zurück
Schweinfurt
Drei Jahre Krieg in der Ukraine: "Ich hoffe auf Europa und die Nato" – Was vier Ukrainerinnen denken
Die Lage der Ukraine ist auch nach dem Präsidenten-Treffen ungewisser denn je. Vier Ukrainerinnen aus Schweinfurt über den Krieg, Trump und die Zukunft.
US-Vizepräsident JD Vance (rechts) spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (links) im Beisein von US-Präsident Donald Trump (M) im Oval Office des Weißen Hauses.
Foto: Mystyslav Chernov | US-Vizepräsident JD Vance (rechts) spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (links) im Beisein von US-Präsident Donald Trump (M) im Oval Office des Weißen Hauses.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 07.03.2025 02:37 Uhr

In der vergangenen Woche wehte am Schweinfurter Rathaus die ukrainische Flagge, zum Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk anlässlich des dritten Jahrestages des Kriegsbeginns. Ende der Woche erschütterte das völlig aus dem Ruder gelaufene Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Weltpolitik. Vier Ukrainerinnen sagen, wie sie auf drei Jahre Krieg in ihrem Heimatland, die jüngste Entwicklung und die Zukunft blicken.

1. Diana Tsvaihova (35) aus Schweinfurt hofft auf ein Kriegsende in diesem Jahr

Diana Tsvaihova (35 Jahre alt, Schweinfurt)
Foto: Steffen Krapf | Diana Tsvaihova (35 Jahre alt, Schweinfurt)

Die erste Vorsitzende des kürzlich gegründeten "Freundeskreis Lutsk e.V." hat viele Verwandte und Bekannte in der Ukraine. Sie selbst lebt seit zehn Jahren in Deutschland. "Der Krieg ist ein schwieriges Thema für mich", sagt sie. "Ich habe dort schon sehr viele Leute verloren. Es schmerzt sehr." Aktuell geht sie, auch nach dem Eklat zwischen Trump und Selenskyj davon aus, dass der Krieg dieses Jahr noch beendet wird. "Ich hoffe es, denn Trump hat versprochen, dass er für Frieden sorgt, wenn er gewählt wird." In Friedenszeiten hofft sie auf eine Bekämpfung der Korruption in der Ukraine und eine Präsidentschaftswahl. "Aber es ist sehr schwer in die Zukunft zu blicken, denn es ist sehr viel Schaden entstanden. Die Ukraine braucht viele Milliarden für den Wiederaufbau. Ich denke, die Ukraine wie früher, wird es nie mehr geben."

2. Oksana Petlian (40) aus Schweinfurt erlebte als Ukrainerin Diskriminierungen auf der Krim

Oksana Petlian (40, Schweinfurt)
Foto: Steffen Krapf | Oksana Petlian (40, Schweinfurt)

"Für mich ist der Krieg eine riesige Katastrophe", erklärt sie. "Meine Eltern und meine Schwestern leben auf der Krim." Das Leben auf dem von Russland okkupierten Gebiet, gestalte sich schwierig für Ukrainer, berichtet Petlian. "Ukrainer haben dort einen sehr niedrigen Lohn seit der Annexion." Sich dagegen zu äußern, ist riskant. Sie berichtet von einer Freundin, die sich auf einem Spielplatz kritisch gegen die Behandlung äußerte. Sie sei drei Tage in Polizeigewahrsam gelandet, ohne, dass ihr Mann gewusst habe, wo sie ist.

Petlian selbst hat auf der Krim gelebt, auch noch nach der Annexion 2014. Als sie sich an die Zeit erinnert, kommen ihr die Tränen. Sie berichtet von schmerzhaften Diskriminierungserfahrungen durch Russen. "Sie lachten immer über uns." Sie berichtet von einer menschenverachtenden Beschimpfung durch ihren russischen Chef an ihrer damaligen Arbeitsstelle als Personalmanagerin in einem Sanatorium auf der Krim. Durch ihren deutschen Ehemann konnte sie vor neuen Jahren die Krim verlassen. Ihren ukrainischen Pass musste sie bei der Ausreise vor den russischen Beamten verstecken.

Heute arbeitet sie als Kosmetikerin in Schweinfurt. Auch wenn in ihr Leben wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, sagt sie: "Ich liebe meine Heimat, ich vergesse nicht." Sie unterstützt von Schweinfurt aus mit Geld- und Sachspenden ihre Landsleute im Krieg. Zur aktuellen Debatte erinnert sie daran, dass die Ukraine als Stellvertreter für Europa zu sehen sei. Ganz alleine könne die Ukraine gegen Russland aber nicht standhalten. Donald Trump sieht sie problematisch. "Ich glaube, er könnte ein Freund von Putin sein." Einen Blick in die Zukunft der Ukraine wagt sie gerade nicht.

3. Natascha Göb (49) aus Frankenwinheim hilft Soldaten im Krieg

Natascha Göb (49, Frankenwinheim)
Foto: Steffen Krapf | Natascha Göb (49, Frankenwinheim)

Drei Jahre Krieg in der Ukraine bedeutet für sie: "Trauer, Trennungen, Leid, Wut – und am meisten: Schmerz." Sie ist auch seit dem Kriegsbeginn regelmäßig in der Ukraine. "Ukraine ist kein Russland. Wir sind keine Brüder", sagt sie. Zwei ihrer Neffen kämpfen an der Front. Sie unterstützt mehrere Brigaden mit Spendensammlungen. Gebürtig kommt Göb, die seit fast 25 Jahren in Deutschland lebt, aus der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk.

Nach dem jüngsten Gespräch zwischen Selenskyj und Putin, bekam sie die ganze Nacht kein Auge zu, verrät sie. "Es war schrecklich. Ich bin entsetzt, dass ein Mensch wie Trump so ein Land regieren kann." Ihr kommen die Tränen, als sie an das aus ihrer Sicht respektlose Verhalten Trumps gegenüber Selenskyj denkt. "Die ganze Welt hat es gesehen", sagt sie. Am nächsten Morgen telefonierte sie mit vielen Landsleuten. "Die waren alle total enttäuscht und wütend. Wie kann man einen Präsidenten eines anderen Landes so respektlos behandeln?"

Göb geht jetzt davon aus, dass nichts Gutes auf die Ukraine zukommt. "Ich hoffe auf Europa und die Nato, dass sie die Ukraine nicht fallen lassen, wie Trump es macht." Deutschland ist sie sehr dankbar. Die Zustände in der Ukraine beschreibt sie als "katastrophal". Die in den Medien gezeigten Bilder seien nichts im Vergleich zur Realität. "Ich habe durch den Krieg schon mehrere Angehörige und Schulkameraden verloren. Es ist brutal." In ihrer Wunschvorstellung für die Zukunft hat die Ukraine alle von Russland okkupierten Gebiete zurückerobert. "Ich bete jeden Tag dafür, dass Russland für alles, was es uns angetan hat, bezahlen muss – für jedes tote Kind, für jede vergewaltigte Frau."

4. Viktoriia Syrgi (35) aus Schweinfurt verlor ihren Großvater durch einen Raketenangriff

Viktoriia Syrgi (35, Schweinfurt)
Foto: Steffen Krapf | Viktoriia Syrgi (35, Schweinfurt)

Als Vorsitzende des letztes Jahr gegründeten Vereins "Barwa – Unterstützung für die Ukraine und ukrainische Menschen in Deutschland" hilft Viktoriia Syrgi Ukrainern, die vor dem Krieg fliehen mussten, bei der besseren Organisation. Ihr Verein hilft auch Kindern in der Ukraine, die ihre Eltern durch den Krieg verloren haben. Der Krieg ist für Syrgi, die seit 16 Jahren in Deutschland lebt, sehr präsent, denn sie kommt aus der Stadt Kurachowe, in der Donezk-Region im Osten der Ukraine.

Ihr Eltern zögerten zum Kriegsbeginn noch zu fliehen, mittlerweile sind sie auch in Deutschland in Sicherheit. "Aber sie haben kein Zuhause mehr", erklärt die Tochter. "Die normalen Menschen müssen leiden und sterben, weil Politiker nicht miteinander klarkommen." Ihr Opa starb durch einen Raketenangriff. Es tue ihr extrem weh, wenn sie an die vielen tausenden Kriegsopfer denkt. "Wozu war das gut?", fragt sie sich. "Keiner weiß, wie es weitergehen wird."

Sie ruft dazu auf, dass jetzt alle Ukrainer, egal wo sie leben, noch mehr zusammenhalten müssen. Seit dem Trump-Selenskyj-Gespräch spüre sie einen "Blackout" in ihrem Kopf. "Ich verstehe nicht, was da los ist", sagt sie resigniert. "Langsam verlässt mich mein Optimismus, aber ich werde weiter helfen."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Steffen Krapf
Donald Trump
Kriegsbeginn
Kriegsende
Kriegsopfer
Nato
Rathaus Schweinfurt
Stadt Schweinfurt
Ukraine-Russland-Krieg
Ukrainische Staatspräsidenten
Wladimir Wladimirowitsch Putin
Wolodymyr Selenskyj
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Marc Stürmer
    Hoffnung ist ja schön und gut - nur worauf? Die Rückeroberung der besetzten Gebiete ist ein Wunschtraum. Vor allem aber geht der Ukraine langsam das kämpfende Personal aus, Russland aber noch lange nicht.

    Und kein Mitglied der NATO wird seine Armee in die Ukraine schicken, um dort zusammen gegen Russland zu kämpfen.

    Es wird am Verhandlungstisch enden, und die Ukraine wird ihre Maximalziele nicht durchsetzen können.

    Wie heißt es so schön: wenn man über etwas verhandeln will, dann muss man erst einmal etwas auf den Tisch legen. Die Ukraine aber hat nichts dergleichen, also werden ihre Interessen kaum Gehör finden noch Realität werden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jürgen Gittel
    Es bleibt spannend, ob in der EU eine Einigkeit erzielt werden kann. Schließlich gibt es ja einige, die dagegen sind (z. B. Orban). Problem ist ja hierbei, dass bei Entscheidungen von finanzieller Bedeutung einstimmig gefasst werden müssen. Auch bei uns ist die Finanzierung bei weitem nicht gesichert. Im Augenblick wird ja anscheinend wieder über Sondervermögen verhandelt. Falls dies für die Aufrüstung der Bundeswehr vorgesehen ist, darf das auf keinen Fall in die Ukraine fließen. Wir müssen ja auch sehen, dass wir eine schlagkräftige Armee haben. Zum Thema Nato-Mitgliedschaft der Ukraine bin ich derzeit nicht dafür, dass diese dort aufgenommen wird. Das würde die Probleme nur verschärfen. Außerdem braucht man sich über die Wortwahl von Trump auch nicht aufregen, auch wenn sie schon etwas unangepasst war. Man denke nur an den ehem. ukrainischen Botschafter, Melynk, der sich teilweise mit seinen Äußerungen wie der Elefant im Porzellanladen aufgeführt hat. Da hat sich keiner aufgeregt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Arold
    Nach diesem Eklat im Weißen Haus wünsche ich mir mehr denn je das Deutschland und Gesamt Europa die Ukraine unterstützt. Liest man die Reaktionen aus Moskau nachdem Interview dann freuen die sich das Trump einen billigen Frieden möchte der der Ukraine möglichst alles kosten wird. Derzeit begreift man nicht wie ein US- Präsident auf einmal mit ihrem großen Feind (Putin) kuschelt. Wie die beiden sich auf einmal unterstützen und Europa ohne Verteidigung dasteht. Ein Partner die USA wird plötzlich zum Feind. Wir müssen uns in Europa zusammen tun und einig sein wie wir dagegen vor gehen. So langsam begreifen die US- Bürger was in 40 Tagen Trump alles schon kaputt gegangen ist und gehen auf die Straße. Wann sich dort wieder politisch etwas ändert können wir wenig beeinflussen. Europa muss sich jetzt einig werden und vor allem die Ukraine unterstützen sie nicht Putin und Trump ausliefern. Das wäre mein Wunsch.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Roland Albert
    Und wer bezahlt und leistet das?
    Scholz?
    Habeck?
    Orban?
    Ein anderer
    Macron
    Die /Schweden?
    Europa?
    Welch eine Fantasie.
    Fakt ist und das weiss Trump.
    Ohne die Zupfer geht nichts
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Marc Stürmer
    Mit welchem Ziel denn? Die Ukraine ist am Ende des Machbaren angekomen.

    Selenskij will das nicht einsehen, daher hat Donald Trump den unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht und zugleich richtig angemerkt, dass die Ukraine ohne US-Unterstützung nicht lange weiter kämpfen kann.

    Und entweder Selenskij sieht das endlich ein und verhandelt über einen Waffenstillstand, oder er kann ohne US-Unterstützung weiterkämpfen und dann wird er ja schon sehen, was er davon hat.

    Jeder weitere Euro Steuergeld, der noch in diesen Konflikt investiert wird, ist verschwendet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten