Eine Adolf-Hitler-Straße gibt es in Werneck nicht mehr. Aber noch Dokumente, Fotos und Zeitzeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus in Werneck, von Straßennamen, Aufmärschen, Kriegsgefangenen oder Bürgermeistern. Ziemlich genau 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs führte der Historische Verein Markt Werneck erneut zu Orten, wo diese Geschichte noch greifbar ist und wartete mit mancher Überraschung auf.
Fast 60 überwiegend ältere Wernecker, aber auch einige junge folgten Vereinsvorsitzendem Bernd Göbel in die 1930er- und 40er-Jahre. Am Julius-Echter-Platz erläuterte dieser, dass bereits am 30. April 1933, drei Monate nach dem Machtantritt Hitlers, Straßen umbenannt worden waren – was bei der NSDAP-Kreisleitung gern gesehen wurde, wie der Hobby-Historiker auf Nachfrage erklärte.
Adolf-Hitler-Straße hieß die heutige Schönbornstraße, Horst-Wessel-Straße die heutige Julius-Echter-Straße. Das Areal der alten Schule mutierte zur Hindenburg-Anlage. Auf großformatigen Fotos zeigte Göbel jubelnde Massen, Schulkinder und marschierende SA-Truppen.
Viele junge Menschen würden ihn fragen, wie es in dieser Zeit den Juden in Werneck ging, nannte Göbel ein weiteres Thema. Die jüdische Gemeinde hatte sich bereits 1904 aufgelöst, erläuterte Manfred Fuchs, ebenfalls Mitglied des Historischen Vereins. Zwei Personen wohnten noch bis zu ihrem Tod 1907 und 1925 hier. Gleich nebenan am Hahnenhof hatte es zuvor im Wohnhaus des Lehrers einen Betsaal gegeben, daneben eine Mikwe, ein rituelles Tauchbad in der "Müllers-Wern". Dennoch müsse festgehalten werden, so Fuchs, dass zwölf frühere Wernecker Juden im Holocaust umkamen.
Ein Foto der gegenüberliegenden "Adolf Wurm-Brauereigaststätte" brauchte mehr Erläuterung. Abgebildet waren Personen, die "Auf in die Pfalz" wollten, wie ein Schild verriet. Sie stammten offenbar aus der "Roten Zone", einem 400 Kilometer langem Gebiet entlang der deutsch-französischen Grenze. Diese war ab 1939 mehrmals evakuiert worden, die Bewohner mussten ins Innere des Deutschen Reiches ziehen. Nach Werneck kamen Menschen aus Pirmasens, sagte Göbel. Nachdem Deutschland Frankreich besetzt hatte, kehrten sie im Juli und August 1940 wieder zurück.
Wie es um die Führung der Gemeinde bestellt war, wurde den Geschichtsinteressierten am Balthasar-Neumann-Platz verdeutlicht, gegenüber dem erneuerten Rathaus. In dessen Vor-Vorgängergebäude waren nicht alle gewählten Ortsvertreter einverstanden mit der Nazi-Herrschaft: Am 7. April und am 10. Juni 1933 traten von den ursprünglich 15 Gemeinderatsmitgliedern sieben zurück, "aufgrund politischer Umwälzungen", wie Göbel zitierte.
NSDAP erklärt Karl Vick zum Bürgermeister
Ludwig Löser war damals, von 1919 bis 1938, Bürgermeister. Nach seinem Abschied gab es keine Neuwahl, stattdessen erklärte der Kreisleiter der NSDAP, Wilhelm Weidling, den Schweinfurter Parteigenossen Karl Vick zum Bürgermeister. Doch Vick kam im August 1939 zur Wehrmacht, ließ sich in Werneck vertreten und übernahm laut Göbels Recherchen noch dazu Anfang 1943 in der polnischen Stadt Skórcz, die von 1942 bis 1945 Großwollental hieß, die Bürgermeisterfunktion.
Ludwig Röckelein, der Vick ab 1941 in Werneck vertreten hatte, wurde ab 1943 sein Nachfolger. Ein fanatischer Nazi sei er wohl nicht gewesen, meinte Göbel. So habe er sich beispielsweise für Kriegsgefangene eingesetzt. Franzosen, Belgier, Russen und Polen waren in Werneck untergebracht und mussten bei Bauern, Betrieben, der Wernbegradigung oder beim Bunkerbau helfen. Röckelein war nach dem Krieg von den Amerikanern kurzzeitig interniert worden. Von 1956 bis 1972 war er gewählter Bürgermeister.
Am Platz zwischen Rathaus und Marktkrankenhaus, dessen Bau 1944 begonnen wurde, stand die Gruppe auf der Fläche der abgerissenen katholischen Kirche. Deren damaliger Pfarrer Paul Anders sowie sein Bruder Georg, ein Wehrmachtsoffizier, hatten offenbar mit Widerständlern Kontakt. Laut Göbel soll der Pfarrer in diesem Zusammenhang nach einer Warnung vor einer Hausdurchsuchung brisante Dokumente von einem befreundeten Fliesenleger im Badezimmer einmauern haben lassen, so dass sie nicht gefunden wurden. "Er hat auch mal SA-Leute in Uniform aus der Kirche geworfen", wussten Göbel und HV-Ehrenvorsitzender Heinz Kruppa.
Das Schloss und die Greueltaten
Der Schlosshof war letzte Station der Spurensuche. Göbel rief die verschiedenen Funktionen des Schlosses und damit verbundene Greueltaten in Erinnerung: Ab 1855 Irrenanstalt, von 1934 bis 1939 Zwangssterilisierungen, im Frühjahr 1940 Menschenversuche, im Oktober 1940 Räumung und Verlegung von 760 Patienten, die Hälfte kam in Zwischen- und Tötungsanstalten.
Danach war das Schloss bis April 1942 Lager für umgesiedelte Deutsche aus Südosteuropa, Lettland und Estland aufgrund des geheimen Zusatzprotokolls zur territorialen Aufteilung im Hitler-Stalin-Pakt. Unter den Flüchtenden war auch die Familie des heutigen österreichischen Präsidenten Alexander Van der Bellen.
Schließlich beherbergte das Schloss bis Kriegsende die Unteroffiziersschule III der Luftwaffe. Als am 24. Februar 1944 Schweinfurt bombardiert und auch das Schloss Werneck getroffen wurden, verhinderten Offiziersschüler durch ihr Löschen größeren Schaden. Das Kriegsende kam mit dem Einmarsch der Amerikaner am 8. April 1945. Dabei gab es etliche Tote unter der Wernecker Bevölkerung, die durch Geschosse aus der eigenen Flak bei Ettleben umkamen.
Göbel erinnerte daran, dass der Historische Verein die Zeit zwischen 1933 und 1945 dokumentieren will und dankbar für weitere Informationen ist. Infos: www.historischerverein.de
auch eine Aufarbeitung der Ereignisse in den vielen ehemals selbstständigen Orten, die heute Gemeindeteile von Werneck sind. Ettleben mit seiner Flak - Stellung wurde im Text ja kurz erwähnt.