"Wir sind stolz, wenn unsere Schiffe geradeaus fahren": Es geht (noch) nicht um funkgelenkte Modellschiffe beim Fototermin am Baggersee, der an diesem bewölkten Herbsttag selbst aussieht wie ein kleines Miniaturmeer. Schiffsbauer Rudolf Meinhardt setzt bei den Einsteigermodellen noch ganz auf klassischen Antrieb. Seine Yachten sind mit Segeln und Zugleine ausgestattet.
Für eine Regatta bräuchte es allerdings mehr Wind, in der "Mittel- und Schwerwetterklasse". Oder überhaupt mal eine Brise. "Heute haben wir Windstärke Null", sagt der erfahrene Tüftler, der seit 1972 Workshops und Vhs-Kurse rund um den Holzmodellbau angeboten hat. Ein Dreivierteljahr lang hat er an seinem kleinen Geschwader gefeilt und geschraubt, Hand in Hand mit neun Schwebheimer Kindern und deren Eltern. Vor kurzem war Ansegeln. Der private Kurs wurde als "Leader-Projekt" gefördert.
Anfang der 1960er Jahre hat Rudi Meinhardt den Schiffsmodellbau-Club Schweinfurt mitgegründet, hat bayerische Meisterschaften an den Main gebracht und ist selbst an der deutschen und internationalen Spitze mitgesegelt. Auch mit dem Aeroclub hat der ehemalige Kugelfischer-Ingenieur eng zusammengearbeitet, in Sachen Flugzeugmodelle. Über 100 Modellschiffe reihen sich bei ihm zu Hause.
80 bis 100 Teile stecken in jeder Yacht
Meinhardt liebt sein Hobby. Wenn er von den Feinheiten spricht, dann könnte man sich auf halbem Weg nach Kap Hoorn wähnen, statt an der Wachstation des BRK. Die Maße müssen stimmen, je nach gewünschtem Ergebnis. Es geht zum Beispiel um "Luvgierigkeit", den Drang eines Schiffs, sich in Richtung Wind zu drehen, im Unterschied zu "Leegierigkeit". Da würde sich das Boot vom Wind wegbewegen.
Doch heute herrscht Flaute für die kleinen Windjammer, die formschön aus Holz beplankt und lackiert worden sind. Die Segel wurden handgenäht, die Bleigewichte eigenhändig gegossen und am "Lateralplan" montiert. Gemeint ist die seitliche Unterwasserfläche eines Seglers, deren Größe darüber entscheidet, ob er nun kursstabil durch die Wellen pflügt oder schnell abdriftet. Dazu kommt noch das "stehende", das unbewegliche, und das "laufende" Gut der Takelage, mit dessen Hilfe die Segel verstellt werden. So an die 80 bis 100 Teile stecken in jeder Yacht. Stolz lassen die jungen Eigner zwischen acht und zehn Jahren ihre Renner zu Wasser.
Es dauert ein bisschen, dem Baggersee-Skipper aus Schwebheim biografische Einzelheiten zu entlocken. Das geht schon beim Alter los: "Ich zähle nicht die Jahre, nur die Glücksmomente im Leben", sagt er. 1955 ist Meinhardt von Wuppertal an den Main gezogen. Geboren wurde er 1930 und stammt aus Frankfurt an der Oder. Später kam er, des Berufs des Vaters wegen, an die Küste, nach Bremerhaven, wo die großen Amerikadampfer, die "Columbus", aber auch die "Bremen" oder "Europa" vor Anker lagen. Noch als Teenager wurde Meinhardt zum Kriegsdienst eingezogen, hat einiges erlebt und überlebt. Ein anderes Thema.
Ein feines Gespür für Wasser und Wind
Ein feines Gespür dafür, wie so ein Schiff im Wasser liegt, wie es sich gegenüber dem Wind verhält, das bekommt man auch im Modellyachtbau. Durch die Coronazeit waren nicht gar so viele Treffen mit den Kindern möglich, mit Leonard, Hugo, Theo, Leon, Noa, Damian, Johannes, Lenny und Julius. Die Eltern hätten mitgeholfen, sagt Rudolf Meinhardt, was der Sinn der Förderung sei: "Schon der Vater von Hugo hat bei mir Modellschiffe gebaut."
Christine Klement hat als eine der Mütter besonders viel Zeit an der Nähmaschine verbracht, für die Segel. Die Erfahrung, in der Gruppe selber etwas herzustellen, mit greifbarem Ergebnis, sei heutzutage unglaublich wichtig für Kinder, findet Meinhardt: "Das Handwerkliche ist am Aussterben." Nun gibt es neun neue Boote der Jungmann-Klasse, inklusive Halterung. Mit der laufenden Nummer 171 bis 179.