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Röthlein
Earth Night in Röthlein: Warum eine ganze Gemeinde im Dunkeln saß
Bei der Röthleiner Earth Night wurde ein Zeichen gegen Lichtverschmutzung gesetzt – und zu den Sternen geblickt. Hinauf in den Himmel, an dem ein roter Riese prangte.
Röthlein im Dunkeln:  Nicht nur Spürnase Leo fand die 'Earth Night' mit Sternenführung sichtlich spannend.
Foto: Uwe Eichler | Röthlein im Dunkeln:  Nicht nur Spürnase Leo fand die "Earth Night" mit Sternenführung sichtlich spannend.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 22.02.2024 14:37 Uhr

Würden Außerirdische auf die hell erleuchtete Nachtseite des Planeten Erde blicken, sie könnten nur zwei Schlussfolgerungen treffen: Die Bewohner sind entweder  dumm oder sie müssen über unerschöpfliche Energie-Quellen verfügen. Diese launige Feststellung stammt von Fernseh-Astrophysiker Harald Lesch. Auf den wiederum Michael Sessler verweist, Initiator der ersten "Earth Night" in Röthlein. Der Hobbyastronom vertritt in der Gemeinde die "Paten der Nacht", eine deutschlandweite Initiative, die Lichtverschmutzung reduzieren will (www.earth-night.info). Um auf das Anliegen aufmerksam zu machen, wurde am Donnerstagabend die Straßenbeleuchtung in allen drei Ortsteilen ausgeschaltet – oder gar nicht erst angeschalten.

Mit einer Ausstellung in der Röthleiner Grundschule warb Sesslers Team, bekannt von der Sternwarte der Rathenau-Schulen in Schweinfurt, für wenigstens eine dunkle Nacht im Jahr. Der Bund Naturschutz und die Kommune unterstützten die Aktion. Nun ist die Menschheit nicht völlig doof, verfügt aber auch nicht über endlose Energieressourcen. Was also bringt ihr der "Beleuchtungswahnsinn" nach Sonnenuntergang?  Ein Flyer prangert massive Auswirkungen auf die Natur an: Milliarden Insekten würden an Straßenlaternen verenden, Millionen Zugvögel nachts die Orientierung verlieren und an Hausfassaden zerschellen. Auch der Mensch leide unter zuviel Kunstlicht , etwa beim Schlafrhythmus. "Natürlich wollen wir keine stockfinstere Nacht", sagt Sessler. Kompromisse seien aber möglich, etwa freundlich warmes, zielgerichtetes LED-Licht statt blaukalte Rundumbeleuchtung in den Straßen.

Dass in den Lichtglocken, die sich die über die Städte legen, die Sterne kaum noch zu sehen sind, scheint da eher noch das kleinere Übel zu sein. Für Sternkundler ist es ein Ärgernis. Vor der Grundschule wurden drei Teleskope aufgestellt, um damit Andromeda-Nebel  & Co nachzuspüren. An der Mehrzweckhalle Heidenfeld gab es eine Sternenführung mit Bürgermeister Peter Gehring und Dr. Joachim Schneider, Leiter des Naturerlebniszentrums Rhön. Das Biosphärenreservat gilt als  Sternenpark, mit klarem Blick in die "offenen Fernen" des Nachthimmels. Schneider hat auch dort das typische kleine Dorf erlebt, wo der 1000-Watt-Strahler den Kirchtum festlich illuminiert: "Man kann so ein Gebäude von innen heraus leuchten lassen", schlägt der Pädagoge  vor.  Auch Fledermäuse litten unter Nächten, die immer mehr zum Tag gemacht werden. Ebenso Bäume, die nicht mehr "wissen", wann die dunklen Herbsttage nahen, ihr Laub nicht mehr abwerfen und dann Frostschäden davontragen würden.

Dank des "Schwarzen Lochs" rund um Röthlein zeigen sich an diesem Abend Milchstraße und die "Planeten-Autobahn" in voller Pracht für rund 15 Teilnehmer. Im Süden sind Jupiter und Saturn zu sehen. Wenig später steigt auch noch der rostrote Mars über dem Wald bei Gernach auf: "So nah wie jetzt ist er der Erde selten". Ein wenig Demut ist erlaubt angesichts unserer "Nachbarinseln" im Sonnensystem. Millionen Kilometer Entfernung bedeuten im Sternenmeer nur den unmittelbaren Strandbereich. Das Licht fremder Sonnen ist manchmal Millionen Jahre unterwegs, bevor es gegen irdische Teleskope brandet.

Wie ein Handy zum Miniteleskop werden kann

Mit dem Laserpointer erläutert Schneider die Sternbilder – wie den Großen Wagen, Cassiopeia, Schwan  oder Delphin, und zeigt den gar nicht mal so hellen, aber unverrückbaren Polarstern, der für jeden Pfadfinder Norden anzeigt. Das große "Sommerdreieck" der Sterne Deneb, Wega  und Altair strahlt verblüffend gleichförmig  im zarten Dunst der Milchstraße. Arktur im Sternbild Bärenhüter blinkt rötlich über dem TSV-Sportplatz: "Ein Roter Riese", sagt Schneider. Am Ende eines Sternenlebens bläht sich eine Sonne rotglühend auf und verschluckt etwaige Planeten um sich herum, bevor sie manchmal als Supernova detoniert. Womöglich ist das dem hellsten Stern des Nordhimmels sogar schon passiert. Der Lichtblitz würde  theoretisch 37 Jahre bis zur Erde brauchen: "Er wäre dann auch am Taghimmel zu sehen, wie manchmal der Mond." Der hat sich in dieser Nacht vom Acker gemacht. Die Earth Night findet nicht zufällig am ersten Neumond im September statt. Schon die spannende Nachtwanderung macht den Teilnehmern jeden Alters Spaß, inklusive Hund Leo. Am Ende gibt es noch einen Tipp vom Fachmann: Per App lässt sich ein Handy leicht in ein Miniteleskop verwandeln, mit integrierter Sternkarte.

Peter Gehring und Michael Sessler stehen zufrieden im Röthleiner Schulgebäude, wo doch einige Besucher vorbeigeschaut haben.  Durch das Lichtkonzept für eine neue Logistikhalle im Gewerbegebiet Röthlein ist der Bürgermeister auf das Problem gestoßen. Und hat bei der Verdunkelungs-Aktion noch etwas anderes festgestellt: "Straßenlampen werden auch im Computerzeitalter noch immer händisch ausgeschalten, von der ÜZ".

Weniger Licht ist manchmal mehr: Bürgermeister Peter Gehring (links) und Hobbyastronom Michael Sessler warben für Umweltschutz am Nachthimmel.
Foto: Uwe Eichler | Weniger Licht ist manchmal mehr: Bürgermeister Peter Gehring (links) und Hobbyastronom Michael Sessler warben für Umweltschutz am Nachthimmel.
 
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