Andrea Lehmann gehört der Schweinfurter Sicherheitswacht seit fünf Jahren an. Als sie bei einem Streifengang über Funk mitbekommt, dass ein Mann in der Innenstadt von Unbekannten mit einem Messer bedroht wurde, meldet sie den Polizei-„Kollegen“ eine auffällige Gruppe. Ihr Hinweis ist ein Volltreffer. Wenig später klicken die Handschellen. Der Messermann war einer aus dem verdächtigen Quartett.
Oder dieser aktuelle Fall: Ein Kunde, eine Angestellte und ein Sicherheitswachtler stellen gleich vier Ladendiebe auf einmal, zwei noch im Verbrauchermarkt am Roßmarkt, die anderen draußen. Einer rastet aus. Längst gerufene Polizeistreifen nehmen ihn mit zur Wache.
Sicherheitswacht: Schweinfurt war eine der Pionierstädte
Die Sicherheitswacht Schweinfurt gibt es seit 1996, war eine der ersten in Bayern. Der Einsatz ziviler Kräfte wurde anfangs kritisch gesehen. Mittlerweile ist der Dienst akzeptiert. Lehmann (54) und ihr Kollege Leo Schmitt (65), seit acht Jahren dabei, hören das auf ihren Touren von Passanten wie auch von Geschäftsleuten immer wieder.
Und vor allem: Die (Dauer-)Präsenz der mittlerweile uniformierten Ehrenamtlichen hat dazu geführt, dass es an einstigen Brennpunkten wie dem Roßmarkt oder dem Châteaudun-Park ruhiger zugeht, dort alles im Griff ist, wie es vonseiten der Polizei heißt.
Das drückt sich in Zahlen aus. Die Streifengänge – 2017 erneut über 900 – sind gleich geblieben. Vergangenes Jahr mussten dennoch nur 113 mal die Personalien festgestellt werden, 2016 waren es noch 223. Auch bei den Platzverweisen vermeldet die Statistik einen Rückgang: von 160 (2016) auf 71 im letzten Jahr. Aktuell besteht die Gruppe aus elf Frauen und acht Männern aus allen Bevölkerungs- und Berufsschichten, berichten die zuständigen Polizeihauptkommissare Robert Seidenzahl (Leitung seit 2006) und Hartmut Stettner (seit 2015). Darunter auch eine türkische Frau und ein Mann mit russischen Wurzeln, was ein Vorteil ist, weil „auch auf Türkisch oder Russisch beleidigt wird“.
Wer sich berufen fühlt, kann sich melden
Trotz der positiven Entwicklung wird aufgestockt. Innenminister Joachim Herrmann hatte das im September 2017 angekündigt, bis 2020 sollen die Sicherheitswachten in Bayern von 870 auf 1500 Personen aufgestockt sein. Begründung: durch noch mehr sichtbare Präsenz das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken und der Polizei helfen, Straftaten zu verhindern und aufzuklären.
Schweinfurt wird künftig 24 Köpfe zählen, fünf Neue werden also gesucht. Aus Gründen der Prävention und um Straftaten vorzubeugen, sagt auch Seidenzahl. Die einheitlichen blauen Funktionsjacken für Sommer und Winter mit der unübersehbaren Aufschrift „Sicherheitswacht“ und dem Staatswappen auf dem Ärmel zeigten, dass „hier jemand im staatlichen Auftrag unterwegs ist“, sagt Seidenzahl.
Die meisten Problemfälle erledigen die Ehrenamtlichen selbst
Was darf die Sicherheitswacht? Ertappte Straftäter bis zum Eintreffen der Polizei festalten, sie kann Personen anhalten, sie befragen, Personalien feststellen, wenn dies zur Gefahrenabwehr oder zur Beweissicherung notwendig ist. Und Platzverweise erteilen. 561 Mal mussten die Ehrenamtlichen 2017 einschreiten, oft genügten Belehrungen. Nur 43 Mal musste die Polizei zu Hilfe gerufen werden. Die Akteure können sich ausweisen, ihre Tätigkeit wird „in der Regel akzeptiert", sagen Lehmann und Schmitt.
Das heißt aber auch: Nicht jeder ist einsichtig. Etwa das Paar, das den ungehorsamen Vierbeiner nicht angeleint hat. Der Mann gibt seine Personalien nur widerwillig preis. Sie stimmen nicht. Lehmann trifft das Duo später wieder, stellt den Mann zur Rede und kassiert übelste Schimpfworte. Nach einer Anzeige durch die Polizei verurteilt der Amtsrichter beide zu jeweils 750 Euro wegen Beleidigung.
Mitarbeiter der Sicherheitswacht sind oft auch Seelsorger
Zum Job gehört: Auskunft geben, Senioren über die Straße helfen, Fundsachen sicherstellen. „Manchmal sind wir auch Seelsorger“, schildert Lehmann. Dann ist Zuhören gefragt, in anderen Fällen ist Reden nötig, um den Gegenüber „runterzubringen“. Regelmäßig wird das geschult, sagt Kommissar Seidenzahl.
Die Sicherheitswacht ist meist als Doppelstreife unterwegs. Den Wegeplan macht Stettner. Er variiert dauernd, hängt von vielen Faktoren ab: Streifen geben Hinweise, Bürger Tipps und Stettner reagiert bei Auffälligkeiten. „Wo es Ärger gibt, gehen wir hin“, wie das kürzlich am Alten Friedhof und Schuttberg der Fall war. Die Lage hat sich wieder beruhigt.