zurück
Gerolzhofen/Würzburg
Die Heimkehr der Frankenapostel
60 Jahre danach In einer Nacht- und Nebelaktion waren die Reliquien von Kilian, Kolonat und Totnan im Jahr 1943 vor dem Zugriff der Nazis in Gerolzhofen versteckt worden. Vor 60 Jahren kehrten sie in einer dreitägigen feierlichen Prozession wieder nach Würzburg zurück.
Die Heimkehr der Frankenapostel
Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 03.07.2009 07:47 Uhr

Dass die wichtigsten fränkischen Reliquien während des so genannten Dritten Reiches gerade in Gerolzhofen versteckt wurden, ist ein Indiz für die Wertschätzung, die man dem als Nazigegner bekannten, aber gleichzeitig als klug, besonnen und vorsichtig geltenden Gerolzhöfer Stadtpfarrer Josef Hersam kirchlicherseits entgegenbrachte. Beim Verstecken der Reliquien und Teilen des Domschatzes im Nordturm der Pfarrkirche scheint es weniger um eine Sicherung vor möglichen Kriegsschäden gegangen zu sein. Denn dass die wegen ihrer überragenden Kunst- und Kulturschätze berühmte Bischofsstadt am Main je einem flächendeckenden alliierten Bombenangriff ausgesetzt sein würde, daran hat damals niemand geglaubt. Würzburg war schließlich auch Lazarettstadt.

Nein, vielmehr fürchtete man seitens der Kirche Übergriffe der Nationalsozialisten auf die fränkischen Glaubenssymbole. Schon im Jahr 1937 wurde ein Verbot erlassen, Privathäuser, etwa bei der Fronleichnamsprozession, in den Kirchenfarben gelb und weiß zu beflaggen. 1939 wurden die Wallfahrten eingeschränkt und es gab Restriktion hinsichtlich des Läutens der Kirchenglocken. Im Juni 1941 mussten die Kruzifixe aus den Schulen entfernt werden, der Religionsunterricht wurde eingeschränkt. Im November 1941 schließlich begann man mit der Abnahme der Glocken aus den Kirchtürmen.

Der mainfränkische Gauleiter Otto Hellmuth war ein besonders eifernder Gegner der katholischen Kirche. Seine älteste Tochter hatte er nach der fränkischen Herzogstochter Gailana genannt, die der Legende nach Anstifter in des Mordes an Kilian, Kolonat und Totnan war. Deshalb lag die Gefahr nahe, dass die Nazis in einem nächsten Schritt sich der Frankenheiligen bemächtigen könnten, um sie zu zerstören – oder sie in den Nazismus zu integrieren, in einen Nazismus als säkularisierte Religion mit Hitler als den neuen Messias an der Spitze der Bewegung.

Das Verbringen der Reliquien wurde auch innerkirchlich streng geheim gehalten. Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen (etwa in Form von einer wie auch immer gearteten „Quittung“ gegenüber dem Domkapitel), welche Gegenstände Pfarrer Hersam und seine verschwiegenen Helfer aus Würzburg herausholten. Einzige Quelle ist ein handschriftlicher Zettel von Eugen Kainz, damals Subkustos am Kiliansdom. Auf dem Zettel hat der Subkustos, der für die Pflege des Domschatzes, der Reliquien und der liturgischen Geräte und Gewänder verantwortlich war, vermerkt, dass er am 25. August 1943 eine alte Eisenkiste genommen hat, die dem Priesterseminar gehörte. In diese Kiste legte er die drei Häupter der Frankenapostel und außerdem vier wertvolle Mitren, die er auch kurz beschreibt. Die Kiste wurde dann vermutlich in das vermeintlich sichere Kriegslager von Domschatz und Diözesanarchiv in den Gewölben unter den Glockentürmen der Kathedrale gebracht.

Vermutlich Ende 1943 konnte Pfarrer Hersam den Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried davon überzeugen, die Reliquien aus den Kellern herauszunehmen. Hersam sprach den ihm gut bekannten Lagerhaus-Besitzer Karl Wolf in Gerolzhofen an. „Unter absoluter Verschwiegenheit“, so erinnerte sich später Karl Wolf, seien die Heiligtümer mit dem Büssing-Lastwagen seiner Firma nach Gerolzhofen gebracht worden. Die Kiste wurde im Bischöflichen Palais abgeholt.

Die Abholung im Bischöflichen Palais war unverfänglich. Neben dem Bischofspalais befand sich das Internat der Englischen Fräulein, das die Töchter von Karl und Antonia Wolf besuchten. Dort waren schon häufiger Gepäckstücke und Kisten vom Kraftwagen der Firma Wolf abgeholt worden, so dass die jetzige Aktion nicht auffiel.

Doch Karl Wolf war nicht der einzige verschwiegene Helfer von Pfarrer Hersam. Ende Februar oder Anfang März 1945, also nur wenige Tage vor dem verheerenden Bombenangriff, war Hersam wieder in einer Nacht- und Nebelaktion in Würzburg unterwegs. Diesmal hatte er den Gerolzhöfer Nikolaus Pfister um Hilfe gebeten. Dessen Witwe Antonie berichtete später über die Geheimaktion: „Mein Mann hat damals zur mir gesagt, Frau, ich muss morgen mit Pfarrer Hersam eine gefährliche Fahrt mit dem Lastwagen nach Würzburg machen. Sag niemand, wohin ich gefahren bin und mit wem ich gefahren bin. Bete für uns, dass wir wieder glücklich heimkommen!“ Man holte „Kartons und Kisten“ aus dem Dom und aus Neumünster. Über den Inhalt der Kisten wollte – und konnte – Nikolaus Pfister nichts sagen. Die Witwe erinnerte sich: „Mein Mann sagte nur: Frau, ich darf dir nichts sagen. Du musst einfach glauben, was ich dir sage!“

Neben Wolf und Pfister hat Hersam einen dritten Mann um Hilfe gebeten: den Fuhrunternehmer Josef Weißenberger. Auch mit Weißenberger ist Hersam mit dessen Lkw nach Würzburg gefahren, um Kisten nach Gerolzhofen zu holen. Auch hier herrschte strengste Verschwiegenheit. Details dieser Fahrt hat Josef Weißenberger zu Lebzeiten nicht einmal seinen beiden Söhnen erzählt.

Nach Kriegsende fragte Hersam am 12. Juni 1946 beim ins Kloster Oberzell ausgelagerten Bischöflichen Ordinariat an, ob die Häupter der Frankenapostel wieder nach Würzburg überführt werden sollten. Doch daran war aufgrund der immensen Kriegsschäden nicht zu denken. Erst 1949 kam es zur Rückführung. Am 4. Juli wurde in der Sakristei der Stadtpfarrkirche in Gerolzhofen im Beisein von Domkapitular Theodor Kramer die Kiste mit den Schädeln der Frankenheiligen geöffnet. Die Häupter wurden in den neuen Glasschrein gesetzt, den Goldschmied Joseph Amberg aus Würzburg mitgebracht hatte.

Die Heimkehr der Frankenapostel

Am Dienstag, 5. Juli 1949, startete die dreitägige Prozession nach Würzburg. Tausende Gläubige hatten sich in der Steigerwaldstadt versammelt, Hunderte marschierten in der Prozession mit. „Man war durchschauert von diesem einzigartigen Geschehen, als junge Menschen den Schrein der Heiligen durch die sonnige Landschaft trugen“, heißt es in einem zeitgenössischen Pressebericht. Über Frankenwinheim, Lülsfeld und Rimbach wurde am Abend Volkach erreicht. In allen Gemeinden wurden die Reliquien von einer Menschenmenge empfangen, in den Kirchen fand jeweils eine einstündige Anbetung statt.

Am Mittwoch, 6. Juli, ging es von Volkach über Nordheim, Sommerach, Gerlachshausen zur Abtei Münsterschwarzach. Weiter ging es über Schwarzenau zur Wallfahrtskirche Dettelbach und dann in die dortige Stadtpfarrkirche.

Die Heimkehr der Frankenapostel

Am Donnerstag erreichten die Häupter über Biebelried, Theilheim und Randersacker die alte Bischofsstadt, wo sie in die Adalbero-Kirche einzogen. Nach einer kurzen Andacht wandte sich der lange Zug in Richtung Residenzplatz, wo mehrere Zehntausend Menschen, an der Spitze der junge Bischof Julius Döpfner, tief bewegt die Frankenapostel begrüßten.

Dicht gedrängt standen die Menschen an den Straßen, als Bischof Döpfner in der Abendsonne den Schrein schließlich zur Neumünsterkirche geleitete. Um 21 Uhr hielten die Reliquien wieder ihren Einzug in der Kiliansgruft. Sie waren heimgekehrt.

Fotoserie
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top