhof der Unseligen jetzt ein Stele aufgestellt wird", sagte Pfarrer Stefan Mai, bevor er den Gedenkstein segnete, auf dem der Gekreuzigte zu sehen ist. "Die Stele zeigt den, der ebenfalls als Verbrecher behandelt wurde, ebenfalls außerhalb der Stadtmauern ans Kreuz geschlagen wurde und dessen Leichnam man auch am liebsten den wilden Tieren überlassen oder einfach verscharrt hätte, wenn er nicht einen Josef von Arimathäa gereut hätte: Jesus von Nazareth."

"Ihr seid im Gedächtnis Gottes nicht vergessen"

Auf dem Gedenkstein beuge sich der Gekreuzigte herab. "Und es kommt mir vor, als reiche er all denen die Hand, die man hier auf dem Platz der Unseligen einfach verscharrt hat, in oft dunklen Stunden, in Scham oder auch in Wut über die Kirche, die diesen Menschen ein Begräbnis verweigert hat", sagte der Pfarrer. "Mir kommt es vor, als reiche dieser Gekreuzigte den Menschen, die unter ihm in der Erde liegen, die Hand und sage zu ihnen: Ihr seid im Gedächtnis Gottes nicht vergessen. Ihr seid in seinem Gedächtnis daheim."

Das Umfeld der Stele wird vom städtischen Bauhof und von der Stadtgärtnerei in den kommenden Wochen noch optisch aufgewertet. Die Bedeutung der Gedenkstätte wird auf einer Info-Tafel erklärt.  

 
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  • M. F.
    Danke für den interessanten Artikel!
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