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SCHWEINFURT
Eierfrau schließt die letzte Markthütte ab
Zehn Braune und zehn Weiße: Frieda Sauer (72) packt ihren Kunden seit 32 Jahren frische Eier in die mitgebrachten Pappschachteln ein.
Foto: Holger Laschka | Zehn Braune und zehn Weiße: Frieda Sauer (72) packt ihren Kunden seit 32 Jahren frische Eier in die mitgebrachten Pappschachteln ein.
Von unserem Mitarbeiter Holger Laschka
 |  aktualisiert: 17.08.2011 10:04 Uhr

„Wo geh'n se denn jetzt hin, wenn se aus dem Häusle raus müssen?“ Diese seit 14 Tagen häufig gestellte Frage ihrer Kunden beantwortet Frieda Sauer (72) derzeit meist mit einem resignativen „...nach Hause, sonst bleibt mir ja nichts mehr.“ Vor 14 Tagen fiel im Schweinfurter Stadtrat der Beschluss zur Neugestaltung des Marktplatzes. Und was Frieda Sauer bald nicht mehr bleibt, ist ihre Holzhütte an der Nordseite, aus der sie seit mittlerweile 32 Jahren Eier, bisweilen auch Geflügelfleisch und frische Landnudeln verkauft.

Fünf hölzerne Verkaufsstände im Stile des Münchner Viktualienmarkts ließ die Stadt 1979 nördlich des Rückert-Denkmals errichten, am 17. Juni desselben Jahres wurden sie bezogen und die „Eierfrau“ Frieda Sauer aus Theilheim war Pächterin der ersten Stunde. Damals gab es noch zwei Blumen- und zwei Obsthütten, später schieden erste Händler aus, dafür kamen ein Zeitschriftenkiosk, ein Gewürzanbieter und ein Türke mit Obst und eingelegten Spezialitäten hinzu.

So richtig glücklich war man bei der Stadt dennoch nie mit den fünf Holzhütten und entschied sich eines Tages, bei Kündigungen seitens der Pächter keine Neuvermietung anzustreben, sondern die freie Immobilie schlicht abzureißen. Bis vor zwei Jahren waren dann nur noch die Eierhändlerin und der Obst-Türke übrig. Damals kam Wirtschaftsförderer Hans Schnabel auf beide Händler zu und bereitete sie auf die unumstößliche Tatsache vor, dass auch die letzten beiden Holzhütten weichen müssten, nannte aber kein konkretes Datum.

Seither war die „Eierfrau“ auf dem Marktplatz genau genommen nur noch „geduldet“; der Kollege mit den Früchten realisierte die Situation schnell und kaufte sich in ein stationäres Obstgeschäft in der Langen Zehntstraße ein. Doch Frieda Sauer wartete zu – auch mangels echter Alternativen.

Ihre Marktkarriere hatte sie 1974 wie alle anderen Landwirte mit einem mobilen Stand auf der Südseite begonnen. Als die Stadt die Hütten errichtete, griff sie beherzt zu, weil diese einen für Marktbeschicker ungewohnten Komfort boten. Strom, Wasser, sogar ein Telefonanschluss sind dort vorhanden und man muss auch nicht ständig den gesamten Warenbestand zwischen dem heimischen Gehöft und dem Verkaufsplatz hin- und herkarren.

Außerdem ist man freier in der Gestaltung seiner Öffnungszeiten. Frieda Sauer war anfangs werktäglich von 8 bis 18 Uhr für ihre Kunden da, nur sonntags und montags nahm sie sich frei. Seit ein paar Jahren schließt sie abends allerdings bereits um 17 Uhr. Rund 200 Kunden bedient sie täglich – das Geschäft mit den Eiern aus heimischer Bodenhaltung zu Preisen von 16 oder 18 Cent läuft gut, sie ist „sehr zufrieden“.

Deshalb will sie eigentlich auch weiter machen; in der Hütte freilich wird es über kurz oder lang nicht mehr gehen, wenngleich die derzeit dahinter parkenden Bagger noch nicht das städtische „Räumkommando“ sind (wie manche vermuten). Nach dem Stadtratsentscheid fanden erste Gespräche zwischen ihr und den städtischen Entscheidungsträgern statt, wobei Frieda Sauer anfangs ziemlich verschnupft war, denn: „Wir haben aus der Zeitung erfahren, dass wir jetzt gehen müssen...“ Wir – das ist neben ihr noch Sohn Norbert, der eigentlich als Pächter der Hütte fungiert und nun intensiv darüber nachdenken muss, wie er seine Eier in Schweinfurt künftig an den Mann bringen will.

Immerhin hat man seitens der Stadt signalisiert, dass es möglicherweise eine Härtefallregelung geben könnte, eine Art „Lex Sauer“, die den Eierhändlern ermöglicht, zu Marktzeiten mit einem Verkaufswagen präsent zu sein. Entschieden ist aber noch nichts und das entsprechende Gefährt besitzen die Sauers auch noch nicht.

Als „sehr konstruktiv“ bezeichnet Frieda Sauer das Gesprächsklima zwischen ihrer Familie und der Stadt, wobei eben noch „alles in der Schwebe sei“. Davon, dass sie derzeit bedrängt werde, das „Eierhäuschen“ schnell aufzugeben – wie mancherorts kolportiert wird – könne keine Rede sein. Dennoch ist das im Moment eine schwere Zeit für die 72-Jährige, vielleicht auch, weil sie weiß, dass eine Zäsur in ihrem Lebenslauf ins Haus steht. Denn so angenehm die Arbeit in der warmen Jahreszeit auch ist, so eng ihr Draht zu der treuen Stammkundschaft sein mag – „im Winter ist es manchmal schon arg strapaziös, bei Wind und Wetter nach Schweinfurt reinzufahren und hier zu stehen“, verrät Frieda Sauer. Mit einem möglichen mobilen Verkaufsstand wäre es noch um einiges schwerer und mit dem eigentlich in der Marktordnung vorgeschriebenen Verkauf „vom Boden aus“ gleich gar...

„Fünf von den Braunen und fünf von den Weißen zu 18 Cent.“ Die Kundin reicht brav ihre mitgebrachte Eierschachtel über den Verkaufstresen und Frieda Sauer packt ein. Wie seit 32 Jahren. Während unseres zwanzigminütigen Gesprächs über die Zukunft ihres Eierstandes wurden wir von einer guten Handvoll Kunden unterbrochen. Alle wollten sie wissen, wie es nun weitergeht. Die Hütte kommt weg, das ist klar. Frieda Sauer aber würde den Schweinfurtern gerne erhalten bleiben.

 
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