zurück
SCHWEINFURT
„Die Stadtratsarbeit hat mir viel gebracht“
Zwölf Stadträte gehören dem Gremium ab Mai nicht mehr an. Bei Pro Schweinfurt verzichtete Frank Weber wegen seines Engagements in Südamerika und Andreas Traub ließ sich aus beruflichen Gründen hinten platzieren.
Von unserem Redaktionsmitglied Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 24.04.2008 16:21 Uhr

Mit 35 Jahren wurde Bernd Köppel 1982 als Nachrücker zum Stadtrat. Es folgten vier mal sechs weitere Rats-Jahre, wobei der Häufelkönig aus dem Westen die letzten sechs Jahre in großer Einsamkeit verbrachte. Der 61-Jährige hatte seiner Fraktion den Rücken gekehrt nach mehreren „schweren menschlichen Enttäuschungen“. Dass ein Gremium über das Schicksal eines Kurt Petzold entschieden habe, das „es in der SPD gar nicht gibt“, das sei die erste Enttäuschung in seinem Leben in der Schweinfurter Sozialdemokratie gewesen. Es sollten weitere folgen, solche, die ihn, den Oberndorfer Stimmenbringer, direkt betrafen.

Vater Max war schon ein echter Oberndorfer, Sohn Bernd auch. Er hatte sich beim TVO engagiert und war bekannt, im Stadtteil eine Figur, in der Partei aber habe er diesen Rückhalt „leider nicht“ gespürt. Trotz Zusage sei ihm ein Aufsichtsratssitz versagt, bei der Besetzung des SPD-Stuhls in der Oberndorfer Gustl-Kirchner-Stiftung sei er nicht einmal gefragt worden. Dass Fass überlaufen ließ eine Kampfabstimmung um die Nominierung zum SPD-Bürgermeister 2002. Er habe sich trotz der geringen Chancen zur Verfügung gestellt, sei dann aber wegen „falscher Darstellungen“ seiner Person durch einen führenden Genossen nicht gewählt worden. Der Enttäuschungen eine zu viel, Folge: Rückzug aus der Fraktion.

Köppel will es dabei bewenden lassen, keine schmutzige Wäsche wachen – zumal ihn, den glühenden Willy-Brandt-Anhänger und Sozialdemokraten (seit 1972), das jüngste Debakel seiner Partei „zutiefst erschrocken hat“. Die Kandidatenliste sei gar nicht schlecht gewesen, wenngleich er sich gewundert habe über Namen auf den Listen von Pro und SWL, die er sich gut auch bei der SPD hätte vorstellen können. Möglicherweise seien sie nicht mit der nötigen Konsequenz angesprochen worden, aus Angst um den Verlust des eigenes Mandats, bedauerte Köppel denkbare Egoismen. Namentlich nimmt er Peter Then aus, der sich zu Gunsten der Jugend bewusst für einen hinteren Listenplatz entschieden habe.

An Gründen für das neuerliche Schreckensergebnis zählt Köppel die offensichtlich überalterte Wählerschaft auf, die fehlende Repräsentanz durch einen MdB oder MdL oder eines SPD-Bürgermeisters. Das sei jetzt Fakt, nicht schnell zu beheben, weshalb der Blick nach vorne zu richten sei. Es müsse konsequent auf die „ja vorhandene Jugend“ gebaut und junge Wähler mit sie interessierenden Themen angesprochen werden. Er hört mit 61 Jahren auf, wenngleich ihn andere Listen haben wollten.

Das habe zum Teil mit den Enttäuschungen, mit der Gesundheit, zum großen Teil aber damit zu tun, dass „der Kampfgeist nicht mehr so da ist“. 26 Jahre Stadtrat, das war letztlich „sehr viel Spaß und das hat mir auch viel gebracht“, sagt der Mann, der den Bürger- und Kulturverein gegründet hat, dem das Walpurgisgericht zu verdanken ist und der sich eines von ganzem Herzen wünscht: Die Städtepartnerschaften müssen belebt werden. Er habe den Eindruck, dass das Rathaus das bewusst „brach gelegt“ hat, das müsse sich wieder ändern.

Erich Ruppert wollte wieder in den Stadtrat einziehen, scheiterte bei der Nominierung aber am neuen Hoffnungsträger der Grünen, Marc-Dominic Boberg. Er habe im Stadtrat nicht nur „Ziele ansprechen, sondern sie soweit wie möglich erreichen“ wollen, sagt Ruppert. Ein machtloser Einzelkämpfer könne dies nur mit starken Verbündeten, die er in der CSU-Fraktion gefunden habe. Nie habe die CSU erwartet, „dass ich gegen meine Überzeugung mit ihr stimmte“. Menschlich gehöre dies wie gute Kontakte zu Kollegen anderer Parteien „zum Schönen im Stadtrat“.

Nach Ansicht Rupperts bestimmten nicht die Zahl, sondern die durchgebrachten Anträge den Erfolg. Zu seinen wichtigen zählt er die Richtlinien zum Jagdvollzug, die Alten-WG an den Brennöfen, Gestaltungsvorschläge für eine begrünte und bewohnte Altstadt sowie zu zwei naturnahen Baggerseen im Maintal. Zusätzlich habe er im Aufsichtsrat der Stadtwerke die regenerative Energieerzeugung auf den Weg gebracht. Neben 25 durchgebrachten Anträgen habe es auch Niederlagen gegeben, aber das Positive überwiege weit mehr als grüne Stadträte sonst erwarten könnten. „Ich bin zufrieden“, sagt Ruppert, der gerne grüne Nachfolgerinnen im Stadtrat eingearbeitet hätte. In der Lokalen Agenda 21 werde er sich weiter „um unsere Stadt kümmern“.

Weil er gemeinsam mit seinem Bruder mehr und mehr Verantwortung im Familienunternehmen übernimmt, sie beide gemeinsam in die Fußstapfen der Eltern und Großeltern treten, er die Arbeit im Stadtrat aber ernst nehme, fehle es an der nötigen Zeit, begründet Andreas Traub seinen Verzicht nach einer Periode. „Ich bin aber froh, dass ich die Gelegenheit, Stadtrat zu sein, bekommen habe.“ Traub bewertet die Zeit als eine für ihn „sehr wichtige Lebenserfahrung“.

Traub war mit Karl-Heinz Knöchel und Frank Weber von der SWL abgesprungen, das Trio gründete Pro SW. Die Zusammenarbeit in der Fraktion habe „viel Spaß gemacht“, das Trio habe sachlich diskutiert, jeder habe gleichberechtigt seine Meinung frei äußern können und auch, wenn sie von den anderen abgewichen sei, im Stadtrat so vertreten können. Ihm habe die Stadtratspolitik am Herzen gelegen, die Arbeit um jeden Preis in der Öffentlichkeit breit zu treten, sei nicht seine Veranlagung. Traub bedauert, dass einige Stadträte aus Gründen der Profilierung Diskussionen unnötig in die Länge zogen. Die Fraktion Pro SW will Traub nach Kräften weiterhin unterstützen.

Auch Pro SW-Kollege Frank Weber hat nach einer Periode genug, wenngleich das Mandat für ihn eine „neue Erfahrung war“. Es sei ihm aber schnell klar geworden, dass die viel gepriesene Sachpolitik oft in den Hintergrund gerät. Parteipolitische Überlegungen und Strategien spielten nach seinem Geschmack eine zu große Rolle. Weber zeigt wenig Verständnis dafür, dass die Stadt Schweinfurt und der Landkreis sich zu wenig als „eine Region verstehen, die es stark zu machen gilt und die stark zu halten ist“. Es gebe sicher unterschiedliche Interessen, aber das „darf nicht bedeuten, dass gemeinsame Chancen zu wenig genutzt werden“.

Weber nennt Schweinfurt eine Stadt, in der sich gut und gerne leben lässt. „Wenn ich durch mein Mandat und meine Stimme ein klein wenig dazu beitragen durfte, so bin ich schon zufrieden“. Seine Verantwortung besonders in Bolivien, aber auch in Brasilien machten ihm die Fortsetzung seiner Arbeit im Stadtrat unmöglich. Sein Einsatz in Südamerika trage aber schon seit Jahrzehnten auch zu einem positiven Bild Schweinfurts weit über die regionalen und nationalen Grenzen bei“, sagt Weber: „Ich bin und bleibe Schweinfurter“.

Nicht mehr eingerückt ist der Republikaner Robert Vogt, der auf Platz 2 kandidierte. Er hinterlässt keine Spuren, der Reporter kann sich jedenfalls an keinen einzigen Wortbeitrag von Vogt in den sechs Jahren als Stadtrat erinnern.

Erich Ruppert (Bündnisgrüne).
| Erich Ruppert (Bündnisgrüne).
Frank Weber (Pro Schweinfurt).
Foto: FOTO Fotos Privat | Frank Weber (Pro Schweinfurt).
Bernd Köppel (fraktionslos).
| Bernd Köppel (fraktionslos).
Robert Vogt (Republikaner).
| Robert Vogt (Republikaner).
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top