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Schweinfurt
"Die Reise der Verlorenen" ist ein Stück erschütterndes Theater
Acht Schauspieler übernehmen im Stück 'Die Reise der Verlorenen' 21 Rollen. Zu sehen war es in der Ersatzspielstätte des Schweinfurter Theaters im Evangelischen Gemeindehaus.
Foto: Bo Lahola | Acht Schauspieler übernehmen im Stück "Die Reise der Verlorenen" 21 Rollen. Zu sehen war es in der Ersatzspielstätte des Schweinfurter Theaters im Evangelischen Gemeindehaus.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 12.02.2023 02:22 Uhr

Wie waren sie doch erleichtert, als sie nach siebentägiger Fahrt im Mai 1939 vor Kuba anamen. Mit dem Luxus-Passagierschiff "St. Louis" waren knapp 1000 Jüdinnen und Juden in Hamburg in See gestochen mit der vermeintlichen Gewissheit, der Verfolgung Nazi-Deutschlands entkommen zu sein. Irgendwann später in den USA in Sicherheit zu sein. Nur in Kuba dürfen sie nicht landen, der korrupte, egoistische und gleichgültige Präsident ("Es gibt eine Million Juden, weitere werden folgen") verweigert die Einreise, eine Odyssee beginnt.

Die Geschichte ist wahr. Daniel Kehlmann hat sie nach dem Buch "Voyage of the damned" der amerikanischen Journalisten Gordon Thomas und Max Morgan-Witts für das Theater ("Die Reise der Verlorenen") bearbeitet. Die Inszenierung von Thomas Luft für "Theaterlust München" und das Altonaer Theater Hamburg war jetzt im Evangelischen Gemeindehaus zu sehen. An einem gespenstischen, intensiven Abend voller verstörender Tragik.

Das schlichte, stimmige Bühnenbild besteht aus zwei beweglichen transparenten Flächen auf die Schiffe und Szenen der Verfolgung düster projiziert werden. Ein Gerüst zeigt die Decks der "St. Louis".

21 Rollen auf acht Schauspieler verteilt

21 Rollen sind auf acht hervorragende Schauspieler verteilt, die immer wieder aus ihren Rollen fallen, sehr eindringlich ihre Leidensgeschichten erzählen, die oft im Tod enden. Dabei wenden sie sich direkt den Zuschauerinnen und Zuschauern zu. Das ist Dokumentartheater vom Feinsten, das keinen Bezug zur aktuellen Flüchtlingssituation suchen muss, weil er einfach vorhanden ist.

Im Zentrum stehen der aasige Steward Otto Schiendeck (Johannes Schön), der auch Ortsgruppenleiter auf dem Schiff ist, und Kapitän Köhler (Ben Daniel Jöhnk) im Spannungsfeld zwischen seiner Firma, der Hapag-Lloyd (Direktor Holthusen: Mit der Hapag reist man gut"), die aus dem Schicksal der Passagiere eiskalt Geld schlagen will, und seinem Gewissen den ihm anvertrauten Menschen gegenüber. Das sind die zwei dominierenden Gegenspieler, die aus ihrer gegenseitigen Verachtung in keiner Sekunde ein Geheimnis machen. Schiendeck ("ich bin ein kleiner, missgünstiger Wicht"), der nur als Rädchen im NS-Getriebe etwas werden konnte, drangsaliert die Passagiere voller Lust. Er ist in geheimer Mission unterwegs, soll Mikrofilme aus Havanna herausschmuggeln.

Kapitän Köhler, der nach dem Krieg mit dem Bundesverdienstkreuz und der Auszeichnung "Gerechter unter den Völkern" durch Israel geehrt wird, erwägt, nachdem auch Miami die Landung verweigert hat, zur Rettung der Passagiere das Schiff wider seiner Kapitänsehre und Pflichten sogar stranden zu lassen.

Durch die Vermittlung jüdischer Hilfsorganisation erhält das Schiff schließlich doch Landeserlaubnis in Antwerpen. Die Passagiere werden willkürlich nach Quoten auf Belgien, Niederlande, Frankreich und England verteilt. Gerettet sind die meisten jedoch nicht. Wo SS und Wehrmacht einmarschieren, werden sie deportiert.

Bedrückende Stille im Gemeindehaus. Dann langer Applaus.

 
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  • E. B.
    Danke an die Verantwortlichen, dieses Stück aufzuführen.
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