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GEROLZHOFEN
Die Zeit der „Häckerschmatzer“ ist vorbei
Werner Ach ist mit seinen sieben Rebzeilen einer der letzten Hobbywinzer am Arlesgarten. Bisher ist es ihm nicht gelungen, einen Nachfolger für seinen kleinen Weinberg zu finden.
Foto: Norbert Finster | Werner Ach ist mit seinen sieben Rebzeilen einer der letzten Hobbywinzer am Arlesgarten. Bisher ist es ihm nicht gelungen, einen Nachfolger für seinen kleinen Weinberg zu finden.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:15 Uhr

Der Arlesgarten ist zweifellos eines der landschaftlich schönsten Stückchen Erde in der Gerolzhöfer Gemarkung. Das liegt wohl an dem reizvollen Wechsel zwischen gepflegten Weinbergen, alten Bäumen und total verbuschten Hangflächen, die sich die Natur zurückgeholt hat. Viele Vogelarten, auch Greife, und rar gewordene Pflanzen sind dort zu Hause.

Jahrhunderte alt ist die Gerolzhöfer Weinbergslage Arlesgarten, zu der übrigens auch die Weinberge am Kapellberg und am Fuß der Waldesruh gehören. Früher, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, waren auf den Hängen, die sich zur Weidach neigen, fast ausschließlich Weinberge. Doch in den letzten Jahrzehnten sind es immer weniger geworden. Wenn es so weiter geht, droht die ganze Lage zu veröden.

Sieben Rebzeilen

Werner Ach ist einer der letzten Hobbywinzer im Arlesgarten. Sieben Rebzeilen nennt er sein Eigen, auf denen ausschließlich Müller-Thurgau gedeiht. Seit 1978 ist er Jahr für Jahr draußen im Südwesten der Stadt auf der kleinen Parzelle zugange, die seine Frau Elfriede als Ödland geerbt hatte. Er kann also mitreden über die immensen Veränderungen im Weinbau, die die Lage Arlesgarten als immer weniger attraktiv erscheinen lassen.

Die alten Weinberge dort haben nur einen Abstand von 1,60 Metern zwischen den Rebzeilen. Da kommt keine der Maschinen durch, mit denen viele heutige Winzer spritzen, fräsen und ernten. So müssen die Winzer im Arlesgarten immer noch fast alles von Hand machen. Einige wenige Parzellen haben große, professionelle Weinbaubetriebe gekauft oder gepachtet. Sie haben die Abstände der Rebzeilen teilweise auf 2,20 Meter verbreitert. Doch das ist die Ausnahme. Und es verändert das idyllische Bild.

Verändertes Konsumverhalten

Wenn der handgemachte Wein des Hobbywinzers ausgebaut ist, dann stellt sich die Frage nach der Vermarktung. „Auch das Konsumverhalten hat sich beim Wein verändert. Der Kunde, der zum Winzer geht, stirbt langsam aus“, sagt Werner Ach aus eigener Erfahrung. Wenn jemand Wein wolle, gehe er schnell mal in den Supermarkt. Dazu kommt, dass die im Arlesgarten wachsenden klassischen Sorten Müller-Thurgau, Silvaner und Bacchus bei den Weißen und Regent als Rotwein nicht mehr so gefragt sind wie neue Sorten mit wohlklingenderen Namen.

Auch wenn dauernd neue Sorten auf den Markt drängen, für Werner Ach war früher die Geschmacksvielfalt größer. „Jeder hat seinen eigenen Wein ausgebaut. Jedes Jahr und von Hof zu Hof schmeckte der Wein anders.“ Heute gehe es um den reintonigen, lange haltbaren Wein. Die Weine, die auf den Markt kommen sollen, werden nach einer Analyse im Weinlabor zur Sinnenprüfung bei der Regierung von Unterfranken vorgestellt. Findet er dort Gefallen, bekommt er eine Qualitätsweinnummer. „Dadurch werden die Weine immer uniformer“, meint Werner Ach.

Viel Winzer-Bürokratie

Auch die vielen Bestimmungen und Verordnungen für kleine Winzer wirken zudem nicht gerade motivierend, einen kleinen Weinberg zu bewirtschaften. Nach Erlangen der Pflanzgenehmigung, die Werner Ach seit 1978 hat, ist da zunächst der Sachkundenachweis für das Verwenden von Spritzmitteln, den ein Winzer alle drei Jahre erbringen muss. Wenn Werner Ach zum Beispiel ein Fungizid kaufen will, muss er seinen Sachkunde-Ausweis dabei haben. Bei den Weinflaschen kommt das Eichamt und prüft, ob da wirklich genau 1000 Milliliter reingehen. Sämtliche Geräte, die der Winzer verwendet, müssen regelmäßig zum TÜV. All das ist natürlich mit Kosten verbunden.

Weinberg kostet viel Zeit

„Auch deshalb macht die Jugend das nicht mehr weiter“, sagt der Kleinwinzer. Und unabhängig von aller Bürokratie gilt auch heute noch der Satz, dass der Weinberg jeden Tag seinen Herrn sehen will. Im Sommer Urlaub zu machen, geht für einen Winzer nicht, auch das ein Grund für die Jungen, dieses Hobby nicht anzunehmen.

Aber das Weinjahr hat auch seine schönen Seiten. Zum Beispiel die Lese mit der Hand. Viele Freunde helfen hier schon seit Jahrzehnten und freuen sich nach getaner Arbeit auf die Lesefeier, die sich in gemütlicher Runde oft bis tief in die Nacht hinzieht.

Trotzdem denkt auch Werner Ach so langsam ans Aufhören. Schließlich ist er 74. Seit Jahren schon sucht er jemanden, der weitermacht. Bisher ohne Erfolg. Wenn wirklich niemand seinen 1500 Quadratmeter großen Weinberg übernehmen sollte und auch Werner Ach ihn einmal nicht mehr bewirtschaften kann, dann wird er zunächst einmal zur Driesche, das heißt zu einem unbewirtschafteten Weinberg.

Driesche kann ein Weinberg aber nur zwei Jahre lang sein, dann muss er gerodet werden wegen der Gefahr, dass sich die Reblaus breit macht. „Wenn es zur Rodung käme, wäre das wirklich schade, denn die Stöcke tragen noch sehr gut“, sagt Werner Ach.

Boden hält das Wasser

Heuer hat er trotz der Trockenheit 18 Hektoliter Traubenmost bekommen. Das wiederum spricht für die Qualität des Arlesgartens als Weinbergslage. Die Frage einer künstlichen Bewässerung stellt sich hier nicht, denn der Boden hat das Wasser aus dem Frühjahr sehr lange gehalten, so dass gerade die alten Stöcke mit ihren tiefen Wurzeln immer noch einigermaßen gut versorgt waren.

Trotzdem: Die Zeit, wo die „Häckerschmatzer“ (kleine Winzer) in den Arlesgarten hinausgezogen sind, ist in den Augen von Werner Ach vorbei. Vier der 22 Parzellen in der Weinlage sind bereits unbewirtschaftet. Und nicht einmal eine Handvoll der Kleinwinzer im Arlesgarten hat die Weinberge von den Eltern übernommen.

Das Gedicht des Starenhüters

Die Natur hat sich die brach gefallenen Flächen schnell zurückgeholt. Genau diese Natur ist es aber, die Werner Ach sein Hobby immer wieder genießen lässt. „Es ist traumhaft, früh im Weinberg zu sein, umgeben von unglaublich vielen Vogelstimmen.“

In den Trümmern eines abgerissenen Weinbergshäuschens hat Werner Ach ein Stück Papier mit einem sprachlich mehr oder weniger gelungenen Gedicht über das Idyll am Arlesgarten gefunden. Geschrieben hat es ein Weinbergshüter, oft auch Starenhüter genannt, im Jahr 1961, wohl aus Langeweile.

Zurück in die Gegenwart: Ein Überleben des Arlesgartens als Weinlage kann sich Werner Ach nur vorstellen, wenn größere Winzer mehrere nebeneinander liegende Parzellen pachten oder kaufen und weiterbewirtschaften. Aber auch dann würde sich das bisher so idyllische Bild im wohl abgelegensten Winkel der Gerolzhöfer Gemarkung ändern. An einigen Stellen ist es schon zu sehen.

Ein Kontrastbild: Während ein Teil der Weinberge im Arlesgarten noch top gepflegt und bewirtschaftet sind, sind andere Wengerte längst aufgelassen und verbuscht, wie im Hintergrund zu sehen.
Foto: Norbert Finster | Ein Kontrastbild: Während ein Teil der Weinberge im Arlesgarten noch top gepflegt und bewirtschaftet sind, sind andere Wengerte längst aufgelassen und verbuscht, wie im Hintergrund zu sehen.
 
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