In den 1920er- und 30er-Jahren war Schloss Mainberg eine erste Adresse. Spitzen der deutschen Wirtschaft, der Politik, des Sports und die lokale Prominenz waren dort häufig und gern zu Gast. Ernst Sachs hatte das imposante Schloss hoch über dem Main 1915 gekauft und zu seinem persönlichen Rückzugsort, vor allem aber für Repräsentationszwecke umbauen lassen.
Der 1894 nach Schweinfurt gekommene Mechaniker hatte zu dieser Zeit eine beachtliche Karriere hinter sich. Mit der Torpedonabe hatte er die Grundlage für einen beispiellosen Reichtum geschaffen.
Die Ehe mit der Fabrikantentochter Betti Höpflinger machte Sachs wirtschaftlich unabhängig. Der Weltkrieg erwies sich wirtschaftlich keineswegs als eine Katastrophe. Die Kriegswirtschaft ließ das 1895 gegründete Unternehmen kräftig wachsen. Ernst Sachs erhielt den Titel Kommerzienrat, später den des Geheimen Kommerzienrats und stand kurz vor der Nobilitierung. Das Ende der Monarchie und die Revolution verhinderten dies.
Zu dieser Zeit wohnten die erfolgreichen Schweinfurter Unternehmer, wie die Schäfers, Höpflingers, Fries oder Sachs meist in der Nähe ihrer Fabriken. Während sich die meisten schließlich großzügige Villen, beispielsweise am Kiliansberg bauen ließen, zog es Sachs nach Mainberg. 1915 konnte er das Schloss kaufen, das 1822 in den Besitz von Wilhelm Sattler gegangen war und später als Hotel mit esoterischem Hintergrund geführt wurde.
Der aus Mainberg stammende Historiker Dr. Thomas Horling ging auf Einladung des Historischen Vereins Schweinfurt und des Förderkreises Schloss Mainberg unter dem Titel "Schloss Mainberg als Residenz der Industriellenfamilien Sachs" dieser Geschichte nach.
Geld spielte keine Rolle und so ließ Sachs dem Münchner Architekten Franz Rank bei der Umgestaltung freie Hand. Er sprach dann auch von der "schönsten Aufgabe" seines Lebens. Der Umbau, der doppelt so teuer wurde als veranschlagt, folgte den Ideen des Historismus. Jeder Raum hatte seinen eigenen Stil, seine eigene Stimmung. Während das Speisezimmer sich an der Renaissance orientierte, griffen das Herrenzimmer, die Halle oder der Rittersaal kriegerische Elemente der Zeit auf. Für den riesigen Garten waren ein Gärtner und vier Helfer zuständig. Im Keller wurden die Weine des eigenen Gutes gelagert.
Bedeutende Kunst
Die Bedeutung der künstlerischen Ausstattung, beispielsweise die beiden Friese des Würzburger Malers Matthäus Schiestl, die an die Erstürmung des Schlosses im Bauernkrieg und den Brautzug der Margarete von Henneberg erinnern, wurde, wie Horling betonte, erst in den letzten Jahren erkannt.
Gleichzeitig wurde modernste Technik installiert. Dank eines Aufzugs war das Schloss barrierefrei. Es gab Brandschutzanlagen, eine technisch richtungsweisende Heizung (die in einer Woche einen Waggon Koks verbrauchte), sogar beheizte Handtuchhalter.
Ernst Sachs war den Mainbergern eng verbunden. Die Frauen des Ortes arbeiteten im Weinberg, die Männer in der Fabrik, oft als Meister oder Obermeister. Er lud oft ins Schloss ein, spendierte dem Dorf beispielsweise eine neue Wasserleitung und sorgte für hohe Steuereinnahmen.
Großer Trauerzug
Als Sachs 1932 stirbt, wird er in ganz Deutschland als große Unternehmerpersönlichkeit gewürdigt, den Trauerzug begleiteten Zehntausende Menschen. Sie konnten, so Horling, nicht ahnen, dass dieser Tod einen entscheidenden Einbruch für Mainberg bedeuten würde. Der 36-jährige Willy Sachs, den Horling als völlig überfordert charakterisiert, übernahm das Unternehmen. Ernst Sachs hatte noch die Ehe mit der 17-jährigen Elinor von Opel eingefädelt. Sie hatte vor allem einen wirtschaftlichen Hintergrund. Aus der Ehe entstammen die beiden Kinder Ernst Wilhelm und Gunter. Sie zerbricht. Elinor zieht weg und nimmt die teuren Einbauten mit, die ihr Vater ihr zur Hochzeit geschenkt hatte.
Willy Sachs lebt sein ausschweifendes, sprunghaftes, oft derbes Leben weiter. Die Nähe zu Nazigrößen wie Göring, Himmler oder Heydrich ist ihm wichtig. Er wird Obersturmbannführer der SS und Wehrwirtschaftsführer. Nach dem Krieg internieren ihn die Amerikaner zwei Jahren lang. Die Spruchkammer stuft ihn jedoch als Mitläufer ein. Willy, dem der Vater noch den Titel eines schwedischen Konsuls beschafft hatte, kann zurück ins Unternehmen. Er zieht sich in den Aufsichtsrat zurück, lebt hauptsächlich auf dem 1912 erworbenen Gut Rechenau bei Oberaudorf.
Rückzug in die Rechenau
Den Mainbergern nimmt er übel, dass sie nach dem Krieg Teile des Schlosses geplündert haben. 1955 verkauft er das Schloss, das gerade einmal 40 Jahren im Familienbesitz war, an den windigen Haarwasserfabrikanten Wilhelm Heger.
Welche Bedeutung hat Schloss Mainberg für Bayern? Horling greift am Schluss ganz hoch. Schloss Mainberg sei eher eine bayerische Villa Hügel denn ein fränkisches Neuschwanstein.