
Wow – was für ein Knaller! Kochend heiße Atmosphäre und ausgelassene Partystimmung von der ersten Sekunde an: Das Musical "The Rocky-Horror-Show" (Richard O’Brien) rief, und die Fans strömten nur so ins Theater Gemeindehaus Schweinfurt. Mit der Frage, wie oft sie kommen könnten, hatte der Schweinfurter Theaterleiter Christof Wahlefeld auf das Angebot des Theaters für Niedersachsen reagiert, das Kultmusical aus den 1970er-Jahren nach Schweinfurt zu bringen. Viermal ausverkauft gab ihm Recht.
Dem erwartungsfrohen Publikum rief er schließlich zu: "Rocken Sie die Show so wie Sie wollen! Zeigen Sie den Gästen aus Niedersachsen, was wir Unterfranken draufhaben!" Der Funke zündete: Bereits im Foyer tummelten sich etliche als Dienstmädchen verkleidete Zuschauerinnen, Besucher in Netzstrümpfen mit Strapsen, elegant in Frack und Fliege gehüllte Schlossherren; die Vorstellung selbst gestaltete sich als Mitmachereignis – Unbedarfte mögen sich verwundert die Augen gerieben haben.
Ein Ausflug der frisch Verlobten Janet und Brad, die sich brav im Sinne der 50er-Jahre-Moral "für einander aufsparen", führt nach einer Reifenpanne in ein Schloss. Es gewittert heftig – Zeit fürs Publikum, den Kopf mit Zeitungspapier zu schützen. Merkwürdige Gestalten empfangen das Paar und geleiten es zum exzentrischen, sexbesessenen Schlossherrn Frank'n Furter.
Eine prall mit abstrusen Ereignissen, Sinnlichkeit, Lust und fragwürdigen Genüssen angefüllte Nacht beginnt, die Schweinfurter Fangemeinde begleitet: Reis und Konfetti fliegen als Hochzeitssymbolik, Klopapier flattert, Knicklichter und Handys leuchten, mitgeklatscht wird sowieso. Zum Timewarp-Tanz springen fast alle auf, und wer die Schritte nicht kennt, hat sie schnell begriffen.
Die Band von Andreas Unsicker liefert mitreißenden Rock'n Roll
Die Band von Andreas Unsicker liefert mitreißenden Rock'n Roll und gefühlvolle Songbegleitung, die Lautstärke ist perfekt ausbalanciert. Die Inszenierung von Oliver Pauli ist temporeich und scheut sich nicht, den Umgang mit Sexualität aus der Zeit der Uraufführung des Musicals 1973 ins Heute zu transportieren.
Auch das Bühnenbild und die Kostüme (Sebastian Ellrich) tragen dazu bei: Riesige Augen beobachten aus dem Hintergrund; die Entjungferung von Janet (und Brad!) durch Frank'n Furter spielt sich hinter einem Wolkenvorhang und unter einer Decke ab, auf einer knallroten Couch in Form eines leicht geöffneten Mundes lässt es sich lasziv fläzen.
Die Kostüme sind geprägt von wenig Hülle, Leder, Strapsen, Hochhackigem und eleganter Boa. Frank'n Furters knackiges Hinterteil wird durch einen String-Tanga modelliert, alles ist in Magenta-Schwarz-Weiß-Glitzer-Lack-Tönen gehalten, fantasievoll und fantastisch wie die Wesen, die in ihnen stecken. Farid Halims kompakte Choreographie vervollständigt die Optik des Spektakels.
Doch Intensität und Präsenz der Show kommen vor allem auch von den Darstellern, an deren stimmlichen, tänzerischen und schauspielerischen Qualitäten es nichts zu kritisieren gibt. Im Gegenteil: Mit Daniel Wernecke (Frank'n Furter), Samuel Jonathan Bertz (Riff-Raff), Louis Dietrich (Brad), Lucia Bernadas Cavallini (Janet), Jack Lukas (Rocky), Elisabeth Köstner (Magenta) und Katharina Wollmann (Columbia) sind die Charaktere ebenso exzellent besetzt wie die des Erzählers mit Karsten Oliver Wöllm und von Dr. Scott: Der gebürtige Franke Jürgen Brehm darf an diesem Spielort seinen authentischen Dialekt ausspielen ("Allmächtla, des is a Laser!").
Ein herrlich überdrehter Abend war das, ein Happening, das dem Team um Theaterchef Wahlefeld nach eigener Aussage neben kurzen Kehr-Episoden mehrere Tage Endreinigung des Zuschauerraums bescheren wird. Natürlich wurde zum Schluss minutenlang gefeiert, geklatscht und getanzt!