Der Forstbetrieb Ebrach der Bayerischen Staatsforsten steht mehr denn je im Fokus der Öffentlichkeit. Ja, man kann getrost sagen, er steht inzwischen unter strenger Beobachtung insbesondere der Naturschutzszene. Jetzt hat ein für die Holzernte vorgesehener alter Bestand in der oberhalb von Fabrikschleichach im Revier Zell am Ebersberg gelegenen Abteilung Röthen die Aufmerksamkeit auf den Forstbetrieb gelenkt.
Dort sollen nach Aussage besorgter Waldbesucher auch Buchen mit einem Brusthöhendurchmesser von über 80 Zentimeter farblich markiert – in der Förstersprache heißt es ausgezeichnet – worden sein, um sie zu entnehmen. Das wäre über der Grenze, die sich die Staatsforsten selbst auferlegt haben, um die sogenannten Methusalembäume nicht zu Geld zu machen, sondern sie stehen zu lassen, bis sie das Zeitliche segnen. Die Redaktion ist dem Hinweis nachgegangen.
Erst Augenmaß, dann Maßband
Revierleiter Paul Huber will gar nicht ausschließen, dass er möglicherweise auch einmal eine Buche über 80 Zentimeter – er spricht in dem Fall gerne von „Johnnies“ – in der 27 Hektar großen Waldabteilung zwischen Fabrikschleichach und Fatschenbrunn ausgezeichnet haben könnte. Beim Markieren der Bäume mit der Spraydose gehe er nämlich nicht mit dem Maßband durch den Wald, um jeden Baum zentimetergenau abzumessen, sondern verlasse sich grob auf sein Augenmaß.
Das genaue Abmessen werde dann, wie immer, vor dem endgültigen Absägen den dafür sensibilisierten und geschulten Waldarbeitern überlassen. Sie würden zum einen nochmals genau Maß nehmen und zum anderen auch schauen, ob der Baum eventuell übersehene ökologische Mikrohabitatstrukturen aufweist, weil er noch belaubt war, als er vom Förster ausgewählt worden ist. So können etwa Höhlen, Risse und Spalten oder freiliegendes Holz den Baum noch davor bewahren, abgesägt zu werden. Er darf dann stattdessen zur Freude von Specht, Stachelbart, Schwarzkäfer & Co. als Biotopbaum stehen bleiben, um bestimmten Tier- oder Pilzarten als Wohnstatt und Lebensraum zu dienen.
1000 Hektar mit Zweischichtenwald
Für Forstbetriebsleiter Ulrich Mergner ist die Holzerntemaßnahme in der Abteilung Röthen ein willkommener Anlass, um das Augenmerk auf einen besonderen Aspekt zu richten. Die rund 27 Hektar große Fläche im Distrikt Beerberg sei nämlich ein „gutes Beispiel, das wir oft im Forstbetrieb auf rund 1000 unserer 17 000 Hektar Staatswald haben“: ein sogenannter zwei- und mehrschichtiger Wald. Diese Form der Waldbewirtschaftung ist ein Relikt aus dem Ende der Kahlschlagzeit Ende der 1960-er, Anfang der 1970er-Jahre. Damals entstanden die großflächige Verjüngungen, die heute die zweite Schicht unter den Altbäumen bilden.
In der Oberschicht ist die Buche mit 68 Prozent, häufig gemischt mit der Eiche (29 Prozent), neben weiteren Laubbaumarten vorherrschend. Die Unterschicht wird auf großer Fläche von der Schatten ertragenden Buche dominiert. „Das Schlechte fällt zuerst, das Gute bleibt erhalten“ habe seinerzeit die Devise gelautet, so Ulrich Mergner. Was damals als schlecht galt, würde heute häufig die Anforderungen an einen Biotopbaum erfüllen. So stehe nun im Zweischichtenwald in der Oberschicht die „Creme de la Creme“ qualitativ hochwertiger Bäume.
Die Ober- und die Unterschicht
Das Alter der deutlich älteren Oberschicht mit gezielt erhaltenen Bäumen liegt bei rund 150 Jahren, das der jüngeren Unterschicht hingegen nur bei rund 25 Jahren. Seit zwei, drei Jahren habe man sich intensiv Gedanken gemacht, wie man künftig speziell mit den wertvollen Bäumen der Oberschicht umgehen soll, damit langfristig genügend Biotopbäume für die Artenvielfalt im Wald verbleiben. Dazu werden alle Bäume mit einem in Brusthöhe von 1,3 Metern gemessenen Durchmesser von über 30 Zentimeter von Katharina Crocoll in einer Datei erfasst. Die junge Frau absolviert im Forstbetrieb ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ).
Insgesamt haben auf der 27 Hektar großen Fläche in der Waldabteilung Röthen exakt 817 Bäume Eingang in die Erhebungslisten gefunden. Davon waren 252 Biotopbäume mit ökologisch wertvollen Habitatstrukturen und 565 Bäume, die theoretisch nutzbar wären. Pro Hektar sind es 30,3 Bäume in der genannten Größenordnung. Rund ein Drittel (9,3 Bäume pro Hektar) sind Biotop- und Methusalembäume, wobei zwischen vier Biotopbaumkategorien unterschieden wird, je nachdem ob die Habitatstrukturen aufgrund ihrer Beschaffenheit eher kurz-, mittel- oder langlebig sind, oder ob es sich um einen Biotopbaum-Anwärter handelt.
Ganz gezielte Selektion
Obwohl also 565 Bäume (20,9 Bäume pro Hektar) theoretisch zur Auswahl standen, wurden für die anstehende Hiebsmaßnahme nur 116 bis zum heutigen Tag gepflegte und geförderte Bäume (gleich 4,3 Bäume pro Hektar) mit einem Brusthöhendurchmesser, kurz BHD, von 60 bis 80 Zentimeter ausgezeichnet. Das sind 14,2 Prozent aller kartierten beziehungsweise gut 20 Prozent der theoretisch nutzbaren Bäume. Bezogen auf die Gesamtzahl der Bäume in der Oberschicht ist somit lediglich jeder fünfte Baum mit einem BHD von über 30 Zentimeter zur Nutzung vorgesehen.
Ulrich Mergner: „Glauben Sie uns, wir machen das mit sehr viel Sorgfalt und Überlegung.“ Die gezielt ausgewählten Altbäume hätten einen hohen wirtschaftlichen Wert, weil sie weitgehend astfrei sind und wenige Holzfehler aufweisen.
Das Heranziehen von Biotopbäumen
Dadurch, dass sich der Forstbetrieb auf die Entnahme einzelner Bäume beschränkt, wird verhindert, dass ein gänzlich junger Wald entsteht. Mit dem Belassen von alten Bäumen soll zudem die Zeit überbrückt werden, bis die heute jungen Bäume die Biotopqualität bis die heute jungen Bäume die Biotopqualität als Wohnstube, Unterschlupf und Aufzuchtstätte für den Nachwuchs diverser Arten übernehmen können ohne gleich „ein Johnnie sein zu müssen“ (Paul Huber). Das wird voraussichtlich im vollen Umfang erst in den nächsten 50 bis 100 Jahren der Fall sein. Ziel im Forstbetrieb ist es dabei, möglichst dauerhaft auf einen Anteil von zehn Biotop- und Methusalembäumen pro Hektar zu kommen.
Die Abnehmer der starken Buchen
Der größte Teil der entnommenen Starkbuchen wird laut Forstbetrieb an einheimische Kunden verkauft, die daraus hochwertige Brettware und Kanthölzer unter anderem für den Möbelbau oder Hausinnenausbau fertigen. Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der starken Buchen wird als Brenn- oder Industrieholz bereitgestellt und verkauft. Der Grund dafür ist ökologischer Natur: Im Ebracher Staatsforstbetrieb gibt es zu wenig starkes Laubtotholz. Deshalb wird beim ersten starken Ast gezopft, sprich abgesägt. Die Krone verbleibt im Wald und dient als Nahrungs- und Lebensraum für die Artenvielfalt.
Der Goldfellschüppling als Profiteur
Ein Beispiel dafür ist der Goldfellschüppling, ein Pilz, der eine liegen gebliebene Krone aus dem letzten Hieb vor rund sieben Jahren besiedelt hat. Später werden andere Pilze und Holzkäfer auftauchen und sich gütlich tun bis ziemlich zum Schluss hoch spezialisierte Arten wie der Ästige Stachelbart dafür sorgen, dass aus dem ehemaligen Stamm bester Waldboden wird, so Ulrich Mergner. Damit schließt sich der biologische Kreislauf: Der Baum, der jahrzehntelang Nährstoffe aus dem Waldboden gezogen und gesogen hat, gibt diese dem Waldökosystem wieder zurück.