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SCHWEINFURT
Die Serie, die Kunst und der Erfolg
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:18 Uhr

Was ist denn Kunst? Welche Kriterien taugen zur Bewertung und welche lassen sich anwenden auf Bewerberinnen und Bewerber an einer Kunstakademie? Otmar Hörl, langjähriger Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, ging anlässlich der Triennale IV in der Kunsthalle vor rund 50 Gästen auf die Institution und auf grundlegende Fragen zum Kunstbegriff ein.

„Vor hundert Jahren hat man noch gewusst: Wer aufgenommen wurde, hatte Talent“. Das habe sich extrem geändert in den letzten 50 Jahren mit den umwälzenden gesellschaftlichen und künstlerischen Prozessen, die mit der Studentenbewegung einhergingen. Was könnte heute also Kriterium sein? „Wenn jemand eine Tasse gut abmalen kann?“ Er plädierte für die Akademie als Ort, an dem „die Talentidee reifen“ könne, an der die jungen Leute erfahren könnten, wofür sie „künstlerisch geboren“ worden sind.

Die Gesetze des Marktes

In ganz Mitteleuropa sei es so, dass rund zwei Prozent derer, die antreten zum Kunstschaffen, mit ihrem Namen bleiben in der Kunstgeschichte. „Das ist in Ordnung, das ist relativ viel“, so Hörl. Jedoch, unter welchen Bedingungen wird Kunstgeschichte geschrieben? Die Gesetze des Marktes erweisen sich wohl als nicht besonders gut geeignet. „Die Idee der Akademie ist, sich vom Leistungsdenken weg zu entwickeln dahin, dass Künstler ihr eigenes Wesen finden“.

„Wir wissen alle nicht, was Kunst ist.“ Da gebe es einen „Bereich, für den wir keine Sprache haben“, in dem neue Ausdrucksformen wachsen könnten. Es brauche eventuell mindestens fünf Jahre Akademie, dann zehn Jahre Arbeit, bevor Künstler zu ihrer authentischen Kunst kommen könnten und zu einer künstlerischen Karriere. Hörl empfahl jungen Kunstschaffenden einen langen Atem, die Fähigkeit mit wenig Geld auszukommen, „mindestens einen Freund und Gönner, der an einen glaubt und nicht zuletzt sehr gute Nerven. Wichtig sei außerdem, dass es Räume gebe wie die Kunsthalle, die jungen Künstlerinnen und Künstlern Ausstellungsfläche und Resonanz biete

Seit 1986 serielle Skulpturen

Er brachte Diabilder seiner Werke auf die Leinwand im großen Saal, angefangen von seinem anfänglichen Anspruch an die Kunst als revolutionärem Akt hin zu seinen gesellschaftlichen und persönlichen Erfahrungen von Fragmentierung, die sich in seiner Kunst ausdrückte. „Ich weiß nicht, wer ich bin, aber ich bin handlungsfähig.“ Im Jahr 1986 habe er angefangen, serielle Skulpturen zu machen, mit denen er dann internationale Anerkennung erlangte. Die Schweinfurter kennen sicher seine Rückertbüste in allen Plastikfarben, aber es gibt Gartenzwerge, König Ludwig, Richard Wagner, eine Madonna, den Dürerhasen und mehr. Seine Arbeiten wurden zunehmend von großen Sponsoren finanziert.

Er sei eitel genug, zu genießen, das zu erleben, dass die Museen seine Kunst kauften, so Hörl. Sollte Erfolg und Wert von Kunst dann doch auf finanzieller Ebene stattfinden? „Es ist wie das erste Tor in der Bundesliga“, resümiert Hörl diesen Moment in seiner Karriere. Also auch hier kommt der serielle Aspekt zum Vorschein und trägt die Gefahr der Gewöhnung mit sich.

Lungern als Kunst und Lebensform

Draußen vor der Tür wurde zuvor vom Institut Heinz, bestehend aus den Kunstschaffenden Mia Hochrein, Stephan Winkler und Jan Polacek, das Lungern als Kunst- und Lebensform proklamiert. Lungern sei ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen und ein feines Instrument der Welterfahrung, verfolge keinen Zweck, entziehe sich der kapitalistischen Verwertbarkeit und produziere dennoch gesellschaftlichen wie individuellen Reichtum. Lungern könne man überall! So hieß es im Lungermanifest, das vom Trio und weiteren Anhängern des Lungerns verteilt wurde.

Otmar Hörl, langjähriger Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, referierte anlässlich der Triennale IV in der Kunsthalle über Fragen zum Kunstbegriff.
Foto: Charlotte Wahler | Otmar Hörl, langjähriger Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, referierte anlässlich der Triennale IV in der Kunsthalle über Fragen zum Kunstbegriff.
 
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