zurück
GEROLZHOFEN
Die Sprache ist das A und O
Drei Dinge haben Khaled, Naeem, Omar und Mouhmad gemeinsam: Sie sind syrische Flüchtlinge in Gerolzhofen, sie haben alle einen Studien- oder Ausbildungsplatz und vor allem sprechen sie alle schon richtig gut Deutsch. Ein Gespräch über sie, ihre Entwicklung hierzulande und ihre Zukunftspläne ist ohne jegliche Verständigungsschwierigkeiten möglich.  Naeem Bilal ist 21 und besucht seit wenigen Tagen in Würzburg die Fachhochschule. Dort studiert er das Fach Mechatronik. In Syrien hatte er ein normales Abitur gemacht, das hier als Zulassung zur Hochschule anerkannt wird.  Größtes Problem war also die Sprache, denn verlangt wird an der Schule das Niveau B 2. Wer das erreicht hat, kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Hier hat sich Naeem von Beginn an reingekniet und alles an Kursangeboten mitgenommen, was es gab: die Kurse der Ehrenamtlichen, der Volkshochschule und den Deutschkurs an der  Fachhochschule selbst.  Bereits in der Orientierungswoche an der Fachhochschule hat Naeem gemerkt, dass es trotz aller Bemühungen, das Deutsch zu perfektionieren, noch an vielen Fach- und Spezialbegriffen fehlt. In seiner Fachrichtung studieren sechs weitere junge Leute mit Migrationshintergrund. Mit den deutschen Studenten konnte er noch nicht so viele Kontakte knüpfen. „Aber das kommt“, ist er sich sicher.  In den zwei Jahren, in denen er in Gerolzhofen ist, fühlt er sich vom Asylkreis und von der Diakonie gut unterstützt. Seine Kontakte  mit der deutschen Bevölkerung gehen aber inzwischen über den Asylkreis hinaus. Naeem ist für drei Jahre als Flüchtling anerkannt, kann aber auf jeden Fall bis zum Ende seines Studiums in Deutschland bleiben.  Khaleb Fares ist 23 und besucht eine Vorklasse der Fachoberschule, um seine Kenntnisse speziell in Deutsch, Englisch und Mathematik zu verbessern und sich aufs Abitur vorzubereiten. Daheim in Damaskus hat er zwar ein Fachabitur gemacht, aber das wird hier im Gegensatz zu Naeems Vollabitur nicht anerkannt.  Dass Khaled zu Beginn des Schuljahrs zum Klassensprecher  gewählt worden ist, verschweigt er, wohl aus Bescheidenheit. Aber die andern verraten es.  Khaled lebt seit zwei Jahren in Gerolzhofen. Er ist gerne hier, auch wenn das Stadtchen viel kleiner ist als Damaskus. Sein großes Ziel ist es, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, nicht nur vom Staat. Negative Bemerkungen seitens der Einheimischen hat es bei ihm wie bei den drei andern schon gegeben.  Aber sie sind selten.  Wenn er das Abitur hat, will Khaled studieren. Was, weiß er noch nicht sicher, vielleicht Architektur. Eins ist auch für ihn klar:„Alles liegt an der Sprache. Wenn man die Sprache kann, gibt es keine Grenzen.“  Mouhmad Nour Naddaf (24) geht jetzt schon im zweiten Jahr in die Berufsschule. Nebenbei leistet er ein Praktikum bei K & K Software in Gerolzhofen. Dort fühlt er sich gut akzeptiert und freundlich behandelt. Daheim in Syrien hat Omar IT-Techniker und englische Literatur studiert. Der IT-Branche will er treu bleiben.  Wie fast alle der Interviewten hat auch Mouhmad einen Mini-Job. Er hilft bei Getränke Marx. Im ersten Jahr seines Hierseins verzweifelte er an der Sprache. Besonders die Artikel im Deutschen machten ihm zu schaffen. Im zweiten Jahr wurde es dann besser.  Mouhmad ist schon recht früh aus Syrien geflohen und hat erst vier Jahre in der Türkei gelebt. Das sei ein schlechtes Leben gewesen. Hier in Gerolzhofen wird er den Einsatz des Helferkreises nie vergessen. Die Mitarbeiter in diesem Kreis hätte ihm bei der Sprache und im Jobcenter sehr geholfen.  Omar Almkari (20) schließlich führt ebenfalls weiter, was er in Syrien begonnen hat. Im Schweinfurter Maritim-Hotel lernt er Beruf Hotelfachmann. Berufsschule hat er in Bad Kissingen. Dorthin ohne eigenes Auto zu kommen, ist ganz schwer, doch jetzt klappt es mit einer Fahrgemeinschaft. Aus Gerolzhofen wegziehen will er nicht. „Ich liebe Geo.“  An seine Lehrstelle ist Omar erst gekommen, nachdem er seine Sprache auf einen guten Stand gebracht hat. Das hat sein jetziger  Chef gefordert. In Damaskus war Omar bereits drei Jahre Hotelfachmann und Koch, aber das wurde hier nicht anerkannte. Inhaltlich sieht er keine großen Unterschiede bei der Ausbildung zwischen hier und Syrien. Sein Ziel: Er möchte in einem großen Hotel arbeiten oder selbst eines aufmachen.  Innerhalb des Quartetts ist Omar der erste, der seinen Führerschein macht. „Ich brauche ein Auto für die Arbeit, nicht zum Spaß.“  Zum Schluss will Mouhmad noch etwas loswerden. Er spricht ein heikles Thema an. Manche Menschen hätten Angst für den Flüchtlingen, weiß auch er. „Das kommt daher, weil sie nicht wissen, was wir machen. Ich rufe deshalb alle Syrer auf, die Kommunikation mit den Einheimischen zu suchen. Das ist besser, als daheim zu sitzen.“  Matthias Seng, der die Gruppe zum Interview begleitet hat, merkt an, dass es sich bei dem Quartett um keine Vorzeige-Flüchtlinge gehandelt habe. Man hätte die Runde deutlich erweitern können.
Foto: Norbert Finster | Drei Dinge haben Khaled, Naeem, Omar und Mouhmad gemeinsam: Sie sind syrische Flüchtlinge in Gerolzhofen, sie haben alle einen Studien- oder Ausbildungsplatz und vor allem sprechen sie alle schon richtig gut Deutsch.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:02 Uhr

Drei Dinge haben Walaa, Khaled, Naeem, Omar und Mouhmad gemeinsam: Sie sind syrische Flüchtlinge in Gerolzhofen, sie haben alle einen Studien- oder Ausbildungsplatz und vor allem sprechen sie alle schon richtig gut Deutsch. Ein Gespräch über sie, ihre Entwicklung hierzulande und ihre Zukunftspläne ist ohne jegliche Verständigungsschwierigkeiten möglich.

Naeem Bilal ist 21 und besucht seit wenigen Tagen in Würzburg die Fachhochschule. Dort studiert er das Fach Mechatronik. In Syrien hatte er ein normales Abitur gemacht, das hier als Zulassung zur Hochschule anerkannt wird.

Alle Sprachangebote mitgenommen

Größtes Problem war also die Sprache, denn verlangt wird an der Schule das Niveau B 2. Wer das erreicht hat, kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Hier hat sich Naeem von Beginn an reingekniet und alles an Kursangeboten mitgenommen, was es gab: die Kurse der Ehrenamtlichen, der Volkshochschule und den Deutschkurs an der Fachhochschule selbst.

Bereits in der Orientierungswoche an der Fachhochschule hat Naeem gemerkt, dass es trotz aller Bemühungen, das Deutsch zu perfektionieren, noch an vielen Fach- und Spezialbegriffen fehlt. In seiner Fachrichtung studieren sechs weitere junge Leute mit Migrationshintergrund. Mit den deutschen Studenten konnte er noch nicht so viele Kontakte knüpfen. „Aber das kommt“, ist er sich sicher.

In den zwei Jahren, in denen er in Gerolzhofen ist, fühlt er sich vom Asylkreis und von der Diakonie gut unterstützt. Seine Kontakte mit der deutschen Bevölkerung gehen aber inzwischen über den Asylkreis hinaus.

Naeem ist für drei Jahre als Flüchtling anerkannt, kann aber auf jeden Fall bis zum Ende seines Studiums in Deutschland bleiben.

In der Vorklasse der Fachoberschule

Khaleb Fares ist 23 und besucht eine Vorklasse der Fachoberschule, um seine Kenntnisse speziell in Deutsch, Englisch und Mathematik zu verbessern und sich aufs Abitur vorzubereiten. Daheim in Damaskus hat er zwar ein Fachabitur gemacht, aber das wird hier im Gegensatz zu Naeems Vollabitur nicht anerkannt.

Dass Khaled zu Beginn des Schuljahrs zum Klassensprecher gewählt worden ist, verschweigt er, wohl aus Bescheidenheit. Aber die andern verraten es.

Khaled lebt seit zwei Jahren in Gerolzhofen. Er ist gerne hier, auch wenn das Stadtchen viel kleiner ist als Damaskus.

Sein großes Ziel ist es, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, nicht nur vom Staat. Negative Bemerkungen seitens der Einheimischen hat es bei ihm wie bei den andern schon gegeben. Aber sie sind selten.

Wenn er das Abitur hat, will Khaled studieren. Was, weiß er noch nicht sicher, vielleicht Architektur. Eins ist auch für ihn klar:„Alles liegt an der Sprache. Wenn man die Sprache kann, gibt es keine Grenzen.“

Mouhmad Nour Naddaf (24) geht jetzt schon im zweiten Jahr in die Berufsschule. Nebenbei leistet er ein Praktikum bei K & K Software in Gerolzhofen. Dort fühlt er sich gut akzeptiert und freundlich behandelt. Daheim in Syrien hat Omar IT-Techniker und englische Literatur studiert. Der IT-Branche will er treu bleiben.

Nebenbei Mini-Jobs

Wie fast alle der Interviewten hat auch Mouhmad einen Mini-Job. Er hilft bei Getränke Marx. Im ersten Jahr seines Hierseins verzweifelte er an der Sprache. Besonders die Artikel im Deutschen machten ihm zu schaffen. Im zweiten Jahr wurde es dann besser.

Mouhmad ist schon recht früh aus Syrien geflohen und hat erst vier Jahre in der Türkei gelebt. Das sei ein schlechtes Leben gewesen. Hier in Gerolzhofen wird er den Einsatz des Helferkreises nie vergessen. Die Mitarbeiter in diesem Kreis hätte ihm bei der Sprache und im Jobcenter sehr geholfen.

Omar Almkari (20) schließlich führt ebenfalls weiter, was er in Syrien begonnen hat. Im Schweinfurter Maritim-Hotel lernt er Beruf Hotelfachmann. Berufsschule hat er in Bad Kissingen. Dorthin ohne eigenes Auto zu kommen, ist ganz schwer, doch jetzt klappt es mit einer Fahrgemeinschaft. Aus Gerolzhofen wegziehen will er nicht. „Ich liebe Geo.“

An seine Lehrstelle ist Omar erst gekommen, nachdem er seine Sprache auf einen guten Stand gebracht hat. Das hat sein jetziger Chef gefordert. In Damaskus war Omar bereits drei Jahre Hotelfachmann und Koch, aber das wurde hier nicht anerkannte. Inhaltlich sieht er keine großen Unterschiede bei der Ausbildung zwischen hier und Syrien. Sein Ziel: Er möchte in einem großen Hotel arbeiten oder selbst eines aufmachen.

Auf dem Weg zum Führerschein

Innerhalb des Quintetts ist Omar der erste, der seinen Führerschein macht. „Ich brauche ein Auto für die Arbeit, nicht zum Spaß.“

Walaa Al Arksonsi hat eine Ausbildungsstele zur Bankkauffrau bei der VR-Bank bekommen. „Ich bin stolz auf diese Ausbildungsstelle“, sagt die Zwanzigjährige, die mit ihrer Familie ebenfalls aus Damaskus geflohen ist. Zurzeit ist sie in der Abteilung Rechnungswesen eingesetzt und wird nach und nach alle Abteilungen im Haus durchlaufen. Vorgesetzte und Kollegen in der Bank bezeichnet sie als „supernett“.

Direktor Klaus Henneberger ist mit der neuen Mitarbeiterin sehr zufrieden. Sie werde, wenn nötig, jede Art von Unterstützung aus dem Haus erhalten, etwa durch zusätzliche Seminare für die deutsche Sprache.

Zum Schluss will Mouhmad noch etwas loswerden. Er spricht ein heikles Thema an. Manche Menschen hätten Angst für den Flüchtlingen, weiß auch er. „Das kommt daher, weil sie nicht wissen, was wir machen. Ich rufe deshalb alle Syrer auf, die Kommunikation mit den Einheimischen zu suchen. Das ist besser, als daheim zu sitzen.“

Matthias Seng, der die Gruppe zum Interview begleitet hat, merkt an, dass es sich bei dem Quartett um keine Vorzeige-Flüchtlinge gehandelt habe. Man hätte die Runde deutlich erweitern können.

Vier junge Syrer, hier mit Mattias Seng vom und Kerstin Krammer-Kneißl vom Asylkreis, haben bereits Studien- beziehungsweise Ausbildungsplätze gefunden.
Foto: Norbert Finster | Vier junge Syrer, hier mit Mattias Seng vom und Kerstin Krammer-Kneißl vom Asylkreis, haben bereits Studien- beziehungsweise Ausbildungsplätze gefunden.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Norbert Finster
Abitur
Berufsschulen
Deutsche Sprache
Fachhochschulen
Fachoberschulen
Flüchtlinge
Mathematik
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • thomas.vizl@ing-orf-vizl.de
    Ein wunderbarer Artikel! Nicht immer nur Negativbeispiele bringen, sondern das Positive überwiegt. Aus Flüchtlingen werden Neubürger und Stützen der Gesellschaft. So wie es früher, z.B. nach 1945, auch war. "Ich liebe GEO", sagt Omar Almkari. Ein besseres Kompliment hätte er unserem Städtchen nicht machen können! Danke auch an den Helferkreis, die eine unendlich wichtige Arbeit für die Allgemeinheit vollbringen.
    Thomas Vizl
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten