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Ebrach
Ebrach: Wie aus der Abtei ein Jugendknast wurde
Seit über 167 Jahren wird die ehemalige Zisterzienserabtei in Ebrach als Gefängnis genutzt. Seit über 60 Jahren dient sie nun als Jugendknast. Ein historischer Rückblick.
Diese nachgebaute Zelle vergangener Tage ist im Museum der Geschichte Ebrachs zu besichtigen. Seit über 60 Jahren wird die ehemalige Zisterzienserabtei als Bayerns größte Jugendstrafanstalt genutzt. Haftstrafen werden indes hier bereits seit über 167 Jahren verbüßt. 
Foto: Norbert Vollmann | Diese nachgebaute Zelle vergangener Tage ist im Museum der Geschichte Ebrachs zu besichtigen. Seit über 60 Jahren wird die ehemalige Zisterzienserabtei als Bayerns größte Jugendstrafanstalt genutzt.
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:36 Uhr

Nachdem jugendliche Straftäter bis dahin wie Erwachsene behandelt worden waren, wurde das Gefängnis in Ebrach vor über 60 Jahren in eine Jugendstrafanstalt umgewandelt. Ebrach ist seitdem die größte der drei bayerischen Jugendjustizvollzugsanstalten und für die nach Jugendstrafrecht verurteilten ganz schweren Fälle aus dem Freistaat zuständig, vom Mörder über den Vergewaltiger bis zum Drogendealer. Das Durchschnittsalter liegt bei 20 bis 21 Jahren. Das Besondere am Strafvollzug in Ebrach ist, dass er in einem alten Kloster stattfindet. Dessen Nutzung als Gefängnis hat indes viel früher begonnen.

Im Zuge der sogenannten Säkularisation war die 1127 gegründete Zisterzienserabtei in den staatlichen Besitz des Freistaats übergegangen. 51 Mönche und zehn Laienbrüder hatten das Kloster binnen kürzester Zeit zu verlassen, nachdem am 2. März 1803 der Kommissär des Bayerischen Kurfürsten dem versammelten Konvent offiziell die Auflösung und staatliche Inbesitznahme der reichsten, mächtigsten und schönsten Abtei Frankens und ersten Grün­dung der Zisterzienser rechts des Rheins verkündet hatte.

Während die Abteikirche zur Pfarrkirche wurde, gelang es, alle für die Landwirtschaft oder gewerbliche Zwecke nutzbaren Klostergebäude samt Einrichtungen 1803/1804 zu versteigern, wenn auch zum Teil zu Schleuderpreisen. Die Hauptgebäude blieben hingegen wegen ihrer Größe, aber auch der abgeschiedenen Lage Ebrachs unverkäuflich und sollten noch lange einer neuen Nutzung harren.

Kloster wird zum Klotz am Bein

Die 1804 hierfür bereits genehmigte Forstakademie kam stattdessen 1807 nach Aschaffenburg. 1830 beantragte ein Würzburger Weinhändler vergeblich die Errichtung einer Runkelrüben-Zuckerfabrik in den Klostergebäuden. 1831 wurde vorgeschlagen, die Hauptgebäude für eine „große Irrenanstalt des Ober- und Untermainkreises" zu verwenden. 1841 kam die Einrichtung einer neuen Zisterzienserabtei ins Spiel, wozu Bayern-König Ludwig I. 50.000 Gulden stiften wollte. Im gleichen Jahr versuchte besagter Weinhändler nochmals, einen Teil der Klostergebäude zu erwerben, diesmal für eine Champagnerfabrik und Branntweinbrennerei. Aber auch daraus ist am Ende nichts geworden.

Eng ging es in diesem Wohn- und Schlafraum aus den 1920er-Jahren im Ebracher Gefängnis zu. 
Foto: JVA Ebrach | Eng ging es in diesem Wohn- und Schlafraum aus den 1920er-Jahren im Ebracher Gefängnis zu. 

Nachdem schließlich 1848 ein Gutachten ergeben hatte, dass die Gebäude, die nunmehr 45 Jahre leer standen und bereits deutliche Verfallserscheinungen zeigten, „zur Errichtung eines Bezirksgerichts oder einer Besserungsanstalt für arbeitsscheue Leute" geeignet waren, verfügte das Königliche Staatsministerium des Innern im September 1850, dass wegen Überfüllung der bayerischen Strafanstalten „zu Kloster Ebrach“ eine neue Zwangsarbeitsanstalt für 3000 bis 4000 Köpfe errichtet wird.

Mit der Umwandlung der beiden Zwangsarbeitsanstalten Kaisheim und Plassenburg in Strafanstalten wurde Kloster Ebrach 1852 „die nunmehr einzige Zwangsarbeitsanstalt des Königreichs für weibliche und männliche Correktionäre“. Als solche wurden damals zu einer Gefängnisstrafe "in einem Zwangsarbeitshaus verurteilte Landstreicher, Bettler, Dirnen und dergleichen bezeichnet, die durch Zucht und Arbeit wieder an ein ordnungsgemäßes Leben gewöhnt werden sollen“. In Ebrach werden somit seit über 167 Jahren Freiheitsstrafen vollzogen und verbüßt.

1862 wurde Ebrach Gefangenenanstalt, 1872 Zuchthaus für Männer und hier vor allem für nichtkatholische Christen und Israeliten, darunter auch lebenslänglich Verurteilte, 1935 Strafgefängnis für vorbestrafte Männer, 1940 wieder Zuchthaus, nach dem Zweiten Weltkrieg Strafanstalt für – vorwiegend jüngere – Erstbestrafte. Das waren „zu Jugendgefängnis oder Gefängnis, aber auch zu Zuchthaus oder zu Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt Verurteilte“.

Die Anfänge als Jugendstrafanstalt

Eine Gesetzesänderung von 1953 brachte die Hereinnahme der Heranwachsenden, sprich der 18- bis 20-Jährigen in das Jugendstrafrecht. Die damals beiden bayerischen Jugendstrafanstalten Laufen-Lebenau und Niederschönenfeld konnten aber die Jugendstrafgefangenen dieser Altersgruppe nicht zusätzlich aufnehmen, so dass in Ebrach hierfür zunächst eine besondere Abteilung eingerichtet wurde, bis am 1. April 1958 auch diese Anstalt offiziell Jugendstrafanstalt wurde. Aber erst ab 1964 durften nur noch rein nach dem Jugendstrafrecht verurteilte Gefangene und keine „gewöhnlichen“ jungen Gefangenen mehr in Ebrach inhaftiert werden. Zur Erläuterung: Die mit Freiheitsentzug verbundene Jugendstrafe ist die einzige im Gesetz vorgesehene Strafe gegen zur Tatzeit Jugendliche und Heranwachsende.

Die großen Schlafsäle waren lange das große Manko

Obwohl die Anstalt nur für 450 Gefangene ausgelegt war, lag die tatsächliche Belegung zu dieser Zeit bei bis zu 528 jungen Männern. Diese waren, heute wäre dies unvorstellbar, durch nur 81 Bedienstete zu beaufsichtigen, zu versorgen und zu betreuen. Für die Unterbringung der jungen Gefangenen standen ganze 68 Einzelzellen im alten Zellenbau von 1890/95 und 38 Schlafsäle mit 382 Betten für bis zu 35 Mann im Konventbau zur Verfügung. Diese großen Schlafsäle waren das Sorgenkind und begründeten den damals schlechten Ruf der Ebracher Anstalt. Schon die Verkleinerung der acht größten Säle im Jahre 1957 auf eine Belegungsfähigkeit von acht bis 20 Gefangenen war ein Fortschritt.

Die Fertigstellung von zwei weiteren Zellenbauten in den Jahren 1964 und 1972 sorgte für die dringend notwendige Entlastung der Gemeinschaftsunterkünfte. Eine höchstzulässige Belegung dieser Räume mit acht Mann brachte aber erst das Strafvollzugsgesetz vom 1. Januar 1986 mit sich. Bis heute findet der Vollzug der Jugendstrafe in Ebrach aber in den baulichen Strukturen der 1960er- und 1970er-Jahre statt. Die Sanierung der alten Unterkunftsgebäude zur Schaffung der baulichen Strukturen für einen modernen Jugendstrafvollzug ist dem derzeitigen Leiter der JVA Ebrach, Gerhard Weigand, deshalb ein besonderes Anliegen.

Toiletteneimer und Kanonenöfen

Ein weiteres Manko waren lange die Toiletteneimer erst aus Holz, später aus Metall. Erst ab 1965 ermöglichte es der Bau der Ortskanalisation in Ebrach das Kübelsystem durch Spülklosetts abzulösen.

Kanonenöfen verbreiteten lange in den Schlafräumen der Gefangenen Qualm. Zudem ging von ihnen eine große Brandgefahr aus. Erst 1977 konnten die Öfen durch eine Zentralheizung ersetzt werden.
Foto: JVA Ebrach | Kanonenöfen verbreiteten lange in den Schlafräumen der Gefangenen Qualm. Zudem ging von ihnen eine große Brandgefahr aus. Erst 1977 konnten die Öfen durch eine Zentralheizung ersetzt werden.

Qualm verbreitende Kanonenöfen bedeuteten daneben eine beträchtliche Brandgefahr und sorgten für eine oft "hitzige" Atmosphäre in den Sälen. Erst ab 1977 konnte der Konventbau wie alle anderen Gebäude dank des neuen Versorgungszentrums zentral beheizt werden. Hinzu kamen im Lauf der Zeit eine Reihe weiterer baulicher Verbesserungen, etwa durch die 2004 eingeweihte neue Sport-und Mehrzweckhalle.

Die Nutzung der Klosteranlage als Jugendstrafanstalt hat dazu geführt, dass bis heute bereits viel Geld in die Erhaltung des historischen Gebäudekomplexes geflossen ist und ihm so der bauliche Verfall erspart geblieben ist. Dazu kamen die verschiedenen Um- und Neubaumaßnahmen.

 Öffentliche Bereiche im alten Kloster

Dabei hat die Justizvollzugsanstalt kunsthistorisch besonders wertvolle ehemalige Klosterbereiche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wie das prunkvolle Treppenhaus und den 2017 nach mehrjähriger Restaurierung wiedereröffneten Kaisersaal, der insbesondere für Konzerte im Rahmen des „Ebracher Musiksommers" zur Verfügung gestellt wird.

In den früheren Privatgemächern des Abtes im Nordflügel der ehemaligen Abtei ist heute das Museum der Geschichte Ebrachs untergebracht. Wegen der im Frühjahr anlaufenden Dachsanierungsarbeiten in diesem Bereich wird es allerdings 2019 geschlossen bleiben. Dazu steht dort noch die Sanierung wegen des Hausschwammbefalls aus. Im Doppelhaushalt 2019/2020 des Freistaats sind keine Mittel eingeplant. Ferner stehen die schlossartigen Abteigärten Einheimischen wie Fremden zur Erholung und zum Verweilen offen.

Schöne Anstalt oder Grab?

Für die einen gilt die JVA Ebrach aufgrund ihrer Architektur übrigens als die schönste Strafanstalt Bayerns. Manche Gefangene bezeichnen sie allerdings als „das Grab ihrer Jugend". So unterschiedlich können die Sichtweisen im Hinblick auf das ehemalige Zisterzienserkloster sein.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs ersetzten Landwehr und später Landsturm die Wachmannschaften im Ebracher Gefängnis. Nach Kriegsende 1918 wurden ehemalige Unteroffiziere (Foto) zur Bewachung der Gefangenen eingesetzt und  kurz darauf als Sicherheitsbeamte in den Strafanstaltsdienst übernommen.
Foto: JVA Ebrach | Mit Beginn des Ersten Weltkriegs ersetzten Landwehr und später Landsturm die Wachmannschaften im Ebracher Gefängnis.
Diese alte Aufnahme zeigt Gefangene in Ebrach bei Freisportübungen.
Foto: JVA Ebrach | Diese alte Aufnahme zeigt Gefangene in Ebrach bei Freisportübungen.
In früheren Zeiten wurden die Gefangenen, die ihre Strafen in Ebrach zu verbüßen hatten, gut bewacht von den Vollzugsbeamten auf dem von Pferden gezogenen Leiterwagen transportiert.
Foto: JVA Ebrach | In früheren Zeiten wurden die Gefangenen, die ihre Strafen in Ebrach zu verbüßen hatten, gut bewacht von den Vollzugsbeamten auf dem von Pferden gezogenen Leiterwagen transportiert.
 
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