Autor Dieter Bednarz hat sich für seine Lesung in der Grafenrheinfelder Bibliothek umgezogen, trägt jetzt einen dunklen Anzug mit Hemd und hat einen Duft aufgelegt, seine Zuschauer begrüßt er per Handschlag. "Das gehört sich so" wird er später sagen, es zeugt von Achtung und Respekt gegenüber der Leserschaft.
Aktuell auf Lesereise unterwegs hat er bereits mehrfach in Schweinfurt aus seinem neusten Buch "Zu jung für alt" gelesen, in Grafenrheinfeld hat sich Bibliotheksleiterin Anna Scharf den Roman "Schwer erleuchtet" aus dem Jahr 2017 gewünscht. Das passt, denn schließlich sollen die "Lese-Events" Spaß machen und die heitere "Culture-Clash"-Geschichte über den buddhistischen Mönch Siri hat das Potenzial dazu.
Bednarz vermischt das wahre Leben - von seiner Frau Esther und sich nämlich - mit dem, wie es sein könnte. Das Mantra des orangegewandeten Mönchs "Frieden einatmen, Liebe ausatmen" durchdringt ein gros der 400 Seiten und funktioniert auch im Umkehrschluss. Die im Buch wie im echten Leben im Urlaubsfeeling lapidar dahingesagte Einladung "Mein Haus ist ihr Haus" wird zu einem Karma-Bumerang, der ein ganzes Hamburger Viertel erleuchtet und das Leben der Menschen dort erst auf den Kopf und dann die richtigen Füße stellt; fröhlich und lebensbejahend, vielleicht ein wenig überzogen, aber nie despektierlich.
Würde, Achtung und Respekt sind Grundprinzipien seiner Arbeit als gradliniger, kritischer Journalist und Buchautor. 35 Jahre und zehn Monate stellte Redakteur Dieter Bednarz als Nahost-Experte Machthabern wie Assad und Ahmadinedschad für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die unbequemen Fragen, immer akribisch recherchiert und exzellent vorbereitet. Das hält er auch in seinen Romanen so.
Für "Schwer erleuchtet" begibt er sich in das buddhistische Waldkloster Muttodaya im Frankenwald und spricht dort mit Remo Beyerlein, Klostermitbegründer und Verleger für buddhistische Literatur. Ein Fachmann, für dessen Erwähnung im Nachwort Bednarz "fast schmerzlich" am Text feilen, das "Überdrehte runterschrauben" muss. Der Plot soll seriös bleiben, Bednarz will seine Romanfiguren nicht bloßstellen, für den Unterhaltungswert wird manches zwar zugespitzt, bleibt aber doch im Kern ganz wahr.
In einem anderen Leben wäre Bednarz gerne Schauspieler geworden, wie er der Leserschar verrät, das merkt man. Statt schnöde hingelümmelt am Tisch zu lesen, unterhält er sich bestens mit dem Publikum, will "Freude machen", wie es Mönch Siri ausdrücken würde. Die Schauspielausbildung wagt er letztendlich nicht und hat dann viele Jahre später in seinen vom ZDF verfilmten autobiografischen "Wickelfront"-Romanen einen Cameo-Auftritt. Manchmal ist das Leben eben doch besser, als jede Geschichte und Bednarz der einzige Spiegelredakteur, wie er auf seiner Homepage witzelt, dessen Leben gleich zweimal verfilmt wurde.
"Das Leben kommt, wie es kommt", es gibt keine blinden Zufälle, da ist Bednarz ganz bei dem buddhistischen Mönch. Die Begegnung mit ihm im November 2002, der Besuch in Hamburg, der lose Kontakt und ein letztes Treffen 2014 in Balapitiya haben etwas in ihm ausgelöst. Karma hin oder her: Vermutlich wäre Bednarz ohne die Begegnung heute ein anderer Mensch, ganz sicher aber nicht mit diesem Buch zu Gast. Die Veröffentlichung von "Schwer erleuchtet" hat der Mönch übrigens nicht mehr erlebt, 2016 ist Siri Sudhamma Thera im Alter von 80 Jahren gestorben.