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Die Mutter aller Schlachtschüsseln
Schweinfurt (kwi) "Abschreibungswilderei", wettert Karl-Heinz Hennig, "da hat einer vom anderen falsch abgeschrieben." Und das bei einem so wichtigen Thema wie der Schweinfurter Schlachtschüssel. Damit ist jetzt Schluss.
Redaktion
 |  aktualisiert: 15.12.2020 14:11 Uhr
Bisher galt der 5. November 1856 als "Tag der Tage". Paul Schwanhäusser, Wirt vom "Roten Roß", hatte anlässlich einer Weinlese erstmals eine Schlachtschüssel im Freien abgehalten. Erstaunlich ist, schrieb Hennig in der "Schweinfurter Mainleite", der Publikation des Historischen Vereins, dass dieses Ereignis in vielen Artikeln und Büchern als Beginn der Schlachtschüssel-Tradition genannt wird.

Nicht wenige schrieben diese Falschmeldung immer wieder ab, sagt Hennig. "Ich bin einer, der tiefer forscht." Nach monatelangen Recherchen nennt er als Gründungsjahr 1840. In der romantischen Durchfahrt des Gasthofes zum Stern in der Oberen Gasse wurden - vermutlich zum ersten Mal - in der Nähe des Wurstkessels Tische aufgestellt und das Schweinefleisch auf blanken Holzbrettern mit Brot, Salz, Pfeffer, Kraut und Meerrettich serviert. Wirt war Georg Josua Schwanhäusser, die Idee soll aber seine Frau Susanne Magdalene gehabt haben, was sie also zur Mutter aller Schlachtschüsseln macht.

Das Kessel- oder Krettelfleischessen freilich gibt es bereits viel länger. Bei Hausschlachtungen standen wohl schon immer Brot, Salz und Pfeffer neben dem Brett, auf dem das Schweinefleisch für die Wurst kleingeschnitten wurde, damit die Helfer ganz nebenbei ihre hungrigen Mägen füllen konnten.

Karl-Heinz Hennig weiß inzwischen so viel über das Thema, dass er ein Buch füllen könnte (wozu es bereits Bestrebungen gibt). Dabei suchte er ursprünglich nur ein neues Thema für seine bekannte Diavortragsreihe. Bei der Recherche dazu stieß er zu seinem Ärger aber immer wieder "auf Falsches". Das ließ ihm keine Ruhe.

Als Glücksfall bezeichnet er, dass er die Schweinfurterin Elfriede Lorenz kennenlernte, eine Nachfahrin jener Susanne Magdalene Schwanhäusser. Sie stellte ihm einen Stapel Bilder und Texte und die Familienchronik Fischer zur Verfügung. Zweite wichtige Quelle war Günter Schwanhäusser, ehemaliger Geschäftsführer der weltbekannten Nürnberger Firma Schwan-Stabilo. Er ist ein Nachkomme von Georg Josua Schwanhäusser, dessen Sohn die Fabrik 1865 gekauft hatte.

Er war sehr hilfsbereit, stellte dem Kreisheimatpfleger die Ahnentafel, viele Dokumente und Fotos zur Verfügung, darunter auch das um 1860 entstandene Porträt des Georg Josua Schwanhäusser.

Ganz begeistert war Günter Schwanhäusser übrigens, als er mit Freunden aus ganz Deutschland zur Schlachtschüssel kam. Bei Edgar Beck in Zell, ebenfalls ein Kenner dieser Tradition, wurde getafelt. Und keiner wäre auf die Idee gekommen, das ganze als "unästhetische Völlerei" zu bezeichnen, wie es Mitte der Achtziger einmal ein Journalist von auswärts getan hatte. Sein Artikel war in die Hände des damaligen Regierungsveterinärs in Würzburg geraten, der tatsächlich beabsichtigte, die Spezialität aus hygienischen Gründen zu verbieten. Daraufhin, so Hennig, organisierte ein Freundeskreis eine "Original Schlachtschüssel", lud Veterinäre und Lebensmittelkontrolleure ein und rettete das traditionelle Mahl vor dem Untergang.

 
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