Trotz der Eiseskälte draußen waren alle Plätze in der Buchhandlung Vogel besetzt, als der in Schweinfurt wohlbekannte Autor Klaus Gasseleder Kostproben aus seiner Neuerscheinung, dem „Besten aus 30 Jahren Poetisierens im unterfränkischen Dialekt“ las. Verschmitzt und launig grub er Vergangenes aus, hier eine Glosse, da ein Vierzeiler, dort ein längerer Text. Die eigentliche Neuigkeit war jedoch Gasseleders Entschluss, fortan nichts Mundartliches mehr zu veröffentlichen. Er, der doch gerade wegen seiner witzigen, scharf- und hintersinnigen unterfränkischen Texte immer gern gehört und gelesen wird, verabschiedet sich aus der Dialekt-Ecke. Warum?
Eine Antwort gab Gasseleder an dem Abend mit Auszügen aus seiner vor zehn Jahren entstandenen Geschichte „Falsche Freunde“. Auf den ersten Blick sind es die autobiographischen Spuren des Autors, die eine schnelle Nähe zum Leser herstellen. Dem (fiktiven) Dichter Rudi Kupfer soll in seiner Heimatstadt der Rückert-Preis verliehen werden. Beim genauen Hinhören geht es aber schnell um die Selbst- und Fremdeinschätzung eines Autors und die Frage, ob die Rolle, in die er sich hineinschreibt, etwas mit seinem Leben zu tun hat. Ist es das, was wirklich tief in ihm steckt oder sind es eher Projektionen: „Da sagt anner, was alle denken“? Er will keinen Beifall von „falschen Freunden“, er entzieht sich durch Wegzug.
Wanderer zwischen den Ahnen
Klaus Gasseleder schreibt nicht mehr in Mundart. Sein markantes Gesicht, gekrönt von grauen Wuschellocken und gefasst von einem Rauschebart, erzählt aus seinem Leben. Ein Wanderer zwischen den Ethnien von Geburt durch Ahnen aus Bosnien, Italien, Österreich, ein Wanderer zwischen den Regionen von Schweinfurt nach Freiburg und Bremen und wieder zurück nach Franken. Gasseleder scheint prädestiniert dafür zu sein, sich über den Heimatbegriff Gedanken zu machen und diese in mundartliche Worte zu fassen. Doch er zitiert Gertrude Stein. „Wozu sind Wurzeln gut, wenn man sie nicht mitnehmen kann?“ Der Begriff Heimat, wie er zunehmend verwendet wird, ist nicht mehr der seine. Die Zeit der Protestlieder der 1980er Jahre in Mundart sind für ihn vorbei, auch die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit hat nachgelassen. „Dandaradei“, in Anlehnung an den Gesang der Nachtigall, wie ihn Walther von der Vogelweide in seinem Lied „under der linden“ erklingen lässt, schwingt in allen Texten Gasseleders in seinem jüngsten Band mit: die lautmalerische Umschreibung eines Sehnsuchtsortes.
Doch an diesem Abend gab es noch einmal viel Mundart. Gasseleder spürte der „fränkgischsden“ Familie nach, machte sich Gedanken über die „Idendidääd“. Und ja, eine Reminiszenz an den anderen Dichter dieser Stadt durfte nicht fehlen. „Rüggäd-Jubiläum_Dä zwähunnäddsde Gebordsdaoch“. Ein besonderes Extra enthält die Neuerscheinung. Sämtliche Texte hat der Autor auf der beiliegenden CD auf Anregung von Andreas Sirlinger vom Aufnahmestudio Baff-Records in Sulzheim eingelesen.
Klaus Gasseleder „Dandaradei“ ist im örtlichen Buchhandel erhältlich, ISBN 978-3-947335-00-8