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SCHWEINFURT
Dürers muckenklatschende Hände
Hacker-Attacke: Gymmick ohne Bart in der Kulturwerkstatt.
Foto: Eichler | Hacker-Attacke: Gymmick ohne Bart in der Kulturwerkstatt.
Redaktion
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:05 Uhr

„Heute Abend spiele ich mit im ersten Frankentatort“, witzelt Gymmick sonntags auf seiner Facebookseite: „Ich bin der, der unerkannt entkommt.“ Jawoll, Närmberch ist jetzt Dadord-Stadt. Dazu war die Pegnitz-Metropole schon immer prädestiniert. Der hintersinnige Cartoonist und punkige Brilliantblödelbarde aus Worzeldorf, bürgerlich Tobias Hacker, hat 2013 den Nürnberger Kulturförderpreis erhalten. Und sich prompt mit einer Hasshymne auf die „Stadt der Nazis und Naziprozesse“ bedankt, frei nach Alicia Keys Nuu Yooork-Song.

Immerhin, nachdem dem Polizistensohn bei einem USK-Einsatz vier Jahre zuvor mal die Gitarre (unersetzt) zerdeppert worden ist, in der linksalternativen Gostenhofer Kneipenszene, fast schon ein versöhnlicher Ausklang. Am Samstag war der sanfte Anarcho-Liedermacher in der Nochnichtdadord-Stadt Schweinfurt zu Gast: „Finger weg vom Alkohol“ nennt sich das skurrile Programm eines Kreuz- und Querdenkers, der „Böse Möbelstücke“ besingt oder den „Suizid bei Süßen Tieren“.

Illustrator Gymmick startet zwischendurch seine eigene, bunte Powerpoint-Show mit gnomigen Cartoons, wo es um die Tücken der Mondlandung geht und Albrecht Dürer, dessen „Betende Hände“ bekanntlich beim Muckenklatschen seiner Frau entstanden sind. Um fränkische Angler, die mit Ködern angeln, um Klos mit Soß (igitt) oder den Fan, der sich einen Clubschal gewünscht hätte und jetzt einen Glupschaal auspackt. Die Kommunikation unter Franggn: im Grunde nix anderes als ein amüsantes Missverständnis.

„Gimmick“ wiederum meint ein einfaches, aber reizvolles Beilagen-Spielzeug, wie aus dem Yps-Heft. Das amerikanische Slangwort ist wohl mit „magic“ verwandt. Auch der Mittelfranke, Jahrgang 1973, entfaltet auf der Bühne mit großer Wirkung die Magie des minimalen Aufwands, mittels Gitarre, Klavier und schrägen Liedern. Über Gott zum Beispiel, Karel Gott. Die Babitschka und ihre ekelerregenden Kochsitten. Oder über das kollektive Erinnern (herrje, der Song ist aber auch schon wieder 20 Jahre alt). An die Zeit von Astro Pop Brause und klebrigen Lutschmuscheln mit Erstickungsgefahr: „Ich habe in meiner Kindheit meine besten Freunde an Lutschmuscheln verloren.“ Es geht um die wild und schmerzhaft tackernde Intimpiercing-Mafia, ums Schlussmachen (der Partner sollte dann wenigstens den Gelben Sack mitnehmen) oder einfach nur um wütend herausgeraunzte „Stimmuuung“: Etwa dank kaputter Kreissägen, die ihren unvorsichtigen Reparateur zerstückeln. Aber immerhin, der Handwerker freut sich, im letzten Moment: Das Ding funktioniert wieder. Wie der Abend mit Gymmick, dem Mann mit großem Herzen und vier viel zu kleinen Fingern an der rechten Hand, die er, heißt es, einem Schering-Medikament verdankt, dem Schwangerschaftstester Duogynon. Was den Künstler wohl eher beflügelt hat, beim Zeichnen und der Musik. Sind wir nicht alle a bissle gehandicapt, tief in unserer Franggn-Seele? „Ihr wisst schon, dass Ihr einen kranken Humor habt“, ruft der Närmbercher Dürernachfolger seinem Publikum zu. „Du auch“, schallt es fröhlich aus Schweinfurt zurück. Den Gymmick, den kriegen sie auch noch, beim Franggndadord. Uwe Eichler

 
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