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Hundelshausen
Dorfleben in Hundelshausen gestern, heute – und morgen
Karlheinz Meidel ist 93 und wuchs im ehemaligen Forstamt in Hundelshausen auf. Er war einer von mehreren Zeitzeugen, die beim historischen Dorfspaziergang in Hundelshausen die Geschichte des Ortes zum Leben erweckten.
Foto: Rosie Füglein | Karlheinz Meidel ist 93 und wuchs im ehemaligen Forstamt in Hundelshausen auf. Er war einer von mehreren Zeitzeugen, die beim historischen Dorfspaziergang in Hundelshausen die Geschichte des Ortes zum Leben erweckten.
Rosie Füglein
 |  aktualisiert: 21.04.2024 02:37 Uhr

Bau- und Bodendenkmäler bewahren, Landschaften und Ortsbilder vor ihrer Zerstörung schützen, Bräuche und Dialekte lebendig halten. Das alles sind Dinge, die Heimatpfleger tun. Im Ehrenamt wohlgemerkt. Der für den südlichen Landkreis Schweinfurt zuständige Kreisheimatpfleger heißt Stefan Menz und lud letztes Wochenende zu einem historischen Dorfspaziergang in das kleine Steigerwalddorf Hundelshausen ein.

Mit im Schlepptau hatte er seinen für den nördlichen Landkreis zuständigen Kollegen Guido Spahn sowie seinen Vorgänger Longin Mößlein. Letzterer ist 85 Jahre alt und gilt im Landkreis Schweinfurt als bedeutender Geschichtsforscher und -schreiber. Für sein Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet, sowohl in der Region als auch auf nationaler Ebene.

Die erste Siedlung lag außerhalb des heutigen Dorfes

Der Einladung zum Dorfspaziergang in dem kleinen Steigerwalddorf folgten 70 Neugierige, die mehr über die Geschichte des Orts erfahren wollten. Zunächst erfuhren sie, dass die erste Siedlung außerhalb des Dorfes Richtung Bischwind lag – weil Menschen und Dörfer wandern, etwa um Krankheiten oder Naturkatastrophen zu entfliehen oder um das zu suchen, was Leben früher wie heute gedeihen lässt: gute Böden und ausreichend Wasser.

Guido Spahn, Longin Mößlein und Stefan Menz (von links), zwei amtierende und ein ehemaliger Kreisheimatpfleger, beim Dorfspaziergang in Hundelshausen vor dem denkmalgeschützten ehemaligen Forstamt.
Foto: Rosie Füglein | Guido Spahn, Longin Mößlein und Stefan Menz (von links), zwei amtierende und ein ehemaliger Kreisheimatpfleger, beim Dorfspaziergang in Hundelshausen vor dem denkmalgeschützten ehemaligen Forstamt.

Immer wieder zeigte Menz auf, wie Jahrhunderte alte Erfahrungen von Menschen unsere Kulturlandschaft und das Erscheinungsbild unserer Dörfer geprägt haben und wie Bauten – etwa die Hundelshäuser Inflationskirche aus den 1920er Jahren – dem Wunsch nachkommen, sich harmonisch in die Landschaft einzufügen, ja sich mit ihr zu verbinden. Das gelingt zum Beispiel dadurch, dass, wie im Falle der Hundelshäuser Kirche, Naturmaterialien aus der Region, etwa Sandstein, für den Bau verwendet werden.

Die Hauptstraße schützt vor Überschwemmungen

Sich Naturgegebenheiten zu widersetzen, halten sowohl Menz als auch sein Vorgänger Mößlein für keine gute Strategie. So erklärte Mößlein, dass die höhergelegene Hauptstraße des Dorfes früher wie heute als natürlicher Damm diente, der die Menschen vor Überschwemmungen, die von den Stich- und Sturzbächen des umliegenden Waldes herrührten, schützte.

Dass der 93 Jahre alte Karlheinz Meidel, Bruder des bereits verstorbenen Steigerwaldkenners und Artenschutz-Pioniers Erich Meidel, zu dem Dorfspaziergang erschien und diesen mit seinen Erinnerungen bereicherte, freute nicht nur die Kreisheimatpfleger, sondern auch die Teilnehmer sichtlich.

Kinosaal für die Dorfkinder im Keller des Forstamts

Als Meidel zum Beispiel davon berichtete, wie er im Alter von sieben Jahren mit seinem Kumpel Ludwig im Keller des Forstamts einen "Kinosaal" einrichtete und den Dorfkindern einen Eintritt von zehn Pfennig pro Vorstellung abknöpfte, schien ihm die Spitzbübigkeit von damals wieder im Gesicht und der Schalk wieder im Nacken zu sitzen. "Den Eintritt hatten alle zu zahlen. Da zeigten wir kein Erbarmen. Wohl aber meine Mutter. Armen Dorfkindern warf sie oft aus dem ersten Stock des Forstamts die notwenigen Zehn-Pfennig-Stücke hinunter", so Meidel.

Tollkühner wurde es, als Meidel und sein Kumpel – dann, wenn die Eltern dem Forsthaus den Rücken kehrten – auf dem Giebel des Dachs und auf dem Blitzableiter herumspazierten oder Vorbereitungen für ihren ersten Fallschirmsprung trafen. Meidels Fazit: "Hundelshausen war für uns ein Ort der Freiheit und der Erfüllung."

Ziel: Die Augen öffnen für die Reize des kleinen Ortes

Bereits 1974 schrieb Meidels Bruder Erich: "Wem es vergönnt ist, die Natur hier mit offenen Augen zu sehen, der erkennt auch ihre Einmaligkeit." Den Menschen die Augen für die Einmaligkeit der Landschaft und für die Reize des kleinen Ortes zu öffnen, genau das war auch das Anliegen der drei Kreisheimatpfleger beim Dorfspaziergang in Hundelshausen.

Denn um ihren in der Bayerischen Verfassung verankerten Aufgaben nachzukommen, geben Heimatpfleger im Rahmen von Bauleitplanungen auch Stellungnahmen für geplante Bauvorhaben ab. Eine solche Stellungnahme ließ Stefan Menz jüngst auch der Gemeinde Michelau für Hundelshausen zukommen, wo nach deren Willen an allen drei Ortsenden große Gewerbe- und Siedlungsflächen entstehen sollen.

Dörfer werden austauschbar

Allerdings zeigten sich die Gemeindevertreter von seiner wie auch von vielen anderen Stellungnahmen und Warnungen unbeeindruckt. "Diese Bauvorhaben werden den Charme und das Ortsbild Hundelshausens als auch die herrliche Landschaft rundherum für immer verändern", so die Sorge von Menz.

Auch sein Kollege Guido Spahn plädierte am Ende des Spaziergangs an die Vernunft: "Wir sehen heute so viele Dörfer, in denen Masse statt Klasse das Gebot der Stunde zu sein scheint und in denen ein wildes Durcheinander von unterschiedlichen Baustilen vorherrscht. Die Konsequenz: Viele Dörfer verlieren ihr Gesicht und ihren Wiedererkennungswert. Sie werden austauschbar."

 
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