Die Geschichte der Jazzschlagzeugerin Eva Klesse beginnt mit einer jungen Frau, die sich vom westfälischen Werl aufmachte, um in Leipzig Medizin zu studieren. Doch bald packte sie der Jazz: Sie studierte in Weimar, Leipzig und Paris Jazzschlagzeug, setzte ihre Studien mit einem zweijährigen Stipendium an der New York University fort.
Mit ihrem 2013 gegründeten Quartett erhielt sie inzwischen mehrere Jazzpreise, Konzertreisen führten sie unter anderem in die USA, Argentinien, Chile, Mexiko, Frankreich, Ägypten und China. Im Vorjahr hat sie als erste Jazzmusikerin die Berufung zu einer Instrumentalprofessur erhalten und unterrichtet nun an der Jazzabteilung der Hochschule für Musik, Tanz und Medien Hannover Schlagzeug.
Publikum war schnell gefesselt
Diese außergewöhnliche Begabung, diese Power mit rhythmischer Prägnanz, erlebten die Besucher nun live beim Foyerkonzert des Eva Klesse Quartetts. Ein Erlebnis. Das Publikum war schnell gefesselt und begeistert von diesen so neu und frisch klingenden Kompositionen, meist von der aktuellen CD "Miniatures - ten songs for chamber jazz quartet": "Wir wollen damit konkrete Bilder malen, außerdem geht es darum, eine gewisse Sparsamkeit, eine Ruhe auszuhalten", sagt Eva Klesse, die die Mehrzahl der Titel komponiert hat. "Arrangieren tun wir sie dann immer gemeinsam".
Der Opener "Still enough" ist eine Klesse-Komposition, zu der sie sich von einer Geschichte des Schriftstellers Patrick Bruel inspirieren ließ. Der Altsaxofonist Evgeny Ring und Pianist Philip Frischkorn stellen das balladeske Thema vor: Ein lyrisch-klarer Saxofonklang mischt sich mit sparsamen Moll-Akkorden des Klaviers. Doch diese fast meditative Stimmung wird schnell konterkariert vom expressiv-drängenden Schlagzeug Klesses, von metallisch-harten Schlägen auf den Trommelrand. Dann wieder Entspannung: Piano-Träumereien und "singende" Noten vom Bassisten Stefan Schönegg.
Ähnlich subtile Kontraste erlebt man auch in Frischkorns "M's dreaming", dessen verhaltene Stimmung nach einiger Zeit explosionsartig in Fortissimo-Hochspannung umschlägt. Es ist eine höchst spannende Musik mit vielen Überraschungen, die staunen machen: Das Spiel der Musiker, aber auch die Kompositionen und ihre Arrangements sind von besonders kreativer Energie durchzogen. Dazu kommen ihre wachen Interaktionen, das aufmerksame gegenseitige Zuhören, das aufeinander Eingehen. Kammermusik in Jazz.
Eindrucksvolle Tonmalereien
Diese Energie und Spielfreude schaffen immer neue eindrucksvolle Tonmalereien, die oft aus konkreten Situationen entstanden sind. "Gravity" hat Eva Klesse an einem Tag in New York geschrieben, "als sich die Schwerkraft besonders drückend anfühlte". Auch diese Komposition beginnt verhalten mit elegischen Pianoklängen und Flageolett-Tönen des Basses, um allmählich in einen musikalischen Hexenkessel zu münden, der Hektik und Großstadtlärm zeichnet. "Back an forth" beschreibt in einer gewissen Atemlosigkeit die intensive und stressige Reisetätigkeit der Band: Ein Leben zwischen Jetlag und Applaus.
"Der Tuchmacher" gehört dem großartigen Pianisten Philip Frischkorn, der schon seit seinem sechsten Lebensjahr Klavier spielt. Auch er entschied sich letztlich für den Jazz: Nach einem Studium der Philosophie studierte er Jazzklavier an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig, den Master-Studiengang absolvierte er bei Professor Michael Wollny. Frischkorn praktiziert die angesprochene Sparsamkeit der Band-Philosophie: Um seine klangschönen Improvisationen, Klänge des im Augenblick Erdachten, scheint er manchmal zu ringen. Dazwischen setzt er kleine Minipausen, die zusätzlich Spannung erzeugen.
In der Zugabe "The seventh sea" ist Raum für ein großes Solo des Bassisten Stefan Schönegg, der hier noch einmal sein virtuos-musikalisches Können zeigen kann. Großer langer Applaus des begeisterten Publikums. Es war eine wunderbare Begegnung mit der außergewöhnlichen Jazzmusikerin Eva Klesse, ihren kongenialen Partnern und ihrer dynamischen Musik.