Ist das noch Kunst? Auf einem Bild von Axel Weisenberger fällt der Künstler aus dem Rahmen, im Wortsinn: die Zeichnung selbst hat den Charme einer schnellen Schülerkritzelei. Aber keine Sorge: Der Zeuzlebener IT-Spezialist kann malen und zeichnen, was er mit Aquarellen oder Bleistift-Arbeiten bewiesen hat. In den Gaden in Geldersheim sind dank "Urban Sketching" nun neue Seiten zu sehen.
"Örben what?" heißt es verschmitzt auf einer kleinen Infotafel. Beim "Urban Sketching", dem "Skizzieren in der Stadt" geht es nicht um den perfekten Pinselstrich, das Füllen jeder Leerstelle auf dem Blatt: Der Erfinder dieser internationalen Bewegung, Gabriel "Gabi" Campanario, spricht von "gezeichnetem Journalismus". 2007 hat Campanario das "Notizblock-Zeichnen" aus der Taufe gehoben, als "echter" Journalist in Seattle. Allein in Deutschland gibt es derzeit 30 Gruppen, Tendenz steigend.
Kunst des Weglassens mit Sinn für neue Details
Urban Sketcher zeigen eine scheinbar längst vertraute Umgebung so, wie sie täglich vor ihren Augen erscheint: unmittelbar, zugespitzt, schnell, aber empathisch. Es ist eine Kunst des Wesentlichen und damit des Weglassens, mit Sinn für neue Details: was oft anspruchsvoller ist als fotogetreues Abmalen. Wie bei der schreibenden Zunft geht es dabei weniger um objektive "Wahrheit", sondern um "Wahrhaftigkeit": das Erzählen von Geschichten oder Stimmungen, wie sie der Beobachter im Moment erlebt.
Das Endergebnis wird online, etwa auf "Flickr", veröffentlicht und in der Gruppe diskutiert. Weisenberger, Jahrgang 1964 ("gemalt habe ich, seitdem ich Buntstifte halten kann"), packt immer wieder den Tuschekasten aus, um eine Bushaltestelle, die Warteschlange vorm Supermarkt, Tiere, Autos und Porträts, ein Fachwerkhaus in Bad Brückenau oder das Chilehaus in Hamburg auf Papier zu bannen. Seit 2014 entdeckt der gebürtige Schweinfurter dank "Urban Sketching" einen völlig eigenen Stil, mit dem er die heimische Landschaft zeigen kann. Entsprechend gibt es zur Vernissage zünftige fränkische Blasmusik der Brebersdorfer Musikanten.
Ai Weiwei: "Es geht nicht darum, in Museen auszustellen"
Claudia Cebulla hat den Urban Sketcher beim "Tag des offenen Ateliers" im Oberen Werntal kennengelernt, bei der Vernissage übernahm die Vorsitzende des Gadenvereins die Laudatio – mit einem Zitat des chinesischen Kunstdissidenten Ai Weiwei: "Es geht nicht darum, in Museen auszustellen, Dinge an die Wand zu hängen. Kunst sollte in den Herzen der Menschen leben."
Urban Sketching ist im Sinne Weiweis nicht elitär, sondern für "Normalos" gedacht. Vorbild sind die Skizzenbücher der großen Meister, von Rembrandt bis da Vinci, die gerade wieder als "Kunst des Unfertigen" entdeckt werden.
Die Weisenberger-Ausstellung ist noch bis 21. Juli sonntags von 15 bis 17 Uhr in der Gadengalerie in Geldersheim zu sehen.