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GEROLZHOFEN
Die Maschen der Online-Gangster
Der Fahnder: Polizeihauptkommissar Erwin Flohr ist bei der Inspektion Gerolzhofen Experte für Computer-Kriminalität.
Foto: Norbert Finster | Der Fahnder: Polizeihauptkommissar Erwin Flohr ist bei der Inspektion Gerolzhofen Experte für Computer-Kriminalität.
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Finster
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:50 Uhr

Erwin Flohr und sein Kollege Robert Nagy haben ein Schreiben auf dem Bildschirm stehen, das amtlich wirkt. Den Kopf zieren die bundesdeutschen Farben schwarz-rot-Gold und der Polizeistern. Doch schon die ersten Textzeilen machen stutzig: „Bundespolizei Es ist die ungesetzliche Tätigkeit enthüllt! Achtung!!! Ein Vorgang illegaler Aktivitäten wurde erkannt.“ Diese holprige Ausdrucksweise ist natürlich nie und nimmer Polizeideutsch.

Im Lauf des Textes wird dann klar, worum es geht. Der Adressat erfährt, dass er krumme Dinge im Internet gedreht haben soll. Er soll unter anderem Seiten mit kinderpornografischen Inhalten aufgerufen, sogar Mails mit terroristischem Hintergründen verschickt haben. Zur Strafe wurde sein Computer gesperrt. Er wird erst wieder verwendbar sein, wenn der „Täter“ 100 Euro an die „Bundespolizei“ überwiesen hat.

Noch auffälliger wird das Ganze, weil der Adressat den Betrag über anonyme Internet-Servicestellen wie UKash oder paysafe einzahlen soll.

Einer von vielen Fällen von Computer-Kriminalität, mit denen sich Polizeihauptkommissar Erwin Flohr herumzuschlagen hat. Er ist der zuständige Mann bei der Inspektion Gerolzhofen für dieses Deliktfeld und wird dabei vom Kollegen Ernst Haupt unterstützt.

Immer wieder fallen arglose und vertrauensselige Bürger auf teils perfide und immer neue Maschen von Internet-Betrügern herein. Da gibt es die Gewinnversprechung von einer Lotterie, an der man gar nicht teilgenommen hat. Der Gewinner eines tollen Autos soll 11 000 Euro für Zustellgebühr, Notariat, Rechtsanwalt, Steuern und Überführung zahlen. Oder die Abo-Falle, wo sich das Opfer auf einer Seite eingeloggt und eine Zeitschrift abonniert haben soll.

Einfach nicht reagieren

Oder der Inkasso-Verein oder die Rechtsanwaltskanzlei, die mit zivilrechtlichen Klagen droht, wenn das Opfer eine vermeintliche Forderung eines Klienten nicht bezahlt. In diesem Fall rät Flohr, einfach nicht reagieren, wenn man sich sicher ist, dass eine Forderung unberechtigt ist. Einzige Ausnahme: Wenn ein Mahnbescheid von einem Gericht kommt, muss man ihm, wenn er ungerechtfertigt erscheint, innerhalb von zwei Wochen widersprechen, sonst kann das Gericht nach dieser Frist tatsächlich den Gerichtsvollzieher schicken. Solche Bescheide kommen aber meist mit der Post und nicht per E-Mail.

„Ignorieren ist auch in den anderen geschilderten Fällen das Beste“, rät der Internet-Fahnder. Zurückschreiben – etwa an den Inkasso-Verein – hat kaum Sinn, denn in den meisten Fällen wird die Antwort ausbleiben.

Auch im Internet gibt es Trittbrettfahrer. Wie jetzt im Fall von Megaupload von Kim Schmitz, der im Januar durch das Justizministerium der Vereinigten Staaten unter anderem wegen Urheberrechtsverletzung aus dem Verkehr gezogen wurde. Jetzt treten andere an einstige Upload-Nutzer heran und wollen eine Zahlung. Damit könne der Zahler eine außergerichtliche Einigung wegen des Vorwurfs der Urheberrechtsverletzung erreichen.

Äußerst verdächtig ist es auch, wenn Computerbesitzern das Angebot gemacht wird, Geldtransfers gegen hohe Rendite online über ihr Konto abzuwickeln. Dahinter stecken meist unlautere Transfers, im Klartext Geldwäsche. „Ein Bürger aus unserem Zuständigkeitsbereich ist deswegen zu einer vierstelligen Geldstrafe verurteilt worden“, nennt Flohr ein abschreckendes Beispiel.

Spur der Täter führt ins Ausland

Das Fatale für Erwin Flohr und seine Kollegen: Meist kommen die Leute erst zur Polizei, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Für die Internet-Fahnder ist es dann oft schwer, der Täter habhaft zu werden. Denn fast immer führt die Spur ins Ausland und dorthin hat die deutsche Polizei keinen Zugriff. Amtshilfe könnte sie sich zwar erbitten, doch das ist ein langer Weg, der wegen kleinerer Schäden in der Regel nicht begangen wird.

Wer sich also unsicher ist, was sich hinter einer Zahlungsaufforderung oder einer Gewinnversprechung versteckt, der sollte sich nicht scheuen und besser mal präventiv zur Polizei gehen, rät Erwin Flohr. Sinn macht auch das Googeln des Absenders. Da kommt dann bei verdächtigen Adressen schnell der Hinweis „Achtung Betrug“.

Obwohl es immer neue Methoden gibt, online an das Geld anderer zu kommen, erkennt Erwin Flohr keine Gesetzeslücken, die die Verfolgung erschweren würden. Oft handelt es sich um Betrug oder Erpressung.

Etwa 20 Prozent seiner Arbeitszeit, so schätzt der Beamte, verbringt er mit der Verfolgung von Computer-Kriminalität. Natürlich muss er sich ständig auf dem Laufenden halten. Was bei Online-Gangstern gerade „in“ ist, erfährt er auf ganz konventionellem Weg – bei Fortbildungs-und Informationsveranstaltungen.

Schutz vor Viren und Trojanern – Erwin Flohrs Tipps

Mit relativ einfachen Mitteln ist es möglich, sich weitgehend vor Computer-Kriminalität zu schützen. Dazu gibt Polizeihauptkommissar Erwin Flohr, bei der Inspektion Gerolzhofen zuständig für Computer-Kriminalität, einige Tipps. Einen absoluten Schutz vor den Tricks der Online-Täter gebe es freilich kaum, meint auch der Polizei-Experte. Hier seine Empfehlungen.

• Passwörter niemals auf dem Computer speichern, regelmäßig ändern und sie sich bestenfalls auf einem Zettel notieren

• niemals den eigenen Namen oder Geburtstag für ein Passwort verwenden, stattdessen alphanumerische Konstrukte auswählen, also Verbindungen von Buchstaben und Zahlen und auch Sonderzeichen. Es gibt nämlich seit einiger Zeit sogenannte Knack-CDs mit Millionen Daten und einfachen Kennwörtern, die Computer-Kriminellen die Arbeit erleichtern.

• verschiedene Passwörter für verschiedene Anwendungen einsetzen

• einen Virenscanner aktivieren. Auch hier gibt es keinen absoluten Schutz speziell vor neu auftauchenden Viren. Kostenpflichtige Scanner haben den Vorteil, dass sie schneller auf neue Viren reagieren als kostenlose.

• eine Firewall installieren (eine solche gehört aber meistens zur Grundausstattung eines Computers)

• beim Browser die Sicherheitsoptionen hoch einstellen

• keine Anhänge von E-Mails öffnen, deren Herkunft unklar ist

• Download nur von seriösen Seiten vornehmen

• Vorsicht vor Daten-Phishing bei Bank- und Kreditkarten: Keine Bank wird bei ihren Kunden Daten wie Kreditkarteninformationen per E-Mail abrufen.

 
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