Ein sehr bekannter Literat, vermutlich Hanns-Josef Ortheil, hat einmal gesagt: "Wer mit Opern nichts anfangen kann, sollte wenigstens ab und zu in den Wald gehen und laut herumschreien." Das verweist darauf, worum es also bei der Oper geht: den Brustkorb weit zu machen und viel Luft herein und hinaus zu lassen.
Nicht nur für die Sängerinnen und Sänger, sondern auch für das einzelne Ich im Publikum, das mitfühlt, mitleidet und mitbeglückt, ist von den Figuren der Geschichte, die da oben auf der Bühne stattfindet.
Eine konzertante Aufführung der "Oper aller Opern" stand beim Kultursommer am Samstag auf dem Programm: "Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart hatte Dirigent Wolfgang Kurz vom Würzburger Kammerorchester mitgebracht. Seine Musikerinnen und Musiker sind vornehmlich ehemalige oder jetzige Studierende an der Hochschule für Musik, ganz junge Menschen, die da die reife Leistung dieser Opernstücke erbrachten.
Don Giovanni, Vorbild oder, moderner formuliert, Role Model für ganze Männergenerationen seit dem Jahr 1787, für all die Johnnys, Don Juans, Hanse und Johanns, die seitdem gerne auf Eroberungszüge in die Welt der Frauen ziehen. Donna Elvira, Donna Anna, Zerlina und wie sie alle außerhalb der Opernwelt noch heißen, atmen schon einmal tief ein, um ihren Schmerz, ihren Kummer und ihre Empörung in die Welt respektive den Wald hineinzurufen.
"Credi mi", amo te"
Aber wenige können das so schön wie Marianna Martirosyan, Misun Kim und Mio Nakamune auf der Bühne des Kessler-Field und nur sie fallen dem gekonnten Schmäh des Hernan Atilio Vuga anheim, der den Don Giovanni spielt und singt, daß es eine wahre Lust ist.
Wie da die Dramatik steigt, wie da die Spannung anschwillt! "Credi mi", amo te", und schon zieht er weiter, dem nächsten Rock hinterher … 1974 Liebschaften soll er gehabt haben, allein in Spanien 1003 – mille e tre, ach, die poverine, die Armen! Die italienische Sprache scheint besonders geeignet für diese Emotionalität.
Gustavo Müller, der den Diener Leporello gibt, kommt kaum hinterher, den Lug und Trug vertuschen zu helfen, den sein Herr fabriziert. Auch das ist ein gekonnter Spiegel vieler Weltzusammenhänge. Wieder eine Gelegenheit, tief einzuatmen und die Brust vor Empörung weit werden zu lassen!
Tief ausgereifte Stimmen
Und wie so oft, liegen Tragik, Drama und Komik nahe beieinander. Der Vater von Donna Anna stirbt und rächt sich aus dem Jenseits, Kim Sungwhan beeindruckt sehr in dieser Rolle, wie auch als Masetto, dem gehörntem Ehemann von Zerlina. Beeindruckend bei allen, wie sie so jung auf der Bühne stehen und bereits über so tief ausgereifte Stimmen verfügen!
Witzig und komisch kommen all die Verwechslungsgeschichten in der Dunkelheit und bei Mondenschein daher und sehr dramatisch das Ende, in dem Don Giovanni zur Reue aufgefordert wird und diese verweigert. Dann also soll ihn der Erdboden verschlingen! Ihn und alle anderen Johnnys, die so treuelos und verlogen immer noch den Erdball bevölkern! Und für das nächste Mal sollte die Carmen auf dem Spiel stehen, auch so eine ruchlose Verführerin …