"Ich muss nur mal kurz die Welt retten", sang Tim Bendzko 2011 – und war mit diesem Anspruch seiner Zeit weit voraus, noch vor "Fridays for Future" und FFP2-Maske im Supermarkt. "Weltretter" nennt sich der Schülerwettbewerb von "Zeit Leo", dem Kindermagazin der Hamburger Wochenzeitung: Gesucht wird eine Idee, die die Welt ein wenig verbessern könnte, trotz oder gerade wegen der Corona-Krisenstimmung. Es geht dabei laut Jury gar nicht um den großen Wurf: Die nächste Generation ist aufgefordert, ihre eigene Gemeinde oder Stadt und das nähere Umfeld aufzupeppen. Bereits 1,50 Meter können heutzutage schon einen gewaltigen Unterschied bedeuten, als Mindestabstand gegenüber potentiellen Viren-Spreadern. Entsprechend hat sich die fünfte Klasse der Mittelschule Dittelbrunn an einen Tisch gesetzt, mit ihrem Lehrer Christian Riel - und beschlossen, einen "Abstandshalter" zu entwickeln, für den Pausenhof.
Die Grund- und Mittelschule bringt einige Erfahrung mit: Konrektorin Daniela Behr hat mit ihren Klassen schon früher an Weltretter-Wettbewerben teilgenommen: 2018 etwa ging es um einen "Anti-Blubb-Assistenten", eine Badekappe mit Sensor plus aufblasbaren Schwimmreif, zum Schutz vor Ertrinken.
"Piepsen, Blinken, Aufmerksamkeit, cool aussehen", darum drehte sich die Ideensammlung von insgesamt 29 Schülern der Mittelschule am Sonnenteller. Das Brainstorming wurde als "Konzeptpapier" mit Bild festgehalten. Vorgeschlagen wurden Desinfektionsmittel sprühende Blumen, sprechende Ohringe oder ein Musikpullover, der bei drohender Kollision mit den Corona-Regeln coole Rhythmen von sich gibt. Etwas nachdrücklicher hätte das sogenannte "Glühwürmchen" gewarnt, als Armband, mit Farbskala oder leichtem Stromschlag. Auch Namen wurden für den Sensor erfunden, von Steve bis Coroni. Am Ende setzte sich das Prinzip Gürtel durch, als A.C.A.M. . – "Anti-Corona-Abstands-Messer".
Wie in der großen Politik gilt auch hier: Ideen klingen oft gut, funktionieren müssen sie in der Praxis aber auch noch. Ende letzten Jahres wollten die Nachwuchs-Tüftler die "Wissenswerkstatt Schweinfurt" besuchen, als Kooperationspartner der Schulen, wenn es um Ferienspaß- und Technik-Projekte geht. Am Martin-Luther-Platz in Schweinfurt sollte die Idee ganz analog Gestalt annehmen. Daraus wurde bekanntlich nichts, bedingt durch den Lockdown. Auch der Anmeldeschluss wurde mittlerweile nach hinten verlegt, auf den 5. Februar, das Bewerbungsvideo kann bis zum 21. März eingereicht werden. Nun durften die Schüler gleich doppelt trainieren für die Technikwelt von morgen: Das Treffen fand digital an zwei Tagen statt, per Videotelefon-Konferenz.
"Wie bei einer Fledermaus"
Die Experten Markus Dietz und Kevin Fischer vom Verein "Wissenswerkstatt e.V.", der vor allem von der Schweinfurter Industrie gesponsert wird, übernahmen die Umsetzung der Idee, auf der Suche nach den IngenieurInnen von morgen. Es geht um das elektronische Innenleben der Gürtelschnalle, das per "Tinkercad" entworfen wurde, einem Online-Programm, mit dem sich Gerätschaften als 3D-Modell konstruieren lassen.
Grundlage der Erfindung soll ein schultauglicher Minicomputer Marke Callliope werden. Der Mikrocontroller lässt sich "spielerisch" für viele Anwendungsbereiche programmieren. Per Ultraschall soll der Abstand auf dem Schulhof gemessen und vom Prozessor berechnet werden: "Wie bei einer Fledermaus", sagt Vize-Werkstattsleiter Dietz. Kommen sich die Träger des Corona-Gürtels zu nahe, ertönt ein akkustisches Warnsignal. Das Prinzip "Fledermaussonar" fällt natürlich schon ein wenig in die Kategorie "Ironie der Geschichte". Schließlich stehen die gut orientierten, aber flatterhaften Nachtschwärmer im Verdacht, die Pandemie ausgelöst zu haben. Das Endprodukt, die Anti-Corona-Ultraschall-Schnalle, soll dann in 3D-Druckern entstehen, nebenan im Gang. Momentan sind allerdings alle Düsen im Einsatz, um aus versprühtem Kunststoff die unterschiedlichsten Plaste-Objekte zu formen, im Auftrag weiterer Schulen.
Warum die Wissenswerkstatt gerade jetzt boomt
Gerade im Lockdown- und Home-Schooling-Modus boomt die Wissenswerkstatt: "Wir haben jetzt zwei Videokonferenzen am Tag", sagt Markus Dietz. Technische Bauteile werden per Post an die Schüler geschickt, zwecks Zusammenbau, mit Dimensionen fast schon wie beim Versandhandel. 100 bis 150 Pakete gehen derzeit über die Tische, in der Woche: das Reich von Werkstatt-Mitarbeiter Axel Weisenberger. "Ursprünglich wollten wir einen Lego-Roboter als Abstandsmesser bauen", sagt Dietz, "aber wegen Corona kam das nicht zustanden."
Dabei sein und mitmachen ist alles, auch online, vor allem das Zusammenspiel im Team: Diese Botschaft ist Christian Riel wichtig. Nun wird das Bewerbervideo für den Wettbewerb erstellt: "Eigentlich sollte die Preisverleihung in Berlin stattfinden. Wenn es klappt, kommt die Jury zu uns an die Schule."
Ich weiß jetzt schon was dagegen spricht.
Ihr könnt stolz auf Euch sein!
Mit Beginn der beiden Lockdowns hat sich über dem Land eine Art Lethargie ausgebreitet. Dass es auch anders geht: diesen Beweis habt Ihr erbracht. Weiter so!