In den Morgenstunden beim Zwitschern der ersten Vögel, wenn sich die meisten noch einmal im Bett umdrehten, war sie schon mit dem Fahrrad unterwegs und auf den Beinen. Bei Wind, Regen, Schnee, Eis und in der Dunkelheit brachte Johanna Gernert unseren Abonnenten die Zeitung ins Haus. Fast 37 Jahre lange Jahre war sie in Frankenwinheim die Zuverlässigkeit in Person.
Wenn die Leserinnen und Leser morgens ihre Zeitung zum Frühstück ins Haus holten, hatte sie schon ihre Arbeit getan. Erst mit 77 Jahren stellte sie jetzt Anfang Februar Fahrrad und Zeitungstasche ins Eck, um als Zustellerin der Main-Post und zuletzt auch als Briefträgerin der Main-Post-Logistik-Tochter „in Rente“ zu gehen
Fünf Kinder hat Johanna Gernert zur Welt gebracht. Die große Familie konnte damals jede Mark und jeden Pfennig gebrauchen. Aber wie und wo mit so vielen Kindern eine Arbeit finden, das war schwierig und die große Frage. Da kam ihr der ihr angebotene Job als Zeitungsausträgerin gerade recht. Der ließ sich mit Unterstützung ihres Mannes Georg gut in der „familienfreien“ Zeit bewältigen. Die Kinder waren inzwischen aus dem Gröbsten heraus. Sabine, die Jüngste, war inzwischen fünf Jahre alt.
„Du machst das, du bist zuverlässig.“
„Du machst das, Du bist zuverlässig“, hatte ihr Vorgänger Josef Heigele, der die Agentur zuvor zusammen mit seiner Frau Gunda betreute, kurz und bündig zu der damals 41-Jährigen gesagt. Und sie hatte sich gedacht: „Das probiere ich einfach mal.“ Damit war die Übergabe zum Mai 1981 beschlossene Sache.
Am 2. Mai 1981 hat Johanna Gernert angefangen. Es war ein Samstag, der in jenem Jahr auf den Feiertag am 1. Mai folgte. Auf den ersten Touren ist Josef Heigele noch mitgegangen, um sie einzuweisen und ihr vor allem die Standorte der Briefkästen und Zeitungsrohre zu zeigen.
Dann war sie endgültig alleine unterwegs, wenn in aller Herrgottsfrühe zwischen 4 und Halbfünf der Zeitungsfahrer das Paket vorbeibrachte, teils noch mit dem Motorrad, wie sich Johanna Gernert an ihre Anfangszeit erinnern kann. Zu dieser Zeit war es auch keine Seltenheit, dass der Zeitungskurier auf seiner Tour auch schon mal im Wohnzimmer saß, um sich aufzuwärmen. Aber ein volles Haus war sie ja gewohnt.
Mit Georg Heck das Dorf geteilt
Anfangs teilten sich Johanna Gernert und Georg Heck noch die Zeitungszustellung der Main-Post und auch der Gerolzhöfer Lokalzeitung „Der Steigerwald-Bote“ in Frankenwinheim. Die „Hanni“ versorgte die Siedlung zwischen der Straße nach Krautheim und der Lülsfelder Straße vom Rimbacher Weg bis zur Johann-Laufer-Straße, der „Hecker Schorsch“ über 40 Jahre lang, lange zusammen mit seiner Schwester Hilde, das restliche Dorf. Als dieser aufhörte, war sie für die ganze Ortschaft zuständig.
„Eine schöne Tour“ wie sie noch heute sagt mit bis zu 170 Exemplaren in den Spitzenzeiten. Die sind natürlich auf einmal viel zu sperrig und haben auch ein ordentliches Gewicht. So war das Fahrrad oft schwer mit den in Fahrradkorb, Seitentaschen und weiteren Taschen am Lenker verteilten Zeitungen bepackt. Das hat sie dann bis zur nächsten Anlaufstelle geschoben und irgendwo angelehnt, um die nächsten Zeitungen auszuteilen.
Einmal war das Gewicht des voll bepackten Fahrrads so schwer, dass sich die Reifen im pappnassen Schnee nicht mehr drehten und sie nicht mehr weiter kam. Mit Hilfe ihres herbeigeholten Sohns Stefan ging es mit vereinten Kräften weiter, erinnert sie sich.
Zeitweise hatte zuvor auch schon ihr Mann die schweren Taschen mit den Zeitungen übers Gebiet verteilt und an bestimmten Stellen deponiert. Dies vor allem wenn der Zeitung viele Prospekte beigelegt waren.
Als noch das Zeitungsgeld kassiert wurde
Ganz am Anfang hatte sie auch noch das Zeitungsgeld zu kassieren, als der Bankeinzug eher die Ausnahme war. „Das war manchmal eine schöne Rennerei“, erinnert sie sich. Viele hätten aber jedes Mal schon gewartet und sich darauf gefreut, dass sie auf ein Pläuschchen zum Kassieren vorbeikam.
Nach getaner Arbeit freute sie sich am Freitag jedes Mal auf ihr „halbes Wochenende“, wie sie es bezeichnet. Denn am Samstag kam die Zeitung gewöhnlich später, so dass auch sie etwas länger schlafen konnte. Am Sonntag hatte auch sie dann endlich frei.
Vor rund zehn Jahren hat sie dann die Verteilung im übrigen Dorf wieder abgegeben, um sich wie zuvor wieder ganz auf die Siedlung zu beschränken. Dadurch, dass die Briefverteilung dazu gekommen und sie auch nicht jünger geworden war, sei ihr irgendwann alles zu viel geworden.
Nur selten wegen Krankheit ausgefallen
Wegen Krankheit ist Johanna Gernert in der langen Zeit nur selten ausgefallen. Nach 20 Jahren war es das erste Mal der Fall. Sie machte auch so gut wie keinen Urlaub.
Probleme beim Austragen hat es wenig gegeben, so Johanna Gernert. Wenn sie dann doch einmal aus Versehen irgendwo im Dorf vergessen hatte, die Zeitung einzuwerfen, hat sie das fehlende Exemplar umgehend aus ihrem eigenen Kontingent nachgeliefert. Damals riefen die Abonnenten noch direkt beim persönlich bekannten Zusteller im Ort an, wenn sie keine Zeitung bekommen hatten.
Unvergessene Ausflüge
Zu jener Zeit gab es auch noch die regelmäßigen Zusammenkünfte und Ausflüge der Zusteller. Als besonders schön empfand Johanna Gernert dabei den Austausch untereinander. Unvergesslich ist ihr vor allem der Ausflug, der die Main-Post-Zusteller mit insgesamt sechs Bussen kurz vor dem Mauerfall nach Ostheim in die Rhön geführt hatte.
Roland Kuhn, der aktuell zuständige Gebietsleiter der Main-ZustellService GmbH, kann übrigens bestätigen, dass es in der Zeit, in der Johanna Gernert ihren Bezirk in Frankenwinheim ausgetragen hat, nie Beschwerden und Reklamationen gegeben hat. Alles habe immer sehr gut geklappt.
Und wenn man Johanna Gernert so anschaut, muss man feststellen, Familie und Zeitung haben sie jung gehalten.