Jürgen Wolf ist traurig. Das hat private Gründe, die nichts in der Zeitung verloren haben. Wenn ihn diese Melancholie überfällt, hilft es ihm, ein wenig über Frauen zu sprechen. Über seine geliebten Musen, von denen es viele gibt und die ihn zu seinen Gemälden inspirieren. Über Christine zum Beispiel, die dienstälteste Muse, und natürlich Frau Blume. Die Geschichte von Frau Blume hat Jürgen Wolf schon 2011 erzählt, als er das letzte Mal in der Eventgalerie ausgestellt hat. Sie schreibt ihm hin und wieder erotische Briefe.
Nun begegnen wir der schönen Blonden, die eigentlich Frau Heinz heißt und eine wirkliche Dame ist, wieder. Auf einem der kleinformatigen Bilder in der Eventgalerie steht sie in einem schön altmodischen Zimmer auf einer Leiter. Sie trägt hohe rote Stiefel, hinten schwarz geschnürt, rote knappe Dessous und sonst nichts. Außer kleinen Engelsflügelchen, die ihr einen Hauch Unschuld verleihen. Frau Blume fällt derzeit als Muse aus. Sie hat ein Kind bekommen und andere Sachen im Kopf als erotische Sessions mit Jürgen Wolf. Was aber nicht schlimm ist, weil es – wie gesagt – noch andere gibt, die ihn inspirieren.
An erster Stelle nennt Jürgen Wolf seine Frau Elisabeth, mit der er seit 30 Jahren verheiratet ist und die er verehrt. Sie ist die einzige Frau, deren Gesicht auf einigen Bildern auftaucht, wenn auch im Hintergrund. Alle anderen bleiben anonym. Nach all den Jahren sei Elisabeth immer noch ein Geheimnis für ihn, sagt Wolf, sie könne ihn immer noch überraschen. Auf dem Bild betrachtet Elisabeth Wolf das Skelett eines geflügelten Pferdes. Steht der Pegasus für die Kraft und Fähigkeit, sich über die Dinge zu erheben? Wolf lächelt.
Seine Bilder stecken voller Symbole – oft Vanitas-Symbole wie Schädel und verwelkte Blumen – oder Anspielungen auf Dinge, die ihm wichtig sind. Das kann ein Buch von Pierre Klossowski sein, einem seiner Lieblingsautoren, das er auf einem Gemälde unübersehbar neben einer schönen Nackten gemalt hat oder das Badeentchen, das von seiner Lust erzählt, lange in der Badewanne zu sitzen.
Wolf ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler, als Maler, Autor von Kurzgeschichten und Theaterstücken und als Bildhauer, der ziemlich skurrile Skulpturen und Installationen baut. Mitten in die Eventgalerie hat er einen großen Revolver aus Pappe gestellt. Wer mag, kann auf einen winzigen Reiter zielen, der auf einem Zebra sitzt. Das muss man nicht todernst nehmen, geschweige denn verstehen. Sondern einfach nur genießen, dass da einer unfassbar viele Bilder und Worte im Kopf hat und das Talent, sie mitzuteilen.
Mit dem Revolver spielt Jürgen Wolf auf den Ausstellungstitel „Bilder in Änderungen oder Herr Revolver schuss du mir“ an. Es macht ihm einen Riesenspaß, sich solche verrückten Endlos-Titel auszudenken, die voller Anspielungen stecken, von denen die meisten nicht entschlüsselt werden können. Diesmal gibt Wolf aber einen Hinweis: ihm würden immer viele Bilder in den Kopf schießen. Manchmal sogar zu viele.
Jürgen Wolf – manche werden es wissen – wurde 1958 in Schweinfurt geboren und wollte eigentlich Priester werden. Bis er eine Frau kennenlernte. Um herauszufinden, ob er lieber ein zölibatär lebender Priester oder ein verheirateter Künstler sein wollte, ging er nach Tansania – mit dem bekannte Ergebnis. Er hat also geheiratet, Kunstgeschichte und Kunst studiert, er lebt in Köln und ist ein erfolgreicher Künstler geworden.
Die Eventgalerie zeigt bis 27. Juni mehrere große Formate und eine Reihe von kleinformatigen Bildern auf Holzkästchen, alle meisterhaft gemalt. Bei diesen Kleinen darf der Betrachter nahe dran gehen, er darf oder muss Voyeur sein, wenn er alle Einzelheiten erkennen will: jede Blume im Hintergrund, jede Ranke auf der Tapete, jeder Schatten auf der Haut. Je kleiner das Format, umso mehr Details malt Wolf. Ganz anders auf den großen Leinwänden im Vorraum der Galerie. Da zeigt er leere Orte, an denen zwar kein Mensch zu sehen, seine Anwesenheit aber noch deutlich zu spüren ist.