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Gerolzhofen
Druckfrisch: Zeitzeugen-Buch über Hebamme Maria Sperling
Renate Förster zeigt: Ihre Mutter war als weit über Gerolzhofen hinaus bekannte Hebamme nicht nur kompetent im Fach, sondern auch resolut – ihre Sprüche musste man vertragen.
Reante Förster aus Gerolzhofen hat ein Buch mit dem Titel 'Hebamm, schnell, es Kindla kümmt' geschrieben. Dieses enthält Erinnerungen an ihre Mutter, Hebamme Maria Sperling. Die Erinnerungen stammen von Frauen und auch zwei von deren Männern, denen die Hebamme bei der Entbindung von deren Kindern geholfen hat.
Foto: Michael Mößlein | Reante Förster aus Gerolzhofen hat ein Buch mit dem Titel "Hebamm, schnell, es Kindla kümmt" geschrieben. Dieses enthält Erinnerungen an ihre Mutter, Hebamme Maria Sperling.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 07.06.2021 02:14 Uhr

Maria Sperling – dieser Name ist ein Begriff in Gerolzhofen und darüber hinaus. Auch gut 30 Jahre nach ihrem Tod erinnern sich noch viele Familien an die Hebamme, die über 7000 Kindern aus der Region auf die Welt geholfen hat. Ihre Tochter, Renate Förster, hat nun ein Buch veröffentlicht, voller Erinnerungen an ihre Mutter. Diese stammen von Frauen, die bei der Hebamme entbunden haben. Als Zeitzeugen liefern sie auf 120 Seiten ein lebendiges Gesamtbild, das nicht nur "Storchentante Marie", wie Sperling gerufen wurde, lebendig werden lässt. Es ist auch "das Gesamtbild eines ganzen Zeit- und Lebensraums", wie es im Vorwort des Buchs treffend heißt.

Die Autorin ist zwischenzeitlich selbst 75 Jahre alt. Ein Buch über ihre im Jahr 1990 gestorbene Mutter zu schreiben, diesen Gedanken hat sie seit 20 Jahren verfolgt, sagt Förster. Den letztlichen Anstoß, ihre Idee umzusetzen, gab ihr im Frühjahr 2020 Gerolzhofens Pfarrer Stefan Mai. Dieser hatte während des ersten Corona-Shutdowns Menschen ermuntert, in der Zeit der Stille ihre Gedanken zu notieren.

Zweites Buch so gut wie beendet

Über einen Aufruf in der Main-Post Gerolzhofen trat Förster mit Menschen in Kontakt, die ihr am Telefon von ihren Erinnerungen an Hebamme Sperling berichteten. Aus über 30 Gesprächen verfasste Förster 24 Geschichten: die Kapitel ihres jetzt erschienenen Buches "Hebamm, schnell, es Kindla kümmt". Mit einem zweiten Buch ("Ich, die Hebammstochter") befindet sich Förster in den letzten Zügen. Sie schildert darin autobiografisch ihre nicht unproblematische Beziehung zu ihrer Mutter.

Sperling, die von 1936 bis 1976 als freiberufliche Hebamme arbeitete, eilte während dieser Zeit zweifelsohne der Ruf der tüchtigen, andere sagen sogar begnadeten Geburtshelferin voraus, die sich gerade heraus, resolut, fürsorglich und aufmunternd um die werdenden und frisch gebackenen Mütter kümmerte. Doch als Vollblut-Hebamme ließ es sich kaum vermeiden, dass für sie ihre eigene Familie nicht immer an vorderster Stelle stand. "Wenn an Weihnachten das Telefon klingelte, war Mama weg", nennt Förster ein Beispiel. "Ich lag mit meiner Mutter immer im Clinch." Für sie sind ihre beiden Bücher deshalb auch ein wichtiges und sehr persönliches Projekt, um ihre eigene Familiengeschichte aufzuarbeiten – inklusive Tränen und Gänsehaut beim Schreiben, wie sie zugibt.

Mit dem "Sachser"-Motorrad durch die Nacht

Nach ihrer 18-monatigen Ausbildung hat Maria Sperling als junge Hebamme im Raum südlich von Gerolzhofen gewirkt, in Stadelschwarzach, wo sie zunächst wohnte, Prichsenstadt, Järkendorf und Lülsfeld. Im Jahr 1938, nach ihrer Heirat, zog sie nach Frankenwinheim. Täglich fuhr sie mit ihrem "Sachser"-Motorrad ins Krankenhaus nach Gerolzhofen und zu den Hausgeburten. Egal, ob es mitten in der Nacht war oder bitterkalter Winter, mit glatten Straßen: Die Hebamme sauste mit ihrem Motorrad überall dorthin, wo hochschwangere Frauen ihre Hilfe brauchten. Ihren Hebammenkoffer hatte sie stets hinter dem Sitz ihres "Sachser" festgeschnallt.

1952 zog sie mit ihrer Familie nach Gerolzhofen, ins eigene Haus in der Saarstraße. Ihr Können sprach sich herum. In den 60er Jahren kamen Frauen aus dem ganzen Umland, um bei Sperling im Gerolzhöfer Krankenhaus zu entbinden. Selbst aus Bad Königshofen kamen sie angereist, steht in Försters Buch nachzulesen.

In der Saarstraße 14 in Gerolzhofen wohnte Hebamme Maria Sperling ab dem Jahr 1952. Jetzt wohnt dort ein Enkel von ihr mit dessen Familie. Der Zusatz auf dem Schild 'Hebamm Sperling' hat Renate Förster extra für das Foto angebracht.
Foto: Michael Mößlein | In der Saarstraße 14 in Gerolzhofen wohnte Hebamme Maria Sperling ab dem Jahr 1952. Jetzt wohnt dort ein Enkel von ihr mit dessen Familie.

"Storchentante Marie" begleitete den Erinnerungen der Zeitzeugen zufolge als Hebamme bisweilen mehrere Generationen einer Familie bei Entbindungen. Und das, obwohl sie mit ihrer direkten Art sicherlich nicht immer ganz einfach zu nehmen war. "Was, jetzt bist du schon wieder da?", begrüßte sie etwa eine Frau, als diese – bereits mit Wehen – zur Geburt ihres dritten Kindes zu Sperling kam. "Seid net so wehleidig, ihr jungen Weiber", ist noch so ein überlieferter Spruch Sperlings, den Hebammen heutzutage kaum auszusprechen wagten.

Hausgeburten waren lange Zeit üblich

Was die Geschichten in Försters Buch aber eben auch zeigen: Die Kriegs- und Nachkriegszeit, in der Hebamme Sperling wirkte, ist mit dem Umfeld heutiger Geburten kaum vergleichbar. Die Frauen arbeiteten nicht selten wörtlich bis zum Einsetzen der Wehen auf dem Feld, im Stall oder, wie eine Frau sich erinnert, daheim, auf der Baustelle ihres Hauses mit. Hausgeburten, bei denen das Schicksal von Mutter und Kind bisweilen allein von der gerufenen Hebamme abhingen, waren lange Zeit üblich.

Eine Frau erinnert sich im Buch daran, dass ihr Mann sie mit dem Traktor aus dem Steigerwald zur Entbindung ins Gerolzhöfer Krankenhaus fuhr. Das Köfferchen mit dem Notwendigsten hielt sie auf dem Schoß umklammert. Auf einem im Buch ebenfalls enthaltenen Merkzettel von Ende der 5oer Jahre erfuhren die Frauen, was sie zur Entbindung mitbringen mussten: "Familienstammbuch oder Heiratsurkunde, 1 Badetuch, 1 Einschlagtuch, 2 Mullwindeln für die Brust, 1 Garnitur Windeln zum Heimgehen, 1 Nabelbinde, 9 Jäckchen, 9 Hemdchen, 2 Waschlappen, 1 Kinderseife".

Mit Pfarrer über Anti-Baby-Pille diskutiert

Lob für ihre Arbeit – auch damit ging die Hebamme auf ihre eigene Art um. "Blöd's Luder, du hast dei Arbeit gemacht und jetzt hab' ich meine gemacht", sagte sie zu einer Frau, nachdem diese ihr just nach der Entbindung für die gemeinsam überstandene "schwere Geburt" gedankt hatte. Ihre Courage, wenn man dies so nennen möchte, zeigte Sperling nicht nur im Kreißsaal. Sie diskutierte beispielsweise auch mit Stadtpfarrer Franz Bauer über die Anti-Baby-Pille, die sie als durchaus hilfreich verteidigte; mit Frauen diskutierte sie über die Pille, während diese nebenbei spülten oder Betten machten. Auch diese Anekdote findet sich in dem Buch sowie der Hinweis auf das kurze Dankgebet der Hebamme in der Gerolzhöfer Krankenhaus-Kapelle nach einer extrem verlaufenden Geburt, dass ihr bei damals über 6000 Geburten noch kein Kind gestorben sei.

Bei über 6000 Geburten hat Hebamme Maria Sperling Kindern geholfen, das Licht der Welt zu erblicken.
Foto: Symbolbild Sarah Simon | Bei über 6000 Geburten hat Hebamme Maria Sperling Kindern geholfen, das Licht der Welt zu erblicken.

Der Glauben an Gott und das Gute in der Welt, in dem sie fest verwurzelt lebt, hat auch Sperlings Tochter geholfen, sich als Schriftstellerin zu versuchen. Beim Schreiben, sagt Förster, habe sich ihr gezeigt, dass nur Menschen etwas bewegen, die, wie sie von sich selbst sagt, "ver-rückt" sind, sich also trauten, Dinge zu verrücken und damit etwas zu verändern.

Renate Förster plant Autorenlesungen

Ihr Buch "Hebamm, schnell, es Kindla kümmt" ist ab sofort bei der Buchhandlung Teutsch am Turm in Gerolzhofen erhältlich. Weitere Buchhandlungen in der Region sollen folgen. Wenn die erste Auflage von 300 Büchern vergriffen ist, wird nachgedruckt, kündigt die Verfasserin an. Am 16. Juni um 19 Uhr wird sie – wenn die Corona-Lage dies zulässt – ihr Buch auf Einladung des Katholischen Frauenbundes während einer Autorenlesung im Garten des Pfarrer-Hersam-Hauses in Gerolzhofen vorstellen. Weitere Lesungen sind geplant.

"Hebamm, schnell, es Kindla kümmt" kostet 14,80 Euro . Das im Verlag Schmidt (Neustadt/Aisch) erschienene Buch ist im Buchhandel erhältlich mit der ISBN-Nummer 978-3-87707-213-4.

 
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