zurück
SCHWEINFURT
Die „Rathenauer“ kämpfen um ihre Schulen
Mit aller Macht wehren sich Schüler, Lehrer und Elternbeirat gegen die geplante Schließung des Rathenau-Gymnasiums, was die vielen Plakate an der Schule zeigen.
Foto: Oliver Schikora | Mit aller Macht wehren sich Schüler, Lehrer und Elternbeirat gegen die geplante Schließung des Rathenau-Gymnasiums, was die vielen Plakate an der Schule zeigen.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:32 Uhr

Der Protest gegen die von Oberbürgermeister Sebastian Remelé geplante Schließung des Walther-Rathenau-Gymnasiums zum Schuljahr 2025/26 und der Zusammenlegung der Rathenau-Realschule mit der Schonunger Realschule ab 2029/30 hat ungeahnte Dynamik. Schüler, Schulleitung, Lehrerschaft, Elternbeirat und Förderverein sowie zahlreiche Bürger aus der Region, die früher im Rathenau waren oder dort Kinder hatten, kämpfen um den Erhalt der Schulen.

Am augenfälligsten ist das natürlich an den Rathenau-Schulen direkt, wo zahlreiche Fenster mit Plakaten der Schüler beklebt sind, auf denen die Rettung der Schule gefordert wird. Montag Nachmittag plant die Schülermitvertretung der Rathenau-Schulen eine Demonstration. Vom Schulgebäude in der Ignaz-Schön-Straße aus soll sie zum Rathaus führen.

Videostatement des OB

Oberbürgermeister Sebastian Remelé, der nach der Bekanntgabe der Entscheidung in den Fokus der Kritik gerückt ist, hat am Mittwoch in einem Videostatement auf seiner Facebook-Seite Stellung genommen zu den Schließungs-Plänen.

Er garantierte den Bestand der Schule für die nächsten zehn Jahre, schloss betriebsbedingte Kündigungen der angestellten Lehrerinnen und Lehrer aus und betonte, man müsse als Stadt Schweinfurt aufgrund der seit Jahren sinkenden Schülerzahlen langfristig die Weichen stellen. Remelé hat nach Informationen dieser Zeitung Mittwoch-Nachmittag Mitglieder des Elternbeirats und des Rathenau-Fördervereins zum Gespräch gebeten, Donnerstag ist ein Gesprächstermin zwischen Rathaus-Spitze und SMV.

Kritik an Informationspolitik

Die Kritik vor allem an der Informationspolitik Remelés wird klar geäußert. Rathenau-Schulleiter Ulrich Wittmann hat ein Statement auf der Internetseite der Schule veröffentlicht, nachdem die stark verunsicherten Eltern des neuen Fünftklass-Jahrgangs 2016/17 die Schulleitung mit Fragen bombardiert hatten. Wittmann betont, man sei als Schule erst am 9. Juni kurzfristig vom Oberbürgermeister informiert worden, der seine Pläne dem Lehrerkollegium vorstellte. „Dieser Schritt kam für Schule und Schulleitung völlig überraschend und unvorbereitet.

Die Lehrerschaft nahm diese Information auch nicht gelassen auf, wie es Herr Remelé später schilderte, sie wurde vielmehr von dieser Nachricht überrollt und konnte schockiert und überfordert in diesem Moment nicht angemessen reagieren“, findet Wittmann deutliche Worte.

Schulleitung wusste von nichts

Er betont, dass „weder die Schulleitung noch das Kollegium im Vorfeld der Entscheidung gehört wurden.“ Der „erste Schock“, so Wittmann, sei überwunden, man sei mehr denn je von der Notwendigkeit des Erhalts der beiden Schulen überzeugt. „Ein rein kostenorientiertes Denken der verantwortlichen politischen Entscheidungsträger sollte bei dieser schwer wiegenden Entscheidung am Ende nicht die Oberhand gewinnen“, so Wittmann, der insbesondere auf das Schulfest am Freitag von 13 bis 17 Uhr verweist, bei dem die Schule ihre vielfältigen Aktivitäten präsentieren will.

Fördervereins-Vorsitzende Ute Walter war von der Nachricht überrascht und geschockt. Das „Damoklesschwert“, wie es Walter bezeichnet, bezüglich der Zukunft der Schule gebe es seit Jahren, was man immer wieder an langen Diskussionen mit der Stadtverwaltung über Investitionen gemerkt habe wie bei der Frage, ob man ein Ganztages-Gymnasium anbieten solle oder als der Haupteingang umgebaut wurde. „Ich bin bekennende Rathenauerin“, so Walter, die selbst an der Schule Abitur gemacht hat und deren Kinder auch dort waren. „Wir werden vom Förderverein alles versuchen, das abzuwenden.“

Online-Petition gestartet

Kollegstufensprecherin Franka Feiler zeigt sich wie ihre Mitschüler kämpferisch. Frust sei in der Schule nicht zu spüren, alle wollten für den dauerhaften Erhalt kämpfen. Obwohl sie nächstes Jahr Abitur macht, sei ihr das Thema nicht egal: „Ich liebe diese Schule, gehe gerne hierher und setze mich gerne für sie ein.“ Die Aktivitäten der Befürworter sind nicht nur auf Plakate-Kleben beschränkt, sie entfalten sich vor allem im Internet. So wurde eine Online-Petition gestartet, mit der Unterschriften für den Erhalt gesammelt werden, bisher schon weit über 1000.

Die erst Montag eröffnete Facebook-Seite „Rettet unsere Schule“ hat über 1300 so genannte Follower, auf ihr wird ausführlich über alle Aktionen zur Rettung informiert.

#rettetunserrathenau

Auch Sebastian Remelé hat die Macht der Netz-Gemeinde kennengelernt, auf charmante Art. Bei einem Posting auf seiner Facebook-Seite als Oberbürgermeister, bei dem er den Schüleraustausch zwischen dem Rathenau-Gymnasium und dem College in Caen lobte, finden sich weit über 200 Kommentare, alle mit nur einer Botschaft: #rettetunserrathenau, eine in sozialen Netzwerken übliche Markierung eines Themas mit einem so genannten Hashtag.

Harsche Kritik der Opposition

Kommunalpolitisch ist noch keine Entscheidung vom Stadtrat getroffen worden, es wurden nur die Fraktionssprecher informiert. Stadträtin Ulrike Schneider (Schweinfurter Liste) empfindet die Informationspolitik Remelés als „in höchstem Maße undemokratisch.“ Die Stadträte würden vor vollende Tatsachen gestellt, das Thema sei nicht in den zuständigen Fachausschüssen und im Stadtrat besprochen worden. Schneider spricht von einem „Affront, die Kinder kurz nach ihrer Entscheidung für das Rathenau-Gymnasium mit den zukünftigen Abbauplänen zu konfrontieren.

“ Stefanie Stockinger-von Lackum hat im Namen der CSU-Fraktion derweil eine Anfrage an OB Remelé geschickt mit der Bitte, Auskunft darüber zu bekommen, welche beruflichen Perspektiven die Stadt den verunsicherten Gymnasial- und Realschullehrern der Rathenau-Schulen aufzeigen könne. „Als Stadträtin, die viele der Lehrer an den Schulen mit eingestellt hat, erwarte ich mir, dass Stadt und Freistaat eine Lösung finden werden und dies vor allem auch müssen“, so Stockinger-von Lackum.

Daten & Fakten

Das Walther-Rathenau-Gymnasium soll nach den Plänen von Oberbürgermeister Sebastian Remelé im Schuljahr 2017/18 zum letzten Mal Fünftklässler aufnehmen. Bei der Pressekonferenz am 10. Juni wurde kommuniziert, der Fünftklass-Jahrgang 2016/17 sei der letzte. Doch auch für 2017/18 können Fünftklässler angemeldet werden. Danach wird das aktuell von 531 Schülern besuchte Gymnasium acht Jahre lang abgeschmolzen, indem keine neuen Fünftklässler mehr aufgenommen werden. Wenn der Fünftklass-Jahrgang 2017/18 Abitur gemacht hat, soll das Gymnasium geschlossen werden. Die Stadt garantiert von jetzt gerechnet den Bestand des Gymnasiums für zehn Jahre und den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen für die bei der Kommune angestellten Lehrerinnen und Lehrer.

Begründet wird die Schließung des Rathenau-Gymnasiums unter anderem mit den seit Jahren rückläufigen Schülerzahlen an den im Moment vier Gymnasien in Schweinfurt. Aus den Prognosen ergibt sich aus OB-Sicht keine Notwendigkeit für vier Gymnasien, sondern nur für drei. Nur die Rathenau-Schulen sind in kommunaler Trägerschaft, die Stadt muss sowohl die Baulast als auch die Personalkosten selbst tragen.

Die Walther-Rathenau-Realschule nimmt bis zum Schuljahr 2023/24 Fünftklässler auf. Sie wird heute von 734 Schülerinnen und Schülern besucht. Auch die Rathenau-Realschule soll geschlossen werden. Die Abschmelzung erfolgt bis zum Schuljahr 2029/30 wie beim Gymnasium, indem keine neuen Fünftklässler aufgenommen werden. Ab dem Schuljahr 2029/30 wird die Realschule Schonungen in das Gebäude der Rathenau-Schulen in Schweinfurt verlagert, welchen Namen die Schule dann haben soll, ist offen. Die Realschule in Schonungen wird dann geschlossen. Prognostiziert ist für die neue Realschule in Schweinfurt eine Größe von 1075 Schülerinnen und Schülern.

Endgültige Entscheidungen von politischen Gremien zu den Plänen von Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Landrat Florian Töpper sind bisher noch nicht getroffen. Eine politische Meinungsbildung im Stadtrat sowie im Kreistag gab es öffentlich bisher nicht.

Protest am Rathenau.
Foto: Oliver Schikora | Protest am Rathenau.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Oliver Schikora
Florian Töpper
Schulleitungen
Sebastian Remelé
Stadt Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • berthold.hammer@gmx.net
    haben SIE Auch eine Ausbildung genossen vermutlich nicht!? Hauptsache GELD KOMMT REIN DANKE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten