Welch ein Genuß war das große Festkonzert „Gloriosa“ zum Rosenkranzfest, dem Patrozinium der Gerolzhöfer Stadtpfarrkirche „Maria vom Rosenkranz“. Dort musizierte das Symphonische Blasorchester Kürnach unter der Leitung von Wolfgang Heinrich gemeinsam mit Kantor Karl-Heinz Sauer an der heuer 20 Jahre alt gewordenen Winterhalter-Orgel.
In seinen einleitenden, stimmungsvollen Worten zitierte Hausherr Pfarrer Stefan Mai den Psalm 150, „Das große Halleluja“, der mit seinen Worten „Lobt Gott in seinem Heiligtum (…), lobt ihn mit dem Schall des Widderhorns (…) und Flöte“ so gut zum Abend passte. Auch erinnerte er daran, dass alle „sýmphonein“ – sie müssen zusammenklingen. Und das taten sie.
Schon gleich mit dem ersten Stück, Morten Lauridsens „O Magnum Mysterium“ für Orchester, verspürte man, dass dies wieder einer dieser Momente sein würde, die Herzen zu erhellen, mit Licht und Wärme zu füllen. Ein wunderschönes Stück, wie ein Sonnenaufgang im Wald, getragen, dunkel die „großen“, tiefer gestimmten Bläser über die sich langsam die helleren Bläser erhoben, aus denen sich schließlich einzelne Hörner herauskristallisierten und die Führung übernahmen. Ganz klar, ganz ruhig und friedlich steigerte sich die Musik, die Instrumente ins Crescendo, kam die Pauke hinzu und rührte mit seiner unendlichen Schönheit zu Tränen.
Stimmung und Atmosphäre aufnehmen
Ganz anders, quasi eine 180 Grad-Drehung, die darauffolgende Vertonung des „Psalm XIX“ des Barock-Komponisten Benedetto Marcello mit Orchester und Orgel mit ihrem feierlichen Pomp, in musikalischer Weise steif, aber nicht weniger einnehmend.
In der Begrüßung durch Dirigent Wolfgang Heinrich, seines Zeichens Instrumentalpädagoge und diplomierter Orchestermusiker, erfuhren die Zuhörer nicht nur etwas über die bereits gehörten und die kommenden Stücke, sondern konnten auch die besondere Stimmung und Atmosphäre in der Kirche aufnehmen, wie sie eigentlich nur zu Konzerten herrscht. Und auch ein bewussterer Blick in das Orchester war möglich, ließ Blicke auf teils noch sehr junge Frauen und Männer zu, auf ihre vielfältigen Instrumente, von Querflöten, Klarinetten, Oboe hin zu Trompeten, Posaunen, Tuba, Hörner und mehr. Rund 45 Musiker von über 250 jungen Aktiven des Symphonischen Blasorchesters Kürnach waren nach Gerolzhofen gekommen, keine Berufs-, sondern leidenschaftliche Freizeitmusiker. Dass diese Begeisterung durchaus ein Garant für Qualität sein kann, zeigten sie gleich in der folgenden „Suite“ des englischen Tischlers, Virginalisten und Komponisten Giles Farnaby.
Wunderbar, wie typisch man hören konnte, zu welcher Zeit diese Komposition entstand, nämlich an der musikalischen Wasserscheide zwischen Renaissance und Barock. Teils etwas gewöhnungsbedürftig mit ihrem üppigen Beckeneinsatz und kleinen Tempiwechseln, teils graziös-melodiös mit Flöten, Fagott und Glockenspiel, beeindruckte sie jedoch mit ihrem ordentlichem Wumms und besonderer Fröhlichkeit. Witzige Randnotiz: die Saxophone, die so brav und engagiert in diesem Stück mitspielten, wurden eigentlich erst rund 250 Jahre später erfunden – kein Fehler, sondern natürlich eine Bearbeitung für Blasorchester.
Gänsehaut beim "Canterbury Choral"
Gewaltige Gänsehaut dann wieder bei Jan van der Roosts „Canterbury Choral“, ein Choral, der um die Welt ging und noch immer geht, der bestrebt, das Orchester orgelgleich klingen zu lassen. Wohlig warm dröhnten die Tuben und Posaunen, melodisch und melodienhaft zugleich glitten die Trompeten und Hörner hinein, imitierten in der Tat den Orgelklang und fanden ihren Höhepunkt im Erschallen von Pauken und Becken.
Mit Charles Koechlins „Choral in f-moll op. 90“ für Orgel solo schloss sich der Kreis, denn in diesem ernsten, modernen, von Karl-Heinz Sauer gewohnt virtuos gespielten Werk, fanden sich immer wieder Stellen, die durchaus auch von Bläsern hätten gespielt sein können.
Im titelgebenden Herzstück des Abends, dem „Gloriosa“ von Yasuide Ito trafen sich Ost und West. In diesem Stück behandelt Ito die Geschichte des Christentums in Japan, von der Christianisierung durch die Jesuiten ab 1550 über die japanweiten Kirchenschließungen durch die Shogune um das Jahr 1750 und den folgenden Gang in den Untergrund. Und ja, kaum erklangen die ersten Töne auf dem Glockenspiel, so klar, so schlicht, so klassisch japanisch, vermeinte man sich als Zuhörer unter Kirschblüten bei einer Teezeremonie. Ein gregorianischer Choral kommt heran, bildet den Boden für ganz und gar nicht japanische Blechbläser und einem Wechselgesang zwischen Japan und Europa: sanft, zart setzt er die Holzbläser und die Trommel ein, lässt sie von pompösen, maestoso Blechbläsern unterbrechen, kündet so von Wachsamkeit und dem beständigen Fließen des christlichen Glaubens über die gesamte Inselwelt. Ein unglaublich plakatives Werk, das das Ablaufen eines „Kopfkinos“ nicht nur ermöglicht, sondern unvermeidbar macht. Immer wieder spielten die Musiker einmütig zusammen, trennten sich in wildem Getöse und kamen schließlich doch wieder zusammen, die Instrumente aus Europa in einem klar japanisch klingenden Stück. Hier zeigte sich das hervorragende Zusammenspiel der Musiker, die großartige Dirigentenleistung Wolfgang Heinrichs besonders, sehr fein tariert und ausgesteuert präsentierte sich die „Gloriosa“, meisterhaft und voller Leben dargebracht.
Abwechselndes Miteinander der Instrumente
Perfekt schloß sich der dritte Satz der „Symphonie Nr. 3 c-moll – Orgelsymphonie“ von Camille Saint- Saëns an. Verspielt erklangen die Bläser zart mit dem Glockenspiel ohne Orgel, dann wieder als große Kraft gemeinsam mit ihr und den „lauten“ Bläsern, Becken und Pauken; ein abwechselndes Miteinander mit süßlichen Klängen, grummelnder Gewaltigkeit und dräuenden, glasklaren Hörnern. Gewaltig, mächtig die Tuben, die sich mit allen Bläsern und der Orgel, die gefühlt alle ihrer 36 Register gezogen hatte zu einem packenden, gewaltigen Einklang. Auch hier war es wieder ein Erlebnis, die Musiker beim Spielen beobachten zu können, besonders den sehr konzentrierten Paukisten, fein, gefühlvoll spielend, der auch mal mit den Unterarmen den Schall dämpfte und bremste.
So schön, so elegant das „Concerto für Oboe & Orchester – II. Adagio“ von Benedetto Marcello bei dem Karl-Heinz Sauer an der Orgel Maria Gimeno Regal an der Solo-Oboe nur zart unterlegte. Dieser besondere Klang der Oboe, immer mit einem Hauch Melancholie darin, die sanfte, zurückgenommene Orgel, beides so schön und graziös gespielt, einfach nur herrlich wie klar, zart und dennoch kraftvoll die beiden Instrumente das Schiff der Kirche ausfüllten.
Stehende Ovationen für großartige Leistung
Letzteres wurde im letzten Stück des Abends „Song for Japan“ von Steven Verhelst für fünf Posaunen und Orchester noch einmal auf die Probe gestellt. Dominierten zu Beginn Glockenspiel und zwei Pauken, wurden diese nach und nach von den wunderbar warm klingenden Posaunen abgelöst, mischte sich das Orchester neu mit hinein, kam das Xylophon mit dazu, ging vom piano übers crescendo ins fortissimo – Wahnsinn, wie dieses Orchester mit seiner musikalischen Kraft das Kirchengebäude quasi sprengte und einen die Kraft der Musik auch körperlich fühlen lies.
Die Ovationen für diese großartigen Leistungen von Dirigent, Orchester, Organist und Solisten gab es im Stehen. Und wer beim Stichwort Blasmusik sofort ausschließlich an Trachtenjanker, Gamsbarthut und Tuba denkt, dem sei ein Konzert der Kürnacher warm ans Herz gelegt.