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SCHWEINFURT/WERNFELD
Die Zimmererin ist die Attraktion auf dem Bau
Die Zimmererin ist die Attraktion auf dem Bau       -  Voller Einsatz: Lisa Breitenbach hämmert Nägel in den Dachstuhl.
Foto: Nicolas Bettinger | Voller Einsatz: Lisa Breitenbach hämmert Nägel in den Dachstuhl.
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:54 Uhr

Auf der Baustelle im Schweinfurter Stadtteil Bergl gibt es eine Attraktion. Die Schaulustigen, die regelmäßig mit staunenden Augen auf die Dachstühle blicken, interessieren sich nicht für den großen gelben Kran, vielmehr sind sie auf die einzige Zimmererin weit und breit aufmerksam geworden. „Ach wenn die Leute gucken, stört mich das eigentlich nicht“, sagt Lisa Breitenbach. Die 20-Jährige hatte nach der Schule keine Lust auf einen Bürojob und entschied sich für etwas Handwerkliches. Nun ist sie ausgelernte Gesellin.

Dass Frauen in solchen handwerklichen Berufen selten sind, weiß die Zimmererin aus Wernfeld, Landkreis Main-Spessart. „Viele haben gemeint, dass ich das eh nicht schaffen werde“, sagt sie. Gerade das hätte sie motiviert, weiterzumachen. Die junge Frau ist zierlich aber durchtrainiert. „Die meisten können sich nicht vorstellen, dass ich genauso viel Kraft habe, wie meine Kollegen“, so Breitenbach. Bevor sie die Ausbildung anfing, machte sie Praktika beim Steinmetz, im Kindergarten, beim Floristen und beim Designer. „Ich hatte mit einer Note von 1,1 im Realschulabschluss relativ viele Möglichkeiten“.

„Keiner wollte mich“

Am meisten reizte sie dann aber der Beruf des Zimmerers. Trotz guter Voraussetzungen war es allerdings schwer für die 20-Jährige einen Betrieb zu finden. „Ich habe 26 Bewerbungen geschrieben, aber keiner wollte mich“, so Breitenbach. Demnach hätten sie die meisten Betriebe als zu schwach eingeschätzt. Zimmerer Johann Berthold aus Gemünden war der einzige, der der jungen Frau eine Chance gab. „Jeder hatte mir abgeraten, aber ich bin sehr zufrieden mit ihr“, sagt der Chef und ruft seiner Mitarbeiterin hinterher: „Nur manchmal ist sie etwas zickig“. Ein lautes Gelächter hallt über die Baustelle.

Zehn Kilo Muskeln in einem Jahr

Laut Berthold hätten sich die Kollegen zunächst etwas mehr zurückgenommen. „Als sie zu uns kam, wurde es ein wenig ruhiger“, erinnert er sich. Als man sich dann aber besser kannte, wäre auch der übliche raue Umgangston zurückgekehrt, erzählt Berthold. Mann oder Frau spielt hier keine Rolle. Von Fähigkeiten der jungen Dame sei der Chef ohnehin längst überzeugt.

Die Zimmererin ist die Attraktion auf dem Bau       -  Von wegen Männerjob: Die 20-jährige Zimmererin verstehst sich gut mit ihren männlichen Kollegen und kann selber anpacken.
Foto: Nicolas Bettinger | Von wegen Männerjob: Die 20-jährige Zimmererin verstehst sich gut mit ihren männlichen Kollegen und kann selber anpacken.

„Sie kann richtig anpacken“, sagt der 62-Jährige über Lisa Breitenbach. Innerhalb eines Jahres hätte sie zehn Kilogramm Muskelmasse zugelegt. Vor allem aber seien auch ihre mathematischen Kenntnisse wertvoll. „Bei uns ist geometrisches Denken sehr wichtig, da kann sie punkten“, so Berthold. Sie selbst hat Spaß an der Arbeit und mag die anstrengenden Tätigkeiten. Heute arbeitet sie an den hölzernen Dachstühlen, hämmert Nägel und tackert Dachplanen fest. Dabei bewegt sie sich auf dem Dach, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. „Bei solchen Bewegungen und Schritten hätte ich mir längst alles gebrochen“, sagt Chef Johann Berthold anerkennend.

Gegen die Vorurteile

„Manchmal muss ich mir schon dumme Sprüche anhören“, sagt Breitenbach. Nicht selten würden Männer nach ihrer Handynummer fragen oder sie belächeln. Viel schlimmer findet es die junge Frau aber, wenn ihr Dinge nicht zugetraut werden. „Viele Männer wollen einfach nicht glauben, dass ich ausgebildet bin und es besser kann als Menschen ohne Vorbildung“, so die 20-Jährige. In Unterfranken wären laut Breitenbach jährlich nur zwei bis drei Frauen unter den Auszubildenden. Da gehöre sie natürlich zu den absoluten Ausnahmen. „Die Jungs haben sich aber gefreut“, sagt sie lächelnd.

Auf der Baustelle in Bergl arbeitet sie mit ihren Kollegen seit einiger Zeit an zahlreichen Häusern. Der Auftrag der Bauherren Mario Söllner und Gunnar Hiller erstreckt sich über viele Bauobjekte, bei denen Dachstühle angebracht und Dächer gedeckt werden müssen. Für Lisa Breitenbach endet die Arbeit auf dem Bau aber in ein paar Monaten. Dann wird sie ihren Meister machen. „Wenn ich das habe, kann ich selber ausbilden und vielleicht mal einen Betrieb gründen“, sagt die ehrgeizige Frau. Vielleicht muss sie das aber gar nicht. Ihr Chef hat nämlich ganz andere Pläne mit ihr. „Die kommt schon wieder zurück und vielleicht kann sie ja mal meine Nachfolgerin werden“, so Berthold.

 
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Kommentare
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  • Hery.Mennig@web.de
    Ich finde es klasse, wenn Frauen Männerberufe ausüben. Besonders im Handwerk. Aber egal ob Mann oder Frau: Es sollten viel mehr Menschen ein Handwerk lernen. Jeder will nach dem ABI nur studieren. Bei sehr vielen halte ich das für eine falsche Entscheidung. In den sechziger Jahren warb das Handwerk mit dem Slogan "Handwerk hat goldenen Boden". Das gilt heute wieder. Es gibt einfach zu wenige, die einen handwerklichen Beruf erlernen wollen. Irgendwann kann man einen Handwerker wahrscheinlich nicht mehr bezahlen. Aber zur Überschrift mal eine Frage: Zimmerer ist doch eine männliche Bezeichnung. Kommt noch aus alten Zeiten. Wäre es nicht korrekter einfach Zimmerin zu schreiben. Was sagt der Duden darüber? (Hab grad keinen aktuellen Duden zur Hand)
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  • petergraeb@t-online.de
    Super !!!!!!
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  • jus
    10 Kg Muskeln in einem Jahr - als Frau.
    Dafür würde jeder Profi Bodybuilder sein letztes Hemd geben zwinkern
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  • Braun_Matthias@hotmail.com
    Und wenn die gute Frau 1,65 groß und 90 Kg schwer wäre gäbe es vermutlich keinen ausführlichen Bericht mit Bild. Es gibt tausende von Frauen in typischen Männerberufen. Das ist eine sehr sehr gute Entwicklung. Schlecht ist, dass in vielen Branchen Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Ich wünsche mir noch mehr Frauen in traditionellen Männerberufen und umgekehrt bei absolut gleicher Anerkennung und Bezahlung.
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  • chrihand
    Erinnert mich an eine Schreinerin. Die wollte kein Betrieb nach ihrer Gesellenprüfung haben. Nun hat ist sie Meisterin, hat ihren eigenen Betrieb und hat allen anderen die Aufträge weggeschnappt. Weil sie besser ist....
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