Allenthalben beklagen Vereine und Organisationen den Nachwuchsmangel im Ehrenamt. Über Ursachen und Auswege sprach Professer Dr. Doris Rosenkranz bei der Sitzung des Seniorenbeirats im großen Sitzungssaal des Rathauses.
„Aus der Vogelperspektive“ beleuchtete die Professorin der Fakultät Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Nürnberg die „reine Privatsache“ eines jeden, der seine Freizeit für den Sport, die Natur oder etwa für die Kultur investiere. Zielführend sei dieses Engagement in Vereinen oder Organisationen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wofür der jeweilige Verein oder Verband, aber auch die Kommune und die Politik auf Landes- wie auf Bundesebene zu sorgen hätten.
Die Analyse
Vorbei seien die Zeiten, in denen eine Institution nur in den eigenen Reihen auf das Nachwuchsproblem habe aufmerksam machen müssen. Die Mundpropaganda funktioniere nicht mehr, sagt Rosenkranz. Um Interessenten zu finden, seien neue Wege zu gehen – bei durchaus respektablen Erfolgsaussichten.
Die Referentin stellte eine Reihe von Umfrageergebnissen vor. Von den 67 Millionen Deutschen über 14 Jahre seien 44 Prozent bereits ehrenamtlich tätig, und weitere 23 Millionen können sich die Übernahme eines Ehrenamtes vorstellen. Bundesweit engagieren sich deutlich mehr Männer als Frauen im Ehrenamt (60 : 40 Prozent). Ohne den Sport dominieren jedoch klar die Frauen mit etwa 65 Prozent.
Die Motivation
Die meisten Ehrenamtlichen gibt es im Sport, – gefolgt von den Bereichen Bildung und Kultur. 94 Prozent der Aktiven habe eine mittlere oder höhere Schulbildung. „Helfen zu wollen“, sei nur vordergründig die große Antriebsfeder für das ehrenamtliche Engagement, so Rosenkranz. Untersuchungen setzen Spaß und Freude, das Erleben von Gemeinsamkeit und das Mitgestalten der Gesellschaft auf die vordersten Plätze der Motivationsskala.
Bei den Jüngeren spielt der Wunsch nach Erfahrungen, die beruflich zu verwerten sind, eine große Rolle; bei den Älteren stehen das Gemeinschaftserlebnis und das Gestalten ganz vorne. Interessiert und nicht engagiert sind die meisten der Befragten, weil ihnen die Zeit fehlt, weil man keine Verpflichtung eingehen will, weil man sich selbst als ungeeignet einstuft und – jeder Fünfte –weil man nicht weiß, an wen man sich wenden soll.
Die Zielgruppen
Neben der Empfehlung, bei der Nachwuchssuche die Menschen mit einfachen Schulabschlüssen nicht zu vergessen und den niederschwellige Kontaktangebote (etwa Schnupperkurse) zu machen, warf die Referentin einen Blick auf die alle Lebensbereiche erfassende Technik. Mitgliederwerbung per Flyer sei von vorvorgestern, per Website von vorgestern, über Facebook von gestern, über neue soziale Medien von heute.
Zu einem erfolgreichen Werben gehören für Doris Rosenkranz Inhalte. Klare Antworten seien auf das Warum, das Wo, zum Tun und zu den Erwartungen zu geben. Bei der Stellenbeschreibung sei darauf zu achten, dass man Interessenten nicht durch eine Aufgabenflut abschrecke. Komme kein Interessent, so müsse man zu diesem gehen, müsse auf Veranstaltungen Präsenz zeigen. Erleichtert werde ein Einstieg durch die Begleitung des Neuen nicht nur in den ersten Tagen und ein Schulungsangebot. Aufgabe der Kommunen, des Landes und der Bundes sei es, das Ehrenamt wertzuschätzen, wobei Rosenkranz Ehrenamtsparkplätze in öffentlichen Tiefgaragen den Vorzug gegenüber Ehrenamtsveranstaltungen einräumt.
Die Unterstützung
Positive Wirkung bescheinigte die Referentin den „Kümmerern“ in den Rathäusern, die beraten, vernetzen, vermitteln und Kontakte zu Firmen, Behörden, Bildungseinrichtungen und Institutionen halten.
Die anschließende Diskussion der allesamt ehrenamtlichen Seniorenbeiräte zeigte Defizite bei der öffentlichen Wertschätzung, sprach die Überfrachtung mit Aufgaben an und forderte eine Entrümpelung beim „bürokratischen Wahnsinn“, womit in erster Linie eine viel zu umfangreiche Dokumentation beim ehrenamtlichen Einsatz gemeint war.
Zu den Ausführungen von Doris Rosenkranz passte ein weiterer Punkt der Tagesordnung, bei dem Corina Büttner, Leiterin des Amtes für soziale Leistungen, für die Bayerische Ehrenamtskarte warb, mit der die Stadt Schweinfurt seit 2012 das Ehrenamt fördert. Aktuell vergeben hat das Rathaus 577 Karten, die bei 5000 Akzeptanzstellen im Freistaat Eintritte ermäßigen oder ersparen und im Handel Rabatte einräumen. Büttner berichtete von einer App, die alsbald über alle Akzeptanzstellen informieren werde und über eine 2018 erstmals stattfindende Ehrenamtsveranstaltung im großen Zelt des Schweinfurter Volksfestes.
Mit der Geschäftsstelle der Beiräte (Ausländer, Behinderte, Senioren und Lokale Agenda) im Schrotturm sieht die Leiterin des Amtes für soziale Leistungen die Forderung nach professioneller Unterstützung des Ehrenamts durch das Rathaus als zumindest teilweise erfüllt.