Der Weg zu Hans-Jürgen Schneider führt nicht in das altehrwürdige Verwaltungsgebäude in der Ernst-Sachs-Straße, sondern hinter den Bahnhof. Der neue Standortleiter der ZF AG residiert dort, wo er seit vielen Jahren arbeitet, im Werk 2 in der Johann-Georg-Gademann Straße, wo in einem angemieteten Firmenkomplex seit vielen Jahren elektrische Antriebe entwickelt und erprobt werden.
Der 56-jährige Schneider ist Nachfolger von Werner Balandat, der sich inzwischen wieder ganz auf die Weiterentwicklung der Produktionstechnik von ZF weltweit konzentriert. Dabei war Schneiders Berufung nur logisch. Seit Jahresbeginn ist Schweinfurt nämlich Sitz der neu geschaffenen Division E-Mobilität, die weltweit über 5000 Mitarbeiter beschäftigt und von dem früheren Siemens-Manager Jörg Grotendorst gemanagt hat.
Bei ZF ist es Regel, dass dem Divisionsleiter, der die gesamte Einheit im Auge hat, ein lokaler Verantwortlicher zur Seite steht. Und das ist Schneider, der das Geschäftsfeld Elektrische Antriebstechnik leitet. Der gebürtige Wipfelder arbeitet seit 1986 im Unternehmen. Als gelernter Elektoringenieur galt er dort zunächst in gewissem Maße als ein Exot. „Es war schon ein Kulturschock, zu einem Maschinenbauer zu gehen“, erinnert er sich. Sein Weg machte jedoch durchaus Sinn, verstand sich Fichtel & Sachs seit der Ägide von Walter Trux Mitte der 70er Jahre doch als Erfinder AG („Sachs Systemtechnik“).
„Erfinder AG, das gilt auch heute noch“, sagt Schneider. Das Elektrothema beschäftigte „den Sachs“ schon damals, mit wechselnder Intensität. Seit 2004/2005 war klar, dass ZF einen Elektromotor für Pkw und Nutzfahrzeuge bauen würde. 2008 wurde die erste industrielle Serienproduktion in ganz Europa eröffnet – in Schweinfurt.
Inzwischen sind Luxus-Auto von Mercedes oder Daimler mit Elektromotoren aus Schweinfurt unterwegs. Es handelt sich dabei um den Plug-In-Hybrid, dessen Batterien an der Steckdose geladen werden können und die es auf eine Reichweite rein elektrisch von 60 Kilometern bringen. Für den Weg zur Arbeit ist das meist ausreichend.
Zwar gebe es Schwankungen in der Nachfrage, räumt Schneider ein, 2014 sei jedoch bereits zeitweise in drei Schichten gearbeitet worden. Im nächsten Jahr sollen 50 000 Motoren ausgeliefert werden. Zum Vergleich: In den Jahren seit 2008 waren es insgesamt 100 000.
Neben dem Plug-in-Hybrid sieht Schneider für ZF bei den elektrischen Achsen mit Komplettlösungen aus dem eigenen Konzern und rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen mit verbesserten Batterien und mit der Brennstoffzelle ein großes Potenzial. Trotz des momentanen Ölpreisverfalls werde sich die E-Mobilität durchsetzen, weil der soziale Druck zunehme. Dabei setzt ZF ungeachtet der momentanen Widrigkeiten auf China. „Das ist der größte Markt“, sagt Schneider. In den Mega-Citys werde sich das elektrische Fahren schnell durchsetzen. Auch weil es die Politik dort durchsetzen könne. Innerhalb von nur drei Jahren seien die Zwei-Takt-Roller von den Straßen verschwunden.
Schon heute sind in China über 300 000 Fahrzeuge elektrisch unterwegs, davon allein 100 000 Busse. Für Schweinfurt soll die E-Mobilität das kompensieren, was an Arbeitsplätzen durch die Verlagerung der Produktion von Stoßdämpfern verloren geht. Um die Arbeitsplätze müsse man sich in den nächsten drei Jahren nicht sorgen, sagt Schneider. „Der Transformationsprozess ist auf einem guten Weg.“ Das heißt, wer bisher Stoßdämpfer produziert hat, findet Arbeit in der E-Mobilität, „weil hier Profis unterwegs sind“.
Dass sich ZF klar zur E-Mobilität bekannt hat, sei gut bei den Kunden angekommen, sagt Schneider. Anja Lampert, die die Öffentlichkeitsarbeit betreut, hat bemerkt, dass mit der Gründung der neuen Division Schweinfurt auch im Konzern deutlich stärker wahrgenommen wird.
Baulich wird man das auch schon bald merken. Im Süden wird das 40 Jahre alte Gebäude 608 umgebaut und mit seinen 6000 Quadratmetern für die Business Unit Elektrische Antriebe genutzt. Dabei soll es für die modernsten Fertigungsmethoden und die Vernetzung von Anlagen-Gebäude und Menschen tauglich gemacht werden. Stichwort „Industrie 4.0“.
ZF lässt sich das einen einstelligen Millionenbetrag kosten. Das Büro von Hans-Jürgen Schneider dürfte die längste Zeit in der Gademann-Straße gelegen haben.
ZF und die sechs Divisionen
ZF hat in den letzten Jahren den Konzern neu strukturiert und sich dabei streng am Markt und an den Kunden orientiert. Bis zum Jahreswechsel gab es fünf Divisionen:
Die Division Pkw-Antriebstechnik, zuständig für Automatikgetriebe, Handschaltgetriebe/Doppelkupplungsgetriebe, Achsgetreibe und Antriebsmodule.
Die Division Pkw-Fahrwerktechnik mit Achssystemen, Fahrwerkkomponenten und Dämpfungsmodulen,
Die Division Nutzfahrzeugtechnik mit der Lkw- und Van-Antriebstechnik, Achs- und Getriebesysteme für Busse, Fahrwerkmodule für Nutzfahrzeuge, Dämpfertechnologie für Nutzfahrzeuge, Antriebsstrangmodule für Nutzfahrzeuge.
Die Division Industrietechnik mit Arbeitsmaschinensystemen, Industriegetrieben, Marine Antriebstechnik, Prüfsysteme, Luftfahrt- und Antriebsrtecnik, Windkraftantriebstechnik, Sonder-Antriebstechnik.
Die Division Aktive & Passive Sicherheitstechnik unter anderem mit Brems- und Lenkungssystemen, Isassenschutzsystemen und Befestigungssystemen.
Die Division E-Mobility mit Elektorionischen Systemen, Elektronischer Antriebstechnik und dem System Haus.