Als Zauberpflanze wurde die Mistel bei Kelten und Galliern verehrt. Heute erlebt sie als Weihnachtsschmuck eine neue Karriere. Schließlich bringt der Kuss unter dem Mistelzweig Glück in der Liebe. Die Schmarotzerpflanze ist stark auf dem Vormarsch, mancherorts gerät sie zur Plage.
Am Untermain oder im Landkreis Kitzingen breitet sie sich aus und auch im Landkreis Schweinfurt ist sie häufiger zu beobachten. Natürlich fallen im Winter die immergrünen Mistelkugeln in den kahlen Bäumen deutlicher auf. An Pappeln, in Linden oder Weiden, aber auch an Apfelbäumen hängen sie und können an ihrer Wirtspflanze nachhaltige Schäden verursachen. Denn die Laubholzmistel wurzelt wie die anderen Unterarten, die Kiefer- und die Tannenmistel, nicht im Boden. Ihr keimender Samen, den Vögel durch das Fressen der klebrigen, weißen Mistelbeeren verbreiten, dringt in die Rinde des Baumes ein. Dort zapft der Parasit, der sehr langsam keimt und wächst, den Wirt an und entzieht ihm Wasser und Nährstoffe. Das schwächt die Bäume und kann zum Absterben von Ästen führen.
Mistel als Wärmeanzeiger
Dass vermehrt Misteln an Bäumen zu sehen sind, hat mehrere Ursachen. „Die Mistel ist ein Wärmeanzeiger“, weiß Brigitte Goss, Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege am Landratsamt Schweinfurt. Gab es sie früher vor allem in Großbritannien oder an der französischen Küste – man denke an die Gallier, den Druiden Miraculix und seinen mistelhaltigen Zaubertrank – , so begünstigen heute klimatische Veränderungen mit milden Wintern ihren Vormarsch. Lange Trockenphasen im Sommer und daraus resultierender Stress für die Bäume machen es der Mistel leichter.
Als wichtigste Ursache für die Ausbreitung sehen Experten vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) vor allem die schlechte Pflege von Streuobstbeständen. Gerade Apfelbäume, allerdings nicht alle Sorten, können befallen werden. Manche, wie der Boskop, sind aber sehr resistent. „Je älter und ungepflegter die Obstbäume, umso anfälliger sind sie“, weiß auch Toni Keidel, der im Kreisverband für Obst- und Gartenbau ein engagierter Gartenpfleger ist.
Wenn sich um alte Streuobstwiesen niemand kümmert, wenn die Bäume nicht geschnitten werden, weil es kein Interesse mehr an der Verwertung des Obstes gibt, dann kann es Probleme geben, bestätigt der Euerbacher Ortsvorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins.
Büsche dürfen geschnitten werden
Die Mistel steht übrigens nicht unter besonderem Schutz. Sie darf, so der NABU, geschnitten werden und sollte es bei massiver Ausbreitung in Obstbeständen auch. Der Verband rät im Spätwinter und im zeitigem Frühjahr befallene Obstbäume zu beschneiden und deren Äste 30 bis 50 Zentimeter ins gesunde Holz zurück abzusägen. Das Abschneiden der Mistel selbst oder ihr Abdecken mit schwarzer Folie hätten sich dagegen nicht als erfolgreiche Bekämpfungsmittel erwiesen.
Eine einzelne Mistel in einem Hochstamm-Obstbaum sieht Brigitte Goss nicht als bedrohlich für den Baum an. „Ich habe bei mir zuhause eine Mistel abgeschnitten und die Blätter für Tee getrocknet“, erzählt die Fachfrau. Heilende Wirkung wird der Pflanze bestätigt, so gegen Bluthochdruck, bei Entzündungen oder Krämpfen. Auch als begleitende Therapie gegen Krebs wird die Mistel eingesetzt. Allerdings ist sie auch toxisch, so dass sie nur mit Fachkenntnis angewendet werden darf.
Vor allem die Mystik rund um die Mistel fasziniert Brigitte Goss. Eine Pflanze, die im Winter fruchtet, die auf Bäumen wächst, die schon 500 Jahre vor Christus wegen ihrer Heilkraft geschätzt wurde, die von Druiden mit goldenen Sicheln abschnitten wurde, und heute noch als Symbol für Fruchtbarkeit gilt, wirkt geheimnisvoll. „Wenn man die Zweiglein trocknet, werden sie golden“, weiß die Kreisfachberaterin. Damit lassen sich, altem Glaube zufolge, Schätze finden, innere Schätze, innere Werte. Ein Grund mehr für sie, der sogenannten Lichtpflanze mit Respekt zu begegnen.