In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stürzte der Zweite Weltkrieg Deutschland und die Welt in eine tiefe und langwierige Krise. Willi Baumeister, der als Wegbereiter der Nachkriegskunst in Deutschland den Sammlungsrundgang in der Kunsthalle Schweinfurt miteröffnet, gibt in seinen Tagebüchern intime Einblicke in die frühe Phase des Wiederaufbaus.
Es mangelt an allem, besonders plagt ihn die Kälte, weil es keine richtige Heizung gibt. Trotzdem kann er schon im Oktober 1945 festhalten: „Die Bekannten, die man nun öfters trifft, erscheinen einem wie neu geboren.“ Baumeister selbst kann seine Kunst wieder öffentlich zeigen: „1.11.1945: Intendant Schroer, Kammertheater fordert mich auf Ausstellung in seinen Theater-Räumen (Bar) zu machen. Da ich mich bis jetzt geweigert habe, auszustellen, auch keine Rahmen habe, tue ich es ungern.“ Kunst und Kultur bringen, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, wieder Schwung in die ausgezehrte Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg.
Das Ringen um neue Formen
Die Kunst hatte damals jedoch nicht nur mit rein praktischen Nöten zu kämpfen. Auch inhaltlich sahen sich viele Kunstschaffende in einer Krise und rangen um neue Ausdrucksformen. Einen beachtlichen Teil von ihnen führte diese Suche zu einer übergegenständlichen oder besser gegenstandsentbundenen Darstellungsweise. Das Informel, ein wesentlicher Schwerpunkt in der Sammlung der Kunsthalle, verstand sich auch als bewusster Gegensatz zur Kunstdiktatur der Nazizeit.
Oder wie der Künstler Rupprecht Geiger resümierte, „die Welt schreit nach Erneuerung oder Untergang. Die Abkehr vom Gegenständlichen, der Ekel vor den Dingen, die auf den Menschen bezogen sind, hat seinen tiefen Grund. Diese Menschheit hat sich zutiefst verdächtig gemacht.“ Im Prolog seiner Wallenstein-Trilogie schrieb Friedrich Schiller: „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“.
Diese Worte lassen sich nun in zweierlei Richtung lesen: Zum einen kann ein heiteres Motiv eine imaginäre Reise, ja eine Flucht aus dem unerträglichen Alltag bedeuten. Kräftig leuchtende Farben können dabei eine wesentliche Rolle spielen. Nicht umsonst ist der Ausdruck „fröhlich bunte Farben“ fest im Sprachgebrauch verankert. Besonders augenfällig finden sich diese kolorierten Stimmungen etwa in Werken Joachim Kerstens, in denen bei einer weitestgehend erprobten Bildsprache die unterschiedliche Wirkung der in wechselnden Kombinationen aufgetragenen Farben erfahrbar wird.
Heiterkeit kann man aber auch als Ironie verstehen. So kann ein auf den ersten Blick humorvolles Kunstwerk durchaus den Platz eines kritischen Kommentars einnehmen. Harald Klemm persifliert in seiner Kunst unter anderem den vermeintlichen Wohlstand im wiedervereinigten Deutschland. Indem er in seinen zunächst einfach wirkenden Bildern Konsumgüter, wie einen Plastikklappstuhl oder Mercedes-Radkappen, zu widersprüchlichen neuen Objekten zusammenbaut, zwingt der Maler den Betrachter, auch hinter eine vermeintlich frohe bunte Fassade zu blicken und so die Probleme zu entdecken.
Seine Kunst macht die Krise also erst wirklich sichtbar. Damit befindet Klemm sich im Untergeschoss der Kunsthalle neben Thomas Baumgärtel und Hans Ticha, die dort in ebenfalls ironischer Weise den Ost-West-Konflikt thematisieren, in passender Nachbarschaft.
Der jüngeren deutschen Geschichte widmet sich auch der Fotograf Manfred Paul. In seinen Aufnahmen konserviert er die historischen Begebenheiten für die Nachwelt. Für Paul braucht es dabei im Bild keine konkreten Handlungen. Sein Motiv sind Räume, in denen die Geschichte Spuren hinterlassen hat. Seine Mauerbilder sind stumme aber dennoch aussagekräftige Zeugen des Kalten Krieges und eines dadurch geteilten Landes. Pauls dokumentarischer Blick ist jedoch nicht nur als Mahnung vor einer Wiederholung der Geschichte zu verstehen. Seine Fotografien sind zugleich auch immer eine Art Hoffnungsschimmer, denn sie erinnern daran, dass sich eine Krisensituation verändern und somit auch zum Guten wenden kann.
Fällt das Bestimmen eines emotionalen Zustandes mit Worten schwer, zeigen Darstellungen von abstrakten Begriffen wie Angst, Ohnmacht, Trauer oder Wut, wie sie etwa beim Bildhauer Andreas Kuhnlein oder in den Gemälden von Michael Morgner in der Sektion „Individuum und Gesellschaft“ im Untergeschoss der Kunsthalle zu finden sind, deren unterschiedliche Ausformungen auf. Dabei bieten die expressiven künstlerischen Positionen zahlreiche Anknüpfungspunkte für die ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Gemütszustand und ermöglichen dem Betrachter nicht nur Klarheit, sondern weisen erste Schritte in Richtung der Überwindung einer emotionalen Krisensituation.
Die Mediakonie des Mehrgenerationenhauses Schweinfurt bringt in Form von Kurzfilmen „Kunst nach Hause“. Drei spannende Einblicke in die Sammlung der Kunsthalle, in denen auch einige der genannten Künstler vertreten sind, findet man auf dem Youtube-Kanal „Treffpunkt Mitte-Mehrgenerationenhaus Schweinfurt“. Außerdem gibt es auf dem Youtube-Kanal der Kunsthalle einen Film zur aktuellen Ausstellung „Volker Stelzmann. Stadt - Werkstatt“ zu entdecken.