
Vielleicht ist Menschenfreund genau der richtige Ausdruck, um den Dokumentarfilmer Daniel Asadi Faezi zu beschreiben. 26 Jahre jung ist der Schweinfurter, der in München einen der begehrten Studienplätze an der Filmhochschule inne hat, und doch ist er schon jetzt ein Dokumentarfilmer mit einer besonderen Gabe.
Er ist Beobchter und Zuhörer, selten Protagonist, nie übergriffiger Journalist. Einer, der die richtigen Fragen an der richtigen Stelle stellt. Einer, der weiß, wann es gar keine Frage braucht. Er geht selbst in seinem jungen Alter mit Menschen in einer Art um, dass sie sich nicht gewzungen fühlen zu erzählen, sondern willkommen und aufgehoben.
Ein Beispiel von vielen ist der Film „Hahnenkämpfer“. Darin geht es um einen polnischstämmigen Mann, der in Deutschland lebt, Kampfhähne züchtet und mit seiner Frau leidenschaftlich Tango tanzt. Der Film wurde schon vor einigen Jahren gedreht und würde er heute im Zeitalter der sozial-medialen Aufgeregtheitskultur veröffentlicht, er hätte das Potenzial für großes Gezeter unter Tierschützern. Zu Recht, natürlich, der Umgang mit den Tieren ist unsäglich, daran lässt Faezi auch keinen Zweifel.
Der Punkt ist aber nicht die Anklage, sondern die Frage, warum der Mann tut was er tut. Gespräche wechseln mit Szenen, wie der Mann seine Hähne pflegt. Dazwischen in Super-Zeitlupe Kampfszenen, aber nie so, dass sie den Fokus vom Kern des Filmes nehmen: „Er war ein superambivalenter Typ, der so auch den ganzen Film trägt“, erinnert sich Faezi an das Projekt zurück, das er 2016 nach monatelanger Recherchearbeit im Vorfeld gemeinsam mit einer Kommilitonin für das Vordiplom verwirklichte.
Ist Faezi ein Weltveränderer, ein Abenteurer? Nein, das verneint er ausdrücklich. Als sehr politisch denkender Mensch definiert er sich schon, doch will er nicht erziehen, nicht mit dem Finger auf andere deuten, sondern „Menschen zeigen, wie sie leben“. Die Zuschauer seien durchaus in der Lage, mitzudenken, ist Faezi überzeugt, der seit Jahren trotz seiner vielen Reisen vor allem in Persien, Pakistan und Indien immer wieder gerne nach Schweinfurt kommt, um im KuK oder der Disharmonie seine Filme zu zeigen und darüber zu diskutieren.
Als er 17 Jahre alt war, drehte Faezi seinen ersten Film in der Film-AG des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums und merkte dann während seines freiwilligen sozialen Jahres in Indien, dass Filmen wohl mehr ist als nur ein Hobby.
In seinem jungen Alter hat Faezi, dessen Vater aus dem Iran stammt und als Ingenieur bei ZF in Schweinfurt arbeitet, mehr erlebt als manch anderer, der Jahrzehnte nicht aus seinem Dorf rauskommt. In Indien begleitete er mehrere Monate lang Familien, die mit ihren Kindern auf Mülldeponien leben. Er war immer wieder stundenlang vor Ort, mitten im Müll, Gestank, verrotenden Schweinekadavern. „Damals hat mich die Durchschlagskraft des Dokumentarfilms so richtig getroffen“, erzählte er später einmal.
Schon in diesem Film und später auch in den wunderbaren „Kids of Teheran“, „Approching Truck Driver“ und „Arefi, der Hirte“ ist seine grundsätzliche Herangehensweise deutlich erkennbar. Manchmal ist das reine Abbilden der Realität Mahnmal genug, man braucht keine Hau-Drauf-Szenen. Diese angenehme Zurückhaltung als Regisseur hat er beibehalten, sie tut allen seinen bisher zwölf Filmen gut. Der Mensch inmitten seiner Umwelt, der Mensch und das, was ihm Identität verschafft, ist das große Thema des Filmemachers. Er sei kein Abenteurer versichert er immer, wenn man ihn darauf anspricht, ob die Reisen nach Pakistan ins Grenzgebiet nach Indien oder in den Iran nicht gefährlich seien. Doch Mut gehört schon dazu, sich dort zu bewegen und auf die Menschen zuzugehen. Faezi ging, nachdem er aus Indien zurückkam, nach Teheran in eine Sprachschule und studierte zuletzt zwei Semester im pakistanischen Lahore, wo sein erster längerer Film über 50 Minuten entstand, der die Entwurzelung von 3000 Menschen nach einer Flutkatastrophe in einem kleinen Tal an der chinesisch-pakistanischen Grenze zeigt.
„The Absence of Apricots“, das Fehlen der Aprikosen, deutet auch den weiteren vielversprechenden Weg Faezis an, für den der Begriff des Dokumentarfilms ein sehr weiter ist. Der Film ist eine überaus gelungene Verwebung eines Märchens mit einem Dokumentarfilm. Als vor acht Jahren ein Erdrutsch im Hunsa-Tal am Hindukusch auf 2500 Meter Höhe den Fluss blockierte, staute sich dieser zu einem 30 Kilometer langen See. Das Dorf am Fluss versank langsam in den FLuten, die Aprikosen-Plantagen, die die Menschen wohlhabend werden ließen, sind kaputt.
Die Menschen in dem Tal sprechen eine eigene Sprache, die nur 50 000 Menschen weltweit können. Sie glauben, sie stammen von Soldaten Alexander des Großen ab, der einstmals durch das Tal zog. Ihre Geschichtenkultur geht verloren, ihre Mythen, ihre Märchen, ihre Identität. Mit seinem Film schafft Faezi einen Neo-Mythos, sein aus Fragmenten vieler alter Erzählungen neu geschaffenes Märchen wird mit dem täglichen Kampf der Menschen vor Ort verwoben, die trotz allem Hoffnung haben.
Bei der Suche nach Identität nimmt sich Daniel Asadi Faezi ausdrücklich selbst nicht aus. Die eigene Identität zu erkunden, ist das große autobiografische Projekt seines Abschlussfilms in Kinolänge an der Filmhochschule, der Ende 2020 fertig sein soll. Der Menschenfreund auf der Suche nach sich selbst. Unbedingt anschauen, so viel ist jetzt schon klar.






